Neuer VR-Cosmos: Drei neue VR-Brillen von HTC angekündigt
Die Vive Cosmos wird modular: Drei neue VR-Brillen sollen neue VR-Zielgruppen erschließen. Was ist geplant?
Es war nicht abzusehen, ob von HTC noch weitere VR-Brillen kommen – und wann. Der taiwanesische Konzern hat seit längerer Zeit mit sinkenden Umsätzen und Verlusten zu kämpfen. Ein Milliardendeal mit Google über Patente und einen großen Teil des Smartphone-Inventars der Firma hatte zwar für Kapital gesorgt, aber die letzten Finanzberichte waren wieder schlecht: Im zweiten Quartal 2019 machte HTC umgerechnet satte 70 Millionen Euro Verlust.
In unserem Jahresend-Podcast 2019 haben wir beim Ausblick auf 2020 prognostiziert, dass HTC dieses Jahr aufgibt und VR einstellt. Doch wir lagen falsch: Zwar war es auf der CES 2020 still um Vive & Co., jetzt stellt HTC aber gleich drei neue VR-Brillen auf Basis der Vive Cosmos (Test-Berichte) vor. Wir haben dazu mit Fabian Nappenbach, Director Product Marketing bei HTC Europe, über die neuen Geräte gesprochen.
___STEADY_PAYWALL___Vive Cosmos Play ist die neue VR-Einstiegslösung
Die Vive Cosmos Play ersetzt laut Fabian Nappenbach im HTC-Portfolio die klassische Vive. Dabei soll es sich um ein Einsteigermodell handeln, das für gelegentliche VR-Konsumenten gedacht ist, die „für den ein oder anderen VR-Titel gern eine gute VR-Brille haben möchten“.
Anstelle der aktuellen Faceplate der Vive Cosmos, die zwei vertikale Trackingkameras beinhaltet, wird einfach eine Plastikabdeckung auf der VR-Brille angebracht. Das bedeutet, die Vive Cosmos Play arbeitet "nur" mit vier Trackingkameras.
Das Tracking soll dadurch laut Marketing-Chef Nappenbach keinesfalls schlechter werden: „Das Tracking über vier Kameras bedeutet keine Präzisionsverschlechterung gegenüber der jetzigen Cosmos. Es funktioniert mit den vier Kameras genauso gut wie mit den sechs. Der vertikale Winkel, also das Tracking für Bewegungen weit oben oder weit unten, ist bei der aktuellen Cosmos einfach größer als bei der Vive Play.“
Als Zubehör ist die Plastikabdeckung für Vive Cosmos-Besitzer uninteressant, derzeit gibt es auch noch keinen Preis dafür. Im Paket kommt die Vive Cosmos Play mit In-Ear-Kopfhörern und den Cosmos-Controllern. Der Preis wird über 500 Euro liegen. Die Veröffentlichung ist für Anfang zweites Quartal 2020 geplant.
Vive Cosmos Elite für Hardcore-Gamer
„Das ist ein Produkt, das wie der Name „Elite“ schon sagt, den Hardcore-Gamer anspricht: Inside-Out-Tracking ist flexibel und variabel, kann man gut transportieren, wenn es aber um Präzision geht, ist nichts genauer als ein Laser“, so Marketing-Direktor Nappenbach im Gespräch mit MIXED. „Das ist eine ganz spezielle Zielgruppe, die wir bis jetzt mit der alten Vive und der Vive Pro angesprochen haben. Mit der neuen Generation VR-Headsets ist die Vive Cosmos Elite das Angebot dafür.“
Das wird mit einer sogenannten „External Tracking“-Faceplate umgesetzt, die die Inside-Out-Brille zu einer Lighthouse-gestützten Brille umfunktioniert. Darin sind Sensoren enthalten, die das VR-Headset mit den Lighthouse-Basisstationen 1.0 und 2.0 kompatibel machen.
Die Faceplate kann als Zubehör erworben werden, setzt aber passende Basisstationen voraus. Der Preis für die einzelne Platte ist noch nicht bekannt. Im Paket kommt die Vive Cosmos Elite mit den ursprünglichen Vive-Controllern und den Deluxe Audio-Kopfhörern und kostet 999 Euro. Zwei Monate Viveport- Infinity-Abo sind ebenfalls enthalten.
„Die Vive Elite kann mit dem Starterkit der Vive Pro (die für Business geplant war) verglichen werden“, sagt Fabian Nappenbach. „Die Vive Pro Eye, unser Business-Flaggschiff für ganz spezielle Anwendungen, ist noch etwas darüber angesiedelt, aber der Pro-Gamer, der am PC immer die neuesten und vor allem präzisionslastigen Titel spielen will, ist die Vive Cosmos Elite unser Angebot.“
Mixed-Reality-Brille Vive Cosmos XR
„Die meisten Leute unterscheiden nur zwischen VR und AR“, erklärt HTCs Marketing-Direktor im Interviw. „Bei AR denkt man an Google Glass: Ich habe 80 Prozent physische Realität und mische noch ein bisschen VR dazu. Klassisches VR ist 100 Prozent virtuell, alles was du siehst hat ein Computer berechnet. Wir sehen aber noch mindestens eine Stufe dazwischen, in diesem Fall virtuelle Grafik, die durch Realität erweitert wird, sozusagen Augmented Virtuality. Das bedeutet, es werden physische Objekte aus meiner Umgebung in meine Virtual Reality-Erfahrung mit einbezogen.“
Die Vive Cosmos XR richtet sich an Geschäftskunden und Entwickler. Die entsprechende Faceplate kommt ohne vertikale Trackingkameras und stattdessen mit zwei zusätzlichen Passthrough-Kameras auf der Unterseite. Sie nehmen in einem 100-Grad-Winkel den Raum vor sich wahr (Spatial Recognition). Zudem soll damit Handtracking möglich sein.
Das Vive Cosmos XR-Paket erscheint voraussichtlich Ende des zweiten Quartals 2020 und soll über 1.000 Euro kosten. Der Preis für die Faceplate als Zubehör ist noch nicht bekannt.
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Stellungnahme von HTC zur Preisgestaltung
Die VR-Brillen von HTC bleiben teuer. Schon zu Release der Vive Cosmos gab es kritische Stimmen, die die Preisgestaltung in Frage stellten. Und auch jetzt stellt sich erneut die Frage, wie HTC mit den neuen Angeboten gegen die etablierten VR-Brillen, vor allem Oculus Quest (Test) und Valve Index (Test) auf dem Markt bestehen will.
Marketing-Direktor Nappenbach zieht auf Nachfrage die „Premium“-Karte, die HTC schon immer ausgespielt hat: „Das schlägt sich bei uns in der ganzen Produktphilosophie nieder“, erklärt er im Gespräch mit MIXED. „So haben wir auch als wir noch einen Smartphone-Fokus hatten, die Smartphones gebaut. Du kannst immer irgendwo Geld sparen und andere Preispunkte abbilden. Das geht bei der Wahl des verwendeten Plastik los, das geht dabei los, wie viel Zeit du in das eigentliche Testing reinsteckst und zieht sich bis zur Wahl der Vertriebskanäle, also ob du nur online verkaufst oder auch in der Breite in Retail-Märkte gehen willst.
Wir positionieren uns bewusst so, dass wir sagen: Wir wollen erstens eine breite Vertriebsstruktur haben, auch wenn‘s ein bisschen Geld kostet. Das sehen wir als besser auf dem Weg aus der Nische in den Massenmarkt an. Aber in der Rangordnung, in der Qualität, sprechen wir insgesamt schon einen Premium-Markt an. Da verlieren wir vielleicht ein paar Kunden, die sagen: Ich habe jetzt aber genau 50 Euro zu wenig für das Gerät und lande deshalb bei der Konkurrenz. Wir müssten uns aber so verbiegen, um so günstige Geräte anzubieten - und die würden unsere Marke beschädigen. Wir sind der Innovator bei den hochwertigen PC-VR-Headsets mit komplettem Tracking und wir wollen die zugehörige Zielgruppe weiter bedienen und ausdehnen.
Aber wir dehnen sie nicht nach dem Motto aus: Schau mal, wir haben ein neues Produkt für 200 Euro, steht auch Vive drauf - und verwirrt die Leute total, weil sie nichts mehr mit der Experience zu tun hat, die man von der Vive gewohnt ist. Wir dehnen uns stattdessen langsam in andere Bereiche aus. Nach oben, in das Business-Segment und ein bisschen weiter runter zu den Leuten, die zum ersten Mal VR benutzen, aber trotzdem nicht das günstigste Headset wollen, sondern eines, das auch zu ihrer Grafikkarte, die auch nicht bloß 250 Euro gekostet hat, passt. Die europäischen Gamer sind sehr gut ausgestattet, was die PCs betrifft und deshalb glaube ich, liegen wir hier in den richtigen Bereichen.“
Premium-Begründung nur schwer nachvollziehbar
Wahrscheinlich sind die Preise der Oculus-Brillen und vielleicht auch einer PlayStation VR quer subventioniert, da sie voll auf einen Konsumentenmarkt ausgerichtet sind. Gewinn ist für Facebook und Sony derzeit vielleicht noch zweitrangig. HTC hingegen muss mit den VR-Brillen Geld verdienen, was die höhere Preisspanne begründen könnte.
Allerdings gehen die Begründungen aus dem Marketing ein wenig an der Realität des VR-Konsumenten vorbei. Die Vertriebsstrukturen in Retailmärkte nutzen Sony und Oculus deutlich mehr, wenn wir uns die Angebote anschauen, die in diesem Märkten oder auch auf Amazon regelmäßig für Schnäppchen sorgen. Stattdessen finden sich HTC-Produkte beispielsweise auf Amazon meist nur über Marketplace-Verkäufer.
Außerdem handelt es sich eben nicht einfach nur um 50 Euro, die den Ausschlag für eine andere VR-Brille geben. Der Besitzer einer Nvidia RTX 2080 TI schaut nicht in erster Linie auf den Preis einer VR-Brille, sondern auf die Leistung. Ein Fauxpas wie das suboptimale Tracking der Vive Cosmos setzt sich aber direkt in den Köpfen dieser Zielgruppe fest. Vorteile wie das knackscharfe Display treten deshalb in den Hintergrund, weil die Konkurrenz mit besseren Gesamtlösungen zum nahezu gleichen (Valve Index) oder sogar günstigeren (Oculus Quest + Oculus Link) Preis aufwartet.
Vive Cosmos-Plattform: Zum Erfolg verdammt?
Wenn die neuen Cosmos-Varianten auch Dank der vielen Softwareupdates mittlerweile gut funktionieren und die Tests positiv ausfallen, kann sich sicherlich erneut eine Kundschaft finden, die beispielsweise das Lighthouse-Tracking allem anderen vorzieht oder die optionale Mobilität wollen. Ob die Einsteigerlösung Cosmos Play überzeugen kann, bleibt abzuwarten.
Wie groß der Gesamterfolg ausfällt und ob HTCs neue Strategie mit der Cosmos-Plattform aufgeht, werden wir anhand weiterer Entwicklungen und vielleicht irgendwann einer wirklich neuen VR-Brille ablesen müssen. Über Zahlen schweigt sich HTC nämlich weiterhin beharrlich aus.
Unser aktuelles Fazit zur neuen Strategie von HTC lest ihr in unserem kommenden Info-Guide zur Vive Cosmos-Plattform. HTC teaserte mit der Vive Proton außerdem eine ganz neue, leichtgewichtige XR-Brille an.
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