VR-Filme haben 2020 eine neue Qualitätsstufe erreicht

VR-Filme haben 2020 eine neue Qualitätsstufe erreicht

Das VR-Programm der Filmfestspiele von Venedig zeigt: VR-Filme haben 2020 eine neue Qualitätsstufe erreicht und müssen als Kunstform ernst genommen werden. Ich stelle euch drei Projekte vor, die mich besonders beeindruckt haben.

Das VR-Begleitfestival hörte auf den Namen Venice VR Expanded und fand vom 2. bis 12. September online statt. Rund 44 Projekte aus 24 Ländern standen auf dem Programm und waren auf diversen VR-Plattformen wie Viveport, Oculus Quest und VRChat zu sehen.

Einige Projekte sind nach wie vor abrufbar und wurden im folgenden Artikel mit entsprechenden Links versehen.

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Minimum Mass

Minimum Mass handelt von einem Liebespaar, das eine Reihe von Fehlgeburten bewältigen muss. Der Zuschauer erlebt Schlüsselszenen aus dem Leben der Liebenden: aus der Kennenlernphase, glücklichen Tagen, aber auch Momenten der Entfremdung und Krise.

Was diesen VR-Film besonders macht, ist die Kombination aus Perspektive und Fotorealismus. Die Szenen spielen sich dioramenhaften Räumen ab und versetzen den Zuschauer in den Körper eines Riesen, der in Puppenhauszimmer blickt. Die beiden Hauptfiguren sind realistisch gezeichnet und lebensecht animiert, aber wirken wie zerbrechliche Puppen.

Die Vergrößerung des Zuschauers und Verkleinerung der Charaktere führt zu einer verstärkten Anteilnahme an den Figuren: Die Räume schweben im Nichts wie Fragmente einer Erinnerung oder eines Traums und können von Hand gedreht werden, sodass man je nach Perspektive andere Räume vor sich sieht.

Zwischen den einzelnen Szenen findet man sich in einer unbekannten Dimension wieder und hört die Figuren sprechen. Wo und was man ist, wird erst am fulminanten Ende des VR-Films enthüllt.

Minimum Mass zeichnet sich durch technische und handwerkliche Reife, eine eigene VR-Ästhetik und seine berührende Geschichte mit überraschender Auflösung aus.

Der VR-Film dauert 20 Minuten und ist für PC-VR-Brillen kostenlos auf Viveport erhältlich.

The Book of Distance

In The Book of Distance rekonstruiert der Kanadier Randall Okita die Lebensgeschichte seines japanischen Großvaters, der 1935 in jungen Jahren seine Heimatstadt Hiroshima verlässt, um in der Fremde ein neues Leben zu beginnen.

In wunderschönen VR-Tableaus wird man Zeuge der japanischen Kultur, der Reise des Jungen nach Kanada und den von Schweiß und harter Arbeit geprägten Jahren, in denen er eine Familie gründete und ein neues Leben aufbaute. Später, mit dem Eintritt Kanadas in den Zweiten Weltkrieg, wird man Zeuge der Verfolgung und Zwangsinternierung der Familie und der Katastrophe von Hiroshima.

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The_Book_of_Distance_Familie_in_Hiroshima

Eine Szene aus glücklichen Zeiten. | Bild: Randall Okita / National Film Board of Canada

Die Lebensgeschichte von Yonezo Okita ist fragmentarisch durch Erzählungen, Gegenstände und vereinzelte Fotos überliefert. In The Book of Distance erweckt sie der Enkel mittels Virtual Reality auf bewegende Art und Weise zum Leben, indem er die VR-Biografie berührbar und begehbar macht. Der VR-Film lässt einen immer wieder mit Schlüsselobjekten interagieren, sodass man die wichtigen Stationen des Großvaters ein Stück weit miterleben kann.

Die wiederum sind mit so viel handwerklichem Talent und Feingefühl umgesetzt, dass man kaum glauben kann, man habe ein so junges Medium wie den VR-Film vor sich. Mit The Book of Distance hat Randall Okita seinem Großvater ein berührendes Denkmal gesetzt.

Der VR-Film ist derzeit nicht online erhältlich.

Mirror: The Signal

Mirror handelt von der Exo-Biologin und Alienforscherin Claris, die während einer Weltraummission auf einem fremden Planeten notlanden muss. Der ist weniger karg und tot, als er erscheint, denn er kommuniziert auf geheimnisvolle Weise mit Claris, indem er ihre Erinnerungen und ihr Unbewusstes halluziniert. Über diese Spiegelbilder der Vergangenheit nehmen wir am Innenleben der Protagonistin und lernen ihre Geschichte kennen.

Der Beititel "The Signal" deutet darauf hin, dass es sich um eine Episode aus einem noch unvollendeten VR-Film handelt. Tatsächlich dauert die Filmvorschau nur circa zehn Minuten und zeigt den Absturz der Astronautin, den Beginn ihrer Planetenerkundung und eine erste Manifestierung.

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Der VR-Film Mirror: The Signal zeigt, was technisch möglich ist. | Bild: Albyon

Der VR-Kurzfilm beeindruckt in erster Linie durch seine technischen Aspekte. Man stelle sich vor, Ridley Scott hätte einen neuen Alien-Film exklusiv für Virtual Reality gedreht, so perfekt und fotorealistischen wirken die Biologin, die Rettungskapsel, der Planet und die halluzinierte Szene. Und man selbst steht mitten drin und wünscht sich eine abendfüllende VR-Filmerfahrung von dieser Qualität.

Mirror ist das erste Projekt des XR-Studios Albyon, einer Ausgründung der renommierten VR-Filmproduktionsfirma Atlas V (Gloomy Eyes, Ayahuasca, Spheres). Das Studio spezialisiert sich auf Game-Engine-Filmtechniken, Motion Capturing und volumetrische Aufnahmen.

Mirror: The Signal ist derzeit nicht online erhältlich.

Weitere Festivalshighlights

Zu den weiteren Glanzpunkten des Festivals gehören

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