Ready Player One: Wie realistisch ist die Oasis heute schon?

Ready Player One: Wie realistisch ist die Oasis heute schon?

In Spielbergs Sci-Fi-Blockbuster Ready Player One bewegen sich die Menschen durch die Oasis, eine virtuelle Zwischenwelt, die die Realität beinahe gleichwertig ersetzt. Wie viel Oasis ist heute schon möglich?

Das Paradoxe an Ernest Clines Roman ist, dass die Protagonisten eine digitale Sci-Fi-Welt mit VR-Technologien betreten, die schon in den 80er Jahren erdacht wurden. VR-Brille, Laufband, Handschuhe - alles im Grunde ein alter Hut, neu aufgelegt.

Gerade optisch erinnert die Hardware im Film an aktuell verfügbare VR-Technologie. Dadurch wirkt Ready Player One stellenweise fast schon rückwärtsgewandt, denn eigentlich will der Film ja die Zukunft visualisieren.

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Immerhin: In puncto Funktion ist die Ready-Player-One-Technologie der Realität deutlich voraus. Doch wie groß ist der Abstand zwischen Science-Fiction-Vision und heutigen Möglichkeiten? [jumbotron tagline="Inhaltsverzeichnis"]

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1. Wade Watts VR-Brille

Im Film tauchen verschiedene Brillenmodelle auf, die offenbar unterschiedlich gut funktionieren - zumindest diese Marktsituation gibt's heute schon. Hauptdarsteller Wade Watts hat sich mit dem auffälligsten Stück eingebrillt: Sein Highend-VR-Visor erlaubt den komplett immersiven Blick in die Virtual Reality und nach außen - gleichzeitig. Außerdem ist sämtliche Hardware in die Brille integriert inklusive des Trackingsystems. Einschalten, aufziehen, fertig.

Sogar Watts Augen sind durchs Brillenglas noch sichtbar, was dafür sorgt, dass die Brille beinahe normal wirkt und sogar alltagstauglich sein könnte. Für Regisseur Steven Spielberg wohl ein notwendiger Trick, um die Emotionen in Wades Blicken einfangen zu können. Ein Hauptdarsteller, der permanent einen schwarzen Balken vor den Augen trägt, hätte auf der großen Leinwand wohl eher befremdlich gewirkt.

Über die Auflösung oder die Sichtfeldweite der VR-Brille erfahren wir nichts. Da offensichtlich keine Pixel-Displays und Linsen mehr verbaut sind, braucht es wohl irgendeine Art Projektionstechnologie.

Die Qualität der Darstellung scheint sich ansonsten nicht vom realen Sehen zu unterscheiden. Zumindest beklagen sich die Protagonisten bei ihren Oasis-Abenteuern nicht über hässliche Pixelraster oder einen Tunnelblick.

Augenkontakt mit VR-Brille: Das wäre ein Riesending für die Branche. Bild: Warner Bros.

Augenkontakt möglich trotz VR-Brille: Das wäre ein Riesending für die Branche. Bild: Warner Bros.

Fazit

Realitätsfaktor: 20 Prozent

Watts VR-Brille ist fast ausschließlich Science-Fiction und ebenso Zukunftsmusik wie eine VR-Kontaktlinse oder der Hirnchip im Matrix-Stil. Gut möglich, dass letztgenannter früher gebaut werden kann als diese Sci-Fi-Brille.

Zugegeben, der Watts-Visor existiert zumindest in Ansätzen: Es gibt autarke Brillen mit integriertem Trackingsystem, die kabellos und ohne externen Zuspieler funktionieren.

Diese Geräte sind allerdings nicht so schlank wie Watts VR-Brille. Und sie haben nicht die Leistung, um so eine aufwendige Renderwelt wie die Oasis darzustellen. Bis 2045 ist allerdings noch viel Zeit, um schnellere mobile Prozessoren zu bauen. Und dann gibt es noch 5G-Streaming und neue Renderverfahren mit Blickerfassung, die viel Rechenleistung sparen.

Der eigentliche Knackpunkt an Wades Visor ist ein anderer: Es ist völlig unklar, wie das VR-Display der Zukunft aussehen könnte. Zwar existieren verschiedene Ansätze für neue Darstellungsverfahren, zum Beispiel Lichtfelder. Aber ob und wann diese Technologien marktreif werden, steht in den Sternen.

Eine einfache Form der Retina-Projektion steckt in Avegants Glyph-Visor (Testbericht). Allerdings hat sich das Unternehmen mittlerweile auf Lichtfelder spezialisiert.

2. Emotionen und Mimik

Die Oasis-Charaktere zeichnen sich durch eine lebensechte Mimik aus, dank der sie Emotionen zeigen können wie in der Realität. Dafür hängen sie sich eine kleine Kamera um den Hals, die ihr Gesicht von unten filmt.

Der kleine blaue Scanner fängt die Mimik seines Trägers ein. Bild: Warner Bros.

Der kleine blaue Scanner fängt die Mimik seines Trägers ein. Bild: Warner Bros.

Von allen Ready-Player-One-Technologien ist diese Mimik-Erfassung am ehesten unmittelbar in Reichweite. Für professionelle Spiel- oder Filmproduktionen wird sie schon eingesetzt, um den Gesichtausdruck realer Schauspieler in Echtzeit auf digitale Charaktere zu übertragen.

Für den Endverbrauchermarkt gibt es ebenfalls vielversprechende Ansätze, Blicke und Mimik mit Kameras oder Elektroden einzufangen und zu digitalisieren. Ein Beispiel dafür gibt es im folgenden Video, hier kommt ein Eye-Tracking-System samt Gesichtskamera zum Einsatz.

Fazit

Realitätsfaktor: 90 Prozent

Avatare mit realen Emotionen im Gesicht könnten schon mit der zweiten Generation VR-Brillen möglich sein. Bis 2045 dauert es auf keinen Fall. Blick- und Mimikerkennung ist schon da und funktioniert, sie muss nur noch optimiert und miniaturisiert werden.

3. Fortbewegung in Virtual Reality

Die Oasis-Nutzer bewegen sich auf viele unterschiedliche Arten durch die VR-Welt fort. Zum Beispiel laufen sie mit der VR-Brille auf dem Kopf durch die Realität und legen dabei virtuelle Meter zurück.

Das würde voraussetzen, dass die Oasis-Welt und die reale Umgebung irgendwie aufeinander abgestimmt sind und die gleichen Maße haben. Sonst würden die Spieler früher oder später gegen Wände laufen und Abhänge hinunterstürzen.

Rein technisch wäre so eine "Mapped Reality" heute schon machbar, wenn auch mit sehr hohem Aufwand. VR-Spielhallen wie "The Void" zeigen, wie dieses Prinzip in geschlossenen Räumen funktioniert.

Wade Watts persönlich spaziert hauptsächlich auf einem omnidirektionalen Laufband durch die Oasis. Das scheint die offensichtlichste Fortbewegungsmethode für virtuelle Welten zu sein.

In der Realität beißen sich Hersteller gerade die Zähne daran aus, solche Laufbänder mit natürlichem Laufgefühl, kleinem Formfaktor und zu einem bezahlbaren Preis auf den Markt zu bringen.

Hinzu kommt, dass Watts auf seinem Laufband eine enorme Agilität zeigt mit Sprüngen, Sprints und schnellen Richtungswechseln. Aktuelle VR-Laufbänder sind eher für virtuelle Spaziergänger gedacht, die hauptsächlich geradeaus marschieren. Und selbst das muss erst geübt werden.

Interessanter ist da schon eine Szene, in der Watts wie eine Marionette an Fäden an der Decke aufgehängt ist und sich so völlig frei in 360-Grad drehen und nach oben und unten bewegen kann. Die Fäden übertragen offenbar seine Bewegungen und geben im gleichen Moment Widerstand, simulieren beispielsweise die Schwerkraft.

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Aufgehängt wie eine Marionette soll die VR-Fortbewegung besonders gut funktionieren. Bild: Warner Bros.

Aufgehängt wie eine Marionette soll die VR-Fortbewegung besonders gut funktionieren. Bild: Warner Bros.

Derzeit versucht sich noch kein Hersteller an so einem komplexen Konstrukt. Am nächsten dran ist wohl das Exoskelett von AxonVR, das stark an die Dockingstationen erinnert, mit denen sich die IOI-Soldaten im Film in die Oasis einloggen.

AxonVR: Das erste Exoskelett für Virtual Reality soll VR begeh- und fühlbar machen.

Das AxonVR-Exoskelett soll VR begeh- und fühlbar machen. Bild: AxonVR

IOI - sponsored by Axon? Bild: Warner Bros.

IOI - sponsored by Axon? Bild: Warner Bros.

Fazit

Realitätsfaktor: 25 Prozent

Ready Player One bietet ein paar kreative Ideen für Virtual-Reality-Fortbewegung. Mit der Realität haben die allerdings noch nicht viel gemein. Die Fortbewegung durch virtuelle Welten ist und bleibt das größte Problem der Branche. Eine massenkompatible und hochwertige Lösung für jedermann ist nicht in Sicht. Ob eines Tages mal ein Wade-Watts-Gedächtnislaufband gebaut werden kann, ist nicht absehbar.

Gegenüber VRODO sagte Oculus-Manager Jason Rubin über die eng mit der virtuellen Fortbewegung verknüpfte VR-Übelkeit: "Wir haben vieles versucht, aber niemand hat das Problem wirklich gelöst. Wenn ich einen Wunsch hätte – und ich sage nicht, dass es passiert – dann wäre das mein Wunsch." Er gehe davon aus, dass es noch ein paar Jahre benötige.

4. Berührungshandschuhe und -anzüge

Oasis-Nutzer mit dem nötigen Kleingeld können die VR-Welt nicht nur sehen, sondern auch fühlen und anfassen. Dafür kaufen sie sich spezielle Handschuhe und Anzüge mit Haptik-Simulation, mit denen sie sich über jede Distanz hinweg gegenseitig spüren können.

Gerade die Haptik-Anzüge haben mächtig Dampf: In einer Szene wird der Oasis-Superstar Watts so hart von einem Gegner getroffen, dass ihn der Aufprall zu Boden wirft.

Watts spürt die Hände eines anderen VR-Avatars auf seiner Brust. Bild: Warner Bros.

Watts spürt die Hände eines anderen VR-Avatars auf seiner Brust. Richtig schwere Schläge können auch übertragen werden. Bild: Warner Bros.

Wirklich detailliert erklären die Filmhelden zwar nicht, was sie durch ihre Handschuhe und Anzüge fühlen. Aber ihr natürlicher Umgang mit der VR-Welt ist wohl ein Indiz dafür, dass die Haptik der Oasis ziemlich überzeugend und der realen Welt ähnlich ist.

In der Realität gibt's noch keine ausgereifte Haptik-Simulation, dafür aber reihenweise experimentelle Prototypen mit interessanten Ansätzen. Forscher testeten für eine rudimentäre Orientierung sogar die Wirkung minimalistischer Stromschläge. Eine Allzwecklösung für sämtliche Berührungsszenarien ist allerdings nicht dabei.

Interessant ist beispielsweise der Dexmo-Exo-Handschuh, der mit Motoren verbundene künstliche Gelenke benutzt, um die Umrisse virtueller Objekte fühlbar zu machen. Auch andere Hersteller wie zum Beispiel Oculus probieren mit diesem Konzept herum.

Bei Ganzkörperanzügen wird die Luft im Vergleich zu Handschuhen noch dünner: Schweizer Forscher zeigten kürzlich eine Luftbläschenhaut, die Berührung mittels Luftdruck simuliert.

Viele kleine Luftbläschen können synchron zu einer virtuellen Berührung blitzschnell mit Luft gefüllt werden. Je nachdem, wie viel Luft in eine Blase gepumpt wird und in welchem Tempo, verändert sich das Berührungsgefühl.

Der Effekt taugt allerdings eher für eine Streicheleinheit oder einen Schulterklopfer und nicht für einen massiven Stoß. Außerdem muss die Luftbläschenhaut noch umständlich mit Kompressoren verbunden werden.

Fazit

Realitätsfaktor: 10 Prozent

Erste Ansätze für eine glaubhafte VR-Haptik-Simulation existieren, aber sie sind komplex und sehr experimentell - oder sie gehen nicht über simple Vibration hinaus. Um ähnliche Haptik-Erlebnisse wie in Ready Player One zu ermöglichen, braucht es Technologien, die noch nicht erfunden sind.

5. Die Oasis

Von allen VR-Visionen des Films - außer der VR-Mimik - ist die virtuelle Zwischenwelt Oasis wohl am ehesten machbar. Im Prinzip existiert sie schon, verteilt über viele Anbieter, Spielewelten und Social-Anwendungen hinweg.

Dass diese Welten unter einem Dach vereint werden und ein gemeinsames Bezahl- und Avatarsystem bieten, setzt wohl voraus, dass sich ein einzelner Plattformanbieter am Markt etabliert. In Ready Player One heißt dieser Anbieter Gregarious Simulation Systems. In der Realität könnten es Facebook, Google oder Apple sein. Zumindest Facebook gibt das Metaverse mit einer Milliarde Nutzern offensiv als Ziel aus.

Ein vielleicht weniger wahrscheinliches, aber nicht unmögliches Alternativszenario: ein Konsortium wie die Khronos Group setzt sich durch und etabliert ein Metaverse, das nicht in der Hand eines einzelnen Unternehmens, sondern vergleichbar mit der offenen Struktur des World Wide Web ist.

Selbst grafisch scheint die Oasis trotz opulenter Effekte und fast fotorealistisch wirkender Umgebungen nicht unerreichbar, wenn der Fortschritt bei Computergrafik in den nächsten 25 Jahren ähnlich deutlich ausfällt wie in den letzten 25 Jahren.

Die Komplexität der Interaktion zwischen Spielern und Nicht-Spieler-Charaktern und der gigantische Umfang der Zwischenwelt ist wohl die größere Herausforderung, ebenso wie der sichere Betrieb samt Wartung. Hier könnte zukünftig Künstliche Intelligenz den menschlichen Entwicklern unter die Arme greifen und viele Programmieraufgaben automatisieren. Dass die Oasis komplett in Handarbeit erschaffen wird, scheint unwahrscheinlich.

Fazit

Realitätsfaktor: 90 Prozent

Die Infrastruktur und Ansätze für die Oasis sind schon da, zum Beispiel in VRChat, High Fidelty, Sansar, Facebook Spaces, Altspace VR und vielen weiteren Social-VR-Anwendungen. Sie müssen nur fortentwickelt und vereint werden. Ob wir uns dann so überzeugend und vollsensorisch in dieser Digitalwelt bewegen können, wie es Ready Player One darstellt, ist eine andere Frage.

6. Podcast: Alles über Ready Player One

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