VR-Technik 2021: War Oculus zu optimistisch?

VR-Technik 2021: War Oculus zu optimistisch?

2016 wagte Michael Abrash einen Blick in die Glaskugel und schätzte, wo VR-Technik in fünf Jahren stehen würde. Lag der Leiter der Oculus-Forschungslabore richtig?

Abrash äußerte seine viel beachteten Vorhersagen im Rahmen der Entwicklerkonferenz Oculus Connect 3, die im Oktober 2016 stattfand. Er machte dabei deutlich, dass er von Highend-PC-VR und nicht mobilen VR-Brillen spricht, in die technische Innovationen erst nach und nach Eingang finden würden.

2016 war das Jahr, in dem Facebook die PC-VR-Brille Oculus Rift auf den Markt brachte. Der Oculus-Mitgründer Brendan Iribe und wahrscheinlich auch weite Teile seines Teams waren davon überzeugt, dass Highend-PC-VR die Zukunft der Technologie ist, weil sie die fortschrittlichste VR-Erfahrung erlaubt.

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Facebook schwenkt um auf Mobile-VR

Ziemlich genau zwei Jahre später wurde die Arbeit an der schon produktionsreifen Oculus Rift 2 eingestellt und Brendan Iribe verließ das Unternehmen. Der Grund dürften schleppende Verkäufe und ein Machtwort von Facebook-CEO Mark Zuckerberg gewesen sein, der die Zukunft von Anfang an in mobiler Virtual Reality sah und einen Schwenk auf Oculus Quest herbeiführte. Der Erfolg sollte ihm später Recht geben.

Statt einer technisch hochgerüsteten Oculus Rift 2 erschien im Mai 2019 zeitgleich mit Oculus Quest die moderat verbesserte PC-VR-Brille Oculus Rift S. Im Herbst 2020 schließlich folgte das Aus der Rift-Produktreihe: Facebook kündigte den Produktionsstopp der Oculus Rift S an und gab bekannt, in Zukunft keine reinen PC-VR-Brillen mehr zu bauen. Die Zukunft sollte der Oculus Quest gehören, die seit 2019 via Oculus Link auch am PC genutzt werden kann.

VR-Brillen Quest 2 und Rift S mit Controllern, einander gegenübergestellt

In 2021 feiert Facebook mit der Oculus Quest 2 Erfolge, während Oculus Rift S (rechts) aus dem Produktportfolio verschwindet. | Bild: Facebook / Oculus / MIXED

Abrashs PC-VR-Vision wurde nicht wahr

Dieser kleine geschichtliche Exkurs ist wichtig, weil er Abrashs Prognosen in Kontext stellt: 2016 glaubte Oculus, mit Highend-PC-VR Erfolg haben zu können und fokussierte sich auf die Entwicklung möglichst fortschrittlicher Hardware. Preis und Nutzungskomfort waren zweitrangig.

Wirft man einen Blick auf Abrashs Vorhersagen, wird deutlich, dass er in den meisten Punkten falsch lag. Optische Faktoren wie Auflösung, Pixeldichte, Sichtfeld und Tiefenfokus haben sich nur marginal oder gar nicht verbessert, gemessen an der einzigen VR-Brille, die Facebook noch verkauft: der Oculus Quest 2 (Test).

Während Schlüsseltechnologien wie Eye-Tracking und Foveated Rendering auch 2021 immer noch auf sich warten lassen, sind Handtracking und drahtloses PC-VR mittlerweile Wirklichkeit geworden.

Oculus Rift (2016) Prognose (für 2021) Oculus Quest 2 (2021) Menschliches Sehvermögen
Auflösung (pro Auge) 1.200 × 1.080 Bildpunkte 4.000 × 4.000 Bildpunkte 1.832 × 1.920 Bildpunkte -
Pixeldichte ca. 15 Pixel pro Grad ca. 30 Pixel pro Grad ca. 20 Pixel Pro Grad ca. 120 Pixel pro Grad
Sichtfeld ca. 90 Grad ca. 140 Grad ca. 90 Grad ca 220 - 320 Grad
Tiefenfokus auf 2 Meter eingestellt variabel auf 2 Meter eingestellt variabel
Foveated Rendering Nein Ja Nein -
Eye-Tracking Nein Ja Nein -
Audio 3D-Audio Personalisierte HRTF  3D-Audio -
Handtracking Nein Ja Ja -
Wireless-VR Nein Ja Ja -
Fotorealistische Avatare Nein Nein Nein -

Facebook forscht weiter an Highend-VR

Zugegeben: Abrashs Prognosen an Oculus Quest 2 zu messen, ist ein wenig unfair. Die autarke VR-Brille hat einen anderen Fokus als eine Oculus Rift 2 oder 3, die Abrash 2016 vielleicht vorschwebte. Oculus Quest wurde mit dem Ziel entwickelt, erschwingliche, nutzerfreundliche und drahtlose Virtual Reality für die Massen zu ermöglichen und nicht, die Grenzen des technisch Möglichen auszuloten – auch wenn Oculus Quest im Rückblick selbst ein kleines Technikwunder ist.

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Eineinhalb Jahre nach Abrashs Vorhersagen stellte Facebook den Half Dome-Prototyp vor, eine Highend-PC-VR-Brille, die einige von Abrashs Kernpunkten (140 Grad Sichtfeld, Eye-Tracking, variabler Fokus) erfüllte. Facebook arbeitete folglich daran, diese Ziele zu erreichen und hat die Highend-VR-Forschung nicht aufgegeben, im Gegenteil: Dieses Jahr könnte das Unternehmen wieder Einblick in neue, aufregende Prototypen geben. Ob in Form kabelgebundener oder autarker Geräte ist offen.

Half_Dome_Prototypen_1_2_3

Auf Half-Dome (links) folgten 2019 die verbesserten Prototypen Half-Dome 2 und 3. | Bild: Facebook

Oculus Quest Pro: Neue VR-Technik in gereifter Form

Darüber hinaus könnte auf der nächsten Facebook Connect (ehemals Oculus Connect), die im September oder Oktober stattfindet, die Oculus Quest Pro vorgestellt oder zumindest angeteasert werden. Mit der Pro-Version will Facebook womöglich schon im Jahr 2022 eine etwas teurere, aber technisch fortschrittlichere Variante der Oculus Quest auf den Markt bringen.

Die Idee ist, dass Quest Pro zur Experimentierplattform für neue VR-Technologie wird, die eines Tages in gereifter Form in das erschwinglichere Massenprodukt Oculus Quest Eingang finden könnte.

Damit träte die Quest Pro funktionell die Nachfolge der Rift-Produktreihe an, nur eben für mobile Virtual Reality. Die VR-Brille wird wahrscheinlich Sensoren für Eye- und Face-Tracking verbaut haben, um eine lebensechtere Social-VR-Erfahrung zu ermöglichen.

Abrash räumt „Optimismus“ ein

Und wie reagierte Abrash auf die wechselnden Zeichen der Zeit? Auf der Oculus Connect 5 verschob er seine früheren Prognosen aufs Jahr 2022 und auf der Oculus Connect 6, die 2019 stattfand, wollte er gar keine Vorhersagen mehr machen und zitierte stattdessen Hofstadters Gesetz.

Er sei bei seinen Prognosen zu optimistisch gewesen, meinte Abrash damals. „Ich weiß nicht, wann man die magische VR-Brille kaufen können wird, die wir letztes Jahr zeigten“, sagte Abrash im Hinblick auf Half-Dome. „Virtual Reality wird sich kontinuierlich weiterentwickeln, aber meine Vision einer Next-Gen-VR wird mehr Zeit beanspruchen. Wie lange mehr? Ich weiß es nicht. Sagen wir: nicht in absehbarer Zeit.“

Titelbild: Facebook

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