"XR ist alternativlos" - Telekom im Interview über VR & AR
Telekoms XR-Chef Wolfgang Gröning spricht im Interview mit MIXED über VR, AR und warum er innovative XR-Technologien für die Zukunft hält.
Global Player im XR-Bereich kann man an zwei Händen abzählen. Facebook dominiert spätestens seit der Oculus Quest 2 den VR-Markt nach Belieben, während Sony den Kopf in den virtuellen Sand steckt und PlayStation VR an Überalterung und Schweigsamkeit sterben lässt.
HTC will zwar weitere VR-Brillen bringen, aber die Vive Cosmos-Plattform war ein Flop. Microsoft hat das Vorzeigemodell einer AR-Brille mit der Hololens 2 für Unternehmen am Start, aber bei Windows Mixed Reality gibt es kaum was zu holen – außer der HP Reverb G2 natürlich, wenn sie denn denächst in Europa verfügbar ist.
___STEADY_PAYWALL___In Deutschland gibt es ein großes Unternehmen, das AR, VR und MR seit den ersten Tagen begleitet und in XR investiert. Die Deutsche Telekom ist zwar bislang nicht als Hersteller von VR-Brillen aufgetreten, bietet aber mit Magenta VR schon lange eine Plattform für 360-Grad-Inhalte, die sich besonders gut in VR erleben lassen. Außerdem arbeitet sie exklusiv mit Nreal am Deutschlandstart der AR-Brille Nreal Light und kooperiert mit dem ehemaligen HTC-Chef Peter Chou, der an der Social VR-Welt Manova schraubt.
Während in der Vergangenheit Firmenchefs und XR-Größen immer wieder gebetsmühlenartig den Durchbruch von Virtual Reality beschworen, hält sich die Telekom eher zurück. Woran liegt das? Welche Ziele verfolgt die Telekom und wo sieht das Unternehmen XR in der Zukunft?
MIXED hatte die Möglichkeit, Wolfgang Gröning exklusiv einige Fragen dazu zu stellen. Gröning ist Leiter XR & Immersion bei der Telekom Deutschland und Vize-Präsident der gleichnamigen internationalen Abteilung. Er ist im deutschsprachigen Raum für die Weiterentwicklung des Magenta XR-Angebots der Telekom zuständig.
Inhalt
An der Schwelle zum XR-Zeitalter
Während VR und AR noch eine ziemliche Nische sind und es noch eine Weile bleiben werden, wollten wir zuerst wissen, warum die Telekom in diesem noch recht kleinen Bereich investiert.
Gröning zeigt sich überzeugt, dass die neuen Technologien die Nutzung digitaler Medien künftig maßgeblich prägen werden. „Unsere Art, zu kommunizieren und miteinander zu interagieren, wird sich entscheidend durch AR und VR verändern und unser Leben in der Zukunft nachhaltig beeinflussen“, erklärt Gröning. „Neue Formen des Entertainment werden entstehen.“
Gröning vergleicht die Entwicklung von XR mit dem Smartphone, das die traditionelle Telefonie nach und nach abgelöst hat. Die Telekom sehe hier eine klare Parallele und verfolge frühzeitig das Ziel, attraktive Produkte zu entwickeln, die neben schnellem und einfachem Zugang das bestmögliche Erlebnis bieten.
Wann ist es soweit? Wie realistisch sind die zeitlichen Erwartungen der Entscheider beim größten deutschen Telekommunikationsunternehmen? Die Telekom investiert bereits seit Jahren in VR, unter anderem in die Plattform Magenta VR. Doch die Erfolgseinschätzungen sind überraschend bodenständig, die Telekom plant langfristig.
„Die technische und kommerzielle Entwicklung dieser Innovation ist ein Marathon, jedoch alternativlos. Die Vielzahl der möglichen Anwendungsfälle und das Erlebnis, in diese förmlich 'einzutauchen', haben im Vergleich zu allen innovativen Technologien das größte Potenzial im Massenmarkt“, sagt Gröning.
Realismus vor Hype
Gröning sieht stattdessen noch viel Bewegung auf dem Markt, bis die neuen und disruptiven Technologien einen festen Platz in der Gesellschaft gefunden haben. „Als Deutsche Telekom betrachten wir unsere Aktivitäten und Investitionen langfristig und wir haben die nötige Ausdauer.“
Konkret für VR sehe die Telekom ein großes Potenzial unter anderem für Unterhaltung und soziale Interaktion. Speziell die soziale Interaktion in VR habe in diesem "außergewöhnlichen Jahr" an Bedeutung gewonnen. „Auch für Business und im eLearning wird VR vermehrt zum Einsatz kommen“, glaubt Gröning.
Da die VR-Blase lange Zeit durch Hype getrieben wurde, ist es jetzt neben Durchhaltevermögen vor allem Realismus, den die Branche braucht. Welche Faktoren sieht die Telekom für den so oft zitierten "Durchbruch im Massenmarkt" als ausschlaggebend an?
„Innovative Anwendungen, technologisch ausgereifte Endgeräte und möglichst viele Menschen, die diese Technologie nutzen wollen. Mit unserer Magenta VR App haben wir eines der ersten VR-Produkte im Unterhaltungssegment etabliert, das es auch VR-Anfängern ermöglicht, ganz einfach virtuelle Inhalte erleben zu können“, sagt Gröning.
„Die App funktioniert bislang mit Smartphones und Cardboards oder zuvor mit der Oculus Go und Samsung Gear VR. Bis wirklich 'massentaugliche' Endgeräte für alle verfügbar sind, ist die Nutzung mit dem Smartphone und Cardboard unsere Chance, die Menschen schon jetzt an virtuelle Angebote heranzuführen“, glaubt Gröning.
Die Telekom-Strategie und erste Erfolg
Geht die Strategie auf? Erstmals bekommen wir Zahlen zur Nutzung von Magenta VR – und die können sich durchaus sehen lassen: Mehr als 550.000 Mal wurde die App heruntergeladen und über eine Million In-App-Video-Sessions stehen auf der Haben-Seite.
Das lässt sich natürlich noch deutlich ausbauen, vor allem da die Unterstützung für Oculus Quest und Oculus Quest 2 (Test) fehlt. Wann wird Facebooks beliebte VR-Brille von Magenta VR unterstützt?
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„Unser Ziel ist es, mit Magenta VR auf allen relevanten VR-Geräten zu sein“, sagt Gröning. „Die Oculus Quest / Quest 2 ist aktuell das wichtigste Standalone-Gerät im Markt, also sehr relevant für uns. Wir sind dran – einen genauen Zeitpunkt können wir leider noch nicht nennen.“
Und wie steht es mit einer eigenen VR-Brille der Telekom? Da ist erstmal keine geplant, da sich die Telekom eher als „Best Aggregator“ versteht und den Fokus darauf legt, neue Technologien wie VR-Brillen (Vergleich), Unternehmen, Start-ups und natürlich Ideen und Anwendungen zu testen und für ihre Zielgruppe zu bündeln.
„Unsere Strategie ist es, die Entwicklungen zu antizipieren und offen für alle relevanten Geräte und Plattformen zu sein,“ erklärt Gröning. „Dazu stehen wir ebenso in engen Partnerschaften mit den großen Tech-Konzernen wie mit den dynamischen und vielversprechenden Start-ups und Content-Studios.“
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Telekom und Nreal: Partnerschaft für AR
So kam auch die Partnerschaft mit dem chinesischen Start-up Nreal zustande, die an einer AR-Brille für den Konsumenten-Markt arbeiten. Nachdem Nreal auf der CES 2019 erstmals die AR-Brille zeigte, nahm die Telekom Kontakt auf.
„Seitdem begleiten und beeinflussen wir die Entwicklungen“, führt Gröning weiter aus. „Im Rahmen dieser Technologie-Partnerschaft konnten wir viel voneinander lernen.“
Die Nreal Light kann in einigen Flagship-Stores der Telekom ausprobiert werden und das Feedback der Kunden wird zur Weiterentwicklung und Verbesserung eingesetzt. MIXED durfte Nreal Light ebenfalls exklusiv ausprobieren. Lest unsere Eindrücke im Vorab-Test zur Nreal Light. Im Telekom Hubraum basteln Entwickler außerdem an sinnvollen Apps für die AR-Brille.
Die Telekom will die Partnerschaft mit Nreal in 2021 noch ausbauen und deutet große Pläne an. Eine „Killer-App“ oder den schnellen Durchbruch in den Massenmarkt erwartet Gröning allerdings noch nicht.
„Die Entwicklung wird noch ihre Zeit benötigen, was für uns jedoch kein Grund ist, nicht bereits mit Ausdauer und Leidenschaft aktiv zu werden. Initial glauben wir an Big Screen, Multi Screen und unterschiedliche Handsfree-Szenarien.“
Die eigene Magenta-Plattform spielt hier natürlich eine Rolle für die Distribution der Inhalte, vor allem auch mittels des neuen 5G-Standards. „Auch wir sehen 5G als wesentlichen Baustein für Mixed Reality“, sagt Gröning. „Einerseits um die Endgeräte zu verschlanken, aber auch, weil damit viele spannende neue Anwendungen entstehen können, in denen unter anderem eine geringe Latenz von Bedeutung ist.“
Trotz eines erfolgreichen Starts der Telekom mit 5G sieht er diese Technologien noch am Anfang: „Die Entwicklung attraktiver Mixed-Reality-Brillen wird sicherlich noch einige Jahre dauern, doch auch kurzfristig wird es bereits erste spannende AR Erlebnisse geben und 5G-AR-Streaming schon ab dem nächsten Jahr möglich sein.“
Breites App-Portfolio schlägt Killer-App
„Insgesamt glauben wir nicht an die einzelne Killer-App, sondern an die Vielfalt der unterschiedlichen Anwendungen und deren regelmäßige Nutzung“, stellt Gröning klar.
Wo liegen die Chancen von AR im Konsumentenmarkt, wenn die „Killer-App“ als Marketing- und Hype-Begriff aus dem Prozess entfernt wird? „Wir sehen dabei zum Beispiel Location Based Services ganz vorne mitspielen, also unter anderem die Zielführung oder örtliche Informationen. Auch Kommunikation in Echtzeit, ortsbezogenes Gaming oder Shopping mit lokalen Angeboten werden Treiber für einen künftigen Massenmarkt sein.“
Ab dem nächsten Jahr könnte es für die Telekom noch mehr zu bündeln geben: Facebook und Apple arbeiten an AR-Brillen oder Smart Glasses. Kennt Gröning die Pläne der großen Tech-Konzerne? Voraussagen oder Spekulationen will er nicht befeuern, aber er bekräftigt noch einmal seine Überzeugung, dass XR die Zukunft ist.
„Ich kann sicher sagen, dass einige der großen Unternehmen extremes Kapital in diesen Markt investieren und es gibt zudem viele agile, innovative Start-ups in diesem Umfeld. Ich bin überzeugt, dass wir zunächst eine Kombination aus AR-Brillen und Smartphones sehen werden. Langfristig glaube ich, dass AR-Brillen oder andere XR-Geräte die Rolle der Smartphones übernehmen werden.“
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