Facebook droht Klagewelle: VR-Entwickler äußern Vorwürfe

Facebook droht Klagewelle: VR-Entwickler äußern Vorwürfe

In den USA droht Facebook eine Welle kartellrechtlicher Klagen, die auch die VR-Geschäftspraktiken ins Licht rücken dürften. Einem Bericht zufolge spricht das US-Justizministerium derzeit mit VR-Entwicklern, die Facebook vorwerfen, seine Marktmacht zu missbrauchen.

Auf Facebook kommt viel Ungemach zu: Insider berichten, dass mehrere US-Bundesstaatsanwälte nächste Woche Klage gegen Facebook einreichen wollen. Mindestens 20 bis 30 Bundesstaaten sollen sich an der kartellrechtlichen Klage beteiligen, schreibt CNBC.

Die Federal Trade Commission (FTC), eine Bundesbehörde, die Kartelle überwacht und für Verbraucherschutz zuständig ist, soll ebenfalls schon nächste Woche Anklage erheben. Das Augenmerk liege auf der Übernahme von Instagram und Whatsapp.

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Das US-Justizministerium ermittelt schon seit längerem gegen Facebooks Geschäftsgebaren und spricht nun auch mit Entwicklern und Herstellern von VR-Produkten, die Facebook unlauteren Wettbewerb vorwerfen, berichtet Bloomberg.

Facebooks Marktdominanz wächst schnell

Marktbeobachter wissen: Facebook ist drauf und dran, ein VR-Monopol zu etablieren. Facebook-Brillen dominieren immer stärker den PC-VR-Markt und mit Oculus Quest 2 (alle Infos) hat Facebook ein autarkes Gerät auf den Markt gebracht, das die VR-Industrie nachhaltig prägen dürfte. Eine starke Konkurrenz ist nicht in Sicht: Der größte Mitbewerber Sony deutete vor kurzem einen mittel- bis langfristigen Rückzug aus dem VR-Markt an.

Für Entwickler sind Facebooks VR-Ambitionen Segen und Fluch zugleich: Einerseits vergrößerte Facebook als wichtigster VR-Treiber den Markt signifikant, sodass manche Entwickler bereits gut an ihren Spielen und Apps verdienen, andererseits ist Facebooks VR-Plattform mittlerweile so wichtig als Einnahmequelle, dass es schwierig wird für Entwickler, außerhalb des Oculus Stores Profit zu machen. So gewinnt Facebook große Macht über den Markt und Entwickler.

Oculus Quest 2 mit Controllern und der Verkaufsbox im Hintergrund

Oculus Quest 2 bietet ein unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis und ist in seiner Produktkategorie ohne Konkurrenz. | Bild: Facebook.

Im Mittelpunkt der kartellrechtlichen Klagen stehen Facebooks aggressive Geschäftspraktiken: Mitbewerber werden entweder übernommen oder solange kopiert, bis sie vom Markt verdrängt werden.

Drei Entwickler und ein VR-Brillenhersteller beschuldigen Facebook, seine VR-Marktmacht zu missbrauchen und besagte Strategien auf den VR-Markt anzuwenden. Die Vorwürfe lauten, dass Facebook Ideen stehle, konkurrierende VR-Apps aus dem Oculus Store dränge und Preisdumping für VR-Geräte betreibe.

Gründer verlässt auf Druck eigenes Start-up

Cix Liv, der Mitgründer des Start-ups Yur, ist einer dieser drei Entwickler. Sein Unternehmen brachte eine Fitnesstracker-App für VR-Brillen heraus. Laut Liv hat das Start-up Monate damit verbracht, Facebooks Store-Anforderungen gerecht zu werden, nur um am Ende abgewiesen zu werden. Derzeit ist die App nur auf anderen VR-Plattformen wie Steam und Sidequest erhältlich.

Liv beschuldigt Facebook, den Fitness-Tracker per Software-Update unbrauchbar gemacht und eine eigene Lösung auf den Markt gebracht zu haben, den Fitnesstracker Oculus Move. "Facebook isst die Industrie lebendig auf", sagt Liv gegenüber Bloomberg. "Es killt jede App, die auch nur im Ansatz eine Konkurrenz darstellen könnte."

Der Firmengründer soll aus seinem eigenen Start-up geworfen worden sein, nachdem er auf Twitter Vorwürfe gegen Facebook erhoben hatte. Die VR-Investmentfirma Venture Reality Fund solle Druck auf ihn ausgeübt haben, die Facebook-Kritik zu unterlassen. Dies deshalb, weil es hoffte, Facebook könnte in Zukunft Yur oder andere Start-ups übernehmen, in die die Firma investierte.

Facebook zwingt Entwickler, ein Feature zu entfernen

Guy Godin hat eine ähnliche Erfahrung gemacht. Der Entwickler der beliebten VR-App Virtual Desktop wirft Facebook vor, seine Idee eines virtuellen Desktop-Zugriffs gestohlen und unter gleichem Namen kostenlos für die eigene PC-VR-Plattform herausgebracht zu haben.

Doch damit nicht genug: Im Sommer 2019 veröffentlichte Godin ein Update für Virtual Desktop, das das drahtlose Streaming von PC-VR-Spielen in die Oculus Quest ermöglicht. Facebook zwang den Entwickler, die Funktion zu entfernen und gab als Grund Qualitätsbedenken an. Weil 90 Prozent seiner Einnahmen aus dem Oculus Store stammen, kam Godin der Forderung nach. Die Streaming-Funktion muss seither von einer alternativen Plattform heruntergeladen und installiert werden (siehe Anleitung: PC-VR-Spiele drahtlos streamen).

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Godin glaubt, dass Facebook das Feature deshalb entfernt haben wollte, weil das Unternehmen an einer eigenen, kostenlosen Lösung für WLAN-Streaming arbeitet. "Sie wollen alles beherrschen", sagt Godin zu Bloomberg. "Wenn es nur ein Unternehmen gibt, wird es schwer, als Entwickler zu überleben."

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Mit Virtual Desktop kann man den eigenen PC-Desktop in VR nutzen oder PC-VR-Spiele in die Oculus Quest streamen. | Screenshot: MIXED.de

Angst vor Facebooks Marktmacht

Ein weiterer Facebook-Kritiker ist der Bigscreen-CEO Darshan Shankar. Bigscreen ist eine der beliebtesten VR-Apps und ermöglicht das gemeinsame Betrachten von Videos und Filmen in virtuellen Räumen.

Seit 2018 bietet das Start-up Filmvorführungen in virtuellen Kinos(Bigscreen Cinema Test). Da das Start-up für die Filmleihe hohe Umsatzbeteiligungen an die Studios zahlen muss und Facebook weitere 30 Prozent des Umsatzes fordert, macht Bigscreen mit jeder Vorführung Verluste. Shankar gibt an, dass er die 30-Prozent-Abgabe mit Facebook habe verhandeln wollen, jedoch ohne Erfolg.

Schon vor Jahren habe er von Facebook Übernahmeangebote erhalten, die sich mehr und mehr in Drohungen verwandelten. “Sie sagten mir, ich solle mich ihnen anschließen, weil sie das Gleiche bauen und uns zerstören würden”, schrieb Shankar bei Twitter.

“Jeder VR-Entwickler hat Angst davor, über Facebook zu sprechen, weil wir befürchten, dass Facebook uns mehr schadet und das Überleben noch schwieriger macht.”

Preisdumping benachteiligt Konkurrenten

Das Pariser Start-up Lynx entwickelt eine autarke Mixed-Reality-Brille, die sich an Unternehmen richtet und ähnliche Bauteile wie Oculus Quest 2 verwendet. Der CEO und Gründer Stan Larroque glaubt, dass Facebook die VR-Brille großzügig subventioniert und schätzt den Verlust auf 50 US-Dollar pro Gerät. Facebook wolle durch konkurrenzlose Preise den VR-Markt an sich reißen. Das Preisschild mache es kleineren Herstellern unmöglich, mit Facebook zu konkurrieren.

"Die Botschaft lautet: Wir sind Facebook und es kümmert uns nicht, ob wir Geld verdienen. Wir fluten den Markt und Virtual Reality wird bald Facebook Reality", meint Larroque.

Nun organisieren sich die Kritiker. Im September trafen sich 40 VR-Entwickler und beratschlagten über einen offenen Brief an Facebook, der mehr Transparenz hinsichtlich der Store-Richtlinien und mehr Vorteile für Entwickler einfordert. Die Gruppe will sich außerdem mit einer Organisation zusammenschließen, die ihre Rechte und Ansichten öffentlich vertritt.

Auch in Deutschland hat Facebook wegen seiner Marktstellung Konflikte mit Behörden, der einen Oculus-Verkaufststopp zur Folge hatte. Einzelheiten dazu stehen im Artikel Facebook vs. Deutschland: Was bisher geschah.

Quelle: Bloomberg, CNBC, Titelbild:

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