Bonelab im Test: VR-Shooter-Hit oder misslungenes Experiment?

Bonelab im Test: VR-Shooter-Hit oder misslungenes Experiment?

Bringt Bonelab kreative Impulse oder folgt nach dem Hype die Ernüchterung? Ich habe mich ins wilde VR-Spiel für Quest 2 und PC-VR gestürzt.

Bonelab verspricht mehr als nur einen VR-Shooter: Wechselnde Spielfiguren mit ganz unterschiedlichen Proportionen sollen ein irres Körpergefühl vermitteln. Im Handumdrehen wird so aus der schnellen Sprinterin ein massiger Krieger oder eine kleine Katze für schmale Geheimgänge.

Hinzu kommt eine Experimentierküche mit Physik-Spielereien, Mods und Bonus-Modi, darunter ein Horde-Modus voller Schusswaffen oder eine Bowlingbahn mit gigantischen Kugeln. Kann der indirekte Nachfolger zu Boneworks mit seinem chaotischen Mix überzeugen oder hat sich Stress Level Zero diesmal übernommen?

Bonelab Review in aller Kürze

Bonelab bietet eine Spielwiese voller Physik-Experimente, Mods und Herausforderungen für Einzelspieler. Die coole neue Mechanik wechselbarer Körper kommt jedoch leider erst gegen Ende der Kampagne zum Einsatz. Enttäuscht haben mich auch die zu leichten Kämpfe, ein Mangel an Komfort-Optionen sowie die manchmal verwirrende Inszenierung.

Primär getestet: Rift S

Bonelab ist für mich geeignet, wenn …

  • ich Spaß an Mods, Herausforderungen und physikalischen Experimenten habe,
  • Puzzles mit wechselnden Held:innen mag und
  • ich einen VR-Shooter mit Story-Modus spielen möchte.

Bonelab ist für mich weniger geeignet, wenn …

  • ich Wert auf ausgefeiltes, herausforderndes Leveldesign lege,
  • mich teilweise holprige Steuerung oder verwirrende Wendungen stören und
  • wenn ich Komfort-Optionen benötige, weil mir in VR-Spielen leicht übel wird.

Wilde Flucht im VR-Shooter

Die Story versetzt mich in die Rolle eines Ausgestoßenen, der in letzter Sekunde seiner Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen entkommt. Nach meiner Flucht durch mittelalterliche Kerker lande ich schnell in einem seltsamen digitalen Labor voller Tests und physikalischer Spielereien.

Auch die Mods zum Spiel sowie Horde-Modi sind an einem Terminal verfügbar.

Dieser Hub mit verschiedenen Bonus-Modi ist hier also Teil der Geschichte. Leider hat Stress Level Zero ihn etwas wirr in die Story eingebettet. Erst nachdem ich eine Weile durchs Labor irrte und einige Herausforderungen ausprobiert hatte, fand ich heraus, wie all das zusammenhängt. Erst dann öffnete sich der Ausgang zum Rest des Story-Modus.

Überhaupt ist es gar nicht so leicht, alle Metaebenen der Erzählung zu entschlüsseln. Selbst wenn ich alle verstreuten Texttafeln lese und in den surreal inszenierten Zwischensequenzen aufmerksam aufpasse, kann ein Großteil der Geschichte an mir vorbeigehen, etwa die Anspielungen auf Metas Horizon Worlds.

Manche Details erfahre ich von der geheimnisvollen Stimme aus dem Off, die sogar nützliche Dinge wie ein Messer erscheinen lässt. Eine deutsche Lokalisation fehlt übrigens, stattdessen sind Text und Vertonung komplett in Englisch.

In der Simulation einer mittelalterlichen Fantasy-Welt ist offensichtlich einiges schiefgelaufen. Immer wieder attackieren mich klappernde Skelette, Magier, religiöse Fanatiker oder auch die schon aus Boneworks bekannten "Nullbodies", die als glühende Drahtgittermodelle auf mich zu wanken.

Wie im Vorgänger kann ich frei wählen, wie ich Attacken abwehre. Meist bekommen meine Widersacher Blei aus allerlei Pistolen, Flinten oder Sturmgewehren zu schmecken.

Physik-Spielereien für Quest 2 und PC-VR

Schon beim manuellen Nachladen spielt die Physik-Engine eine wichtige Rolle. Eine zu schräg angewinkelte Hand oder Hindernisse wie ein Geländer können den Vorgang verzögern oder ein albernes Zucken der Hand verursachen.

Trotzdem ist deutlich weniger Sorgfalt als im Survival-Shooter Into the Radius gefragt. In Bonelab flutscht ein leeres Magazin beim Nachladen sogar automatisch aus der Waffe.

In einer Horde-Herausforderung schießt der Spielercharakter auf untote Angreifer.

Im zweiten Level warten erst einmal Herausforderungen auf Spielende - bis sie ein Rätsel lösen und den Ausgang zum Rest der Story finden. (Screenshot: PC) | Bild: Stress Level Zero, MIXED

Die schwache Gegner-KI animiert mich meistens, Schusswaffen einfach links liegenzulassen und zum Nahkampf zu wechseln. Selbst stärkere Patrouillen mit Sturmgewehren spazieren erstaunlich unaufmerksam durch die Räume. Vorwiegend sprinte ich einfach aus der Deckung, schlage herzhaft mit dem Vorschlaghammer zu und erledige im Anschluss noch problemlos zwei weitere Kollegen.

Auch Nagelkeule, Morgenstern oder andere Schlagwaffen erweisen sich als effektiv. Selbst Mülltonnen oder Einkaufswagen kann ich zur Schlagwaffe umfunktionieren. Die physikalisch korrekte Umsetzung sorgt also immerhin für etwas Spaß am Prügeln, auch wenn es an Herausforderung mangelt.

Ähnlich wie in The Walking Dead: Saints & Sinners ist das Gewicht schwerer Objekte regelrecht spürbar. Eine Axt entwickelt nur zweihändig und im passenden Winkel genügend Wucht. Auch schwere Konferenztische und andere Dinge fühlen sich beim Verschieben angemessen schwer an.

Nachteil der allgegenwärtigen Physik ist, dass sich meine Spielfigur relativ häufig in der Umgebung verheddert. Vor allem beim Klettern zwischen verwinkelten Gerüsten und Schwungseilen haben mir Ungenauigkeiten der Steuerung einige ärgerliche Stürze in die Tiefe beschert.

Bonelab: Wechsle deine Körper

Das Problem wird durch den coolen neuen Körpertausch zwischen den Figuren etwas entschärft. Diese Mechanik wird leider erst gegen Ende der rund sechsstündigen Kampagne freigeschaltet, sorgt dann aber für die unterhaltsamsten Momente im Spiel.

Ein Zug an einem Ärmel-Bändchen ändert den spielbaren Charakter.

Ein Zug am Bändchen ändert später den Charakter: Hier ist rohe Kraft gefragt, um die Steinkugel anzuschubsen. (Screenshot: Quest 2) | Bild: Stress Level Zero, MIXED

Vor einem Balanceakt über schmale Balken verwandle ich mich einfach in eine agile Läuferin, die mit schnellerem Anlauf auch größere Abgründe überbrückt. Oder ich wechsle zum langen Lulatsch, der mit seinen spindeldürren Armen höhere Schwungseile erreicht.

Als kleine Katze krabble ich durch schmale Lüftungsschächte und als massiger Metallkrieger wuchte ich Skelette von der Klippe oder stoße große Kugeln in passende Gruben. Auch eine leichtgewichtige Animé-Pilotin ist dabei, mit ihr düse ich schließlich über eine kurze Kart-Strecke.

Der Figurenwechsel bringt zwar kein völlig neues Körpergefühl (abgesehen vom für mich eher ungewohnten Blick aufs eigene Dekolleté), aber eine willkommene Abwechslung ins Spiel. Löblich ist, dass Armbewegungen nicht exakt, sondern relativ umgesetzt werden: Erst wenn meine Hände mein Hemd erreichen, berühren auch die virtuellen Finger den wohlgenährten Bauch des massigen Kriegers.

Dank dieser Tricks gestalten sich die letzten Kampagnen-Stunden deutlich unterhaltsamer als der zähe Einstieg. Kleine Abstecher in versteckte Lüftungsschächte oder über schnelle Laufbänder schaffen immer wieder schöne kleine Aha-Momente. Untermalt werden die Ausflüge meist von angemessen temporeichen Dubstep- und Synthiepop-Klängen.

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Mängel bei der Balance

Abseits der Fähigkeiten machen sich aber auch Schwächen im Rätsel-Design bemerkbar. In Red Matter 2 oder Lone Echo 2 empfand ich es fast schon als unheimlich, wie motivierend die Mechanik-Puzzles auf meine Knobelfähigkeiten als durchschnittlich cleverer Adventure-Spieler abgestimmt waren. Dort kam mir fast immer nach wenigen Minuten der passende Einfall.

Einige Gegner bekriegen sich gegenseitig.

Praktische Ablenkung: Hier sind die vom System geschickten Krieger gerade mit der Beseitigung glühender "Nullmen" beschäftigt. (Screenshot: Quest 2) | Bild: Stress Level Zero, MIXED

In Bonelabs hingegen schwankt selbst beim Denksport die Balance. Viele Hebel, Brücken oder Fahrzeuge schob ich im Handumdrehen an den passenden Platz. Anderswo bin ich fast verzweifelt.

Eine aus der Decke fallende Kugel muss etwa mit peinlich genauem Timing auf einen Hydraulik-Bolzen treffen, damit dieser sie auf einen Knopf schleudert. Bei meinem Durchgang auf der Quest 2 erwischte ich durch Zufall den richtigen Moment, auf dem PC funktionierte das ewig nicht.

Sogar die Bosskämpfe - sofern man sie als solche bezeichnen kann - enttäuschen: Die Verfolgung einer bunt blitzenden Kugel in einem schmalen Turm frustriert einfach nur. Da der Körperwechsel hier ein Eigenleben entwickelt, führt der Aufstieg unter stetigen Attacken zu vielen Abstürzen und mühsamen neuen Anläufen.

Es gibt aber auch einige richtig coole Umgebungsrätsel, bei denen ich aufmerksam die Umgebung untersuchen muss, um unter anderem einen Kran passend einhängen zu können. Letztlich hätte etwas mehr Feintuning dem Spiel vermutlich deutlich motivierendere Puzzles beschert.

Grenzerfahrung für den Magen

Auch anderen Facetten des Spiels hätte das Team mehr Aufmerksamkeit schenken sollen. Die wichtigste Baustelle ist der Mangel an Komfort: Ich werde im Minutentakt Dutzende Meter durch die Luft geschleudert, stürze aus einer Minenlore oder düse mit schrecklich wackelnder Kamera über einen Go-Kart-Kurs.

VR-Einsteiger und für Motion Sickness anfällige Spieler:innen sollten sich vor dem Kauf gut überlegen, ob sie sich auf einen derart wilden Ritt wagen. Als immerhin etwas abgehärteter VR-Veteran konnte ich Bonelab nur häppchenweise und mit langen Pausen spielen.

Eine Gravitationsmaschine zieht eine Bowlingkugel herbei.

Lust auf eine Runde Riesen-Bowling? Zwei Gravitationsmaschinen machen es möglich. (Screenshot: PC) | Bild: Stress Level Zero, MIXED

Gerade bei derart anspruchsvollen Bewegungen ist es mir ein Rätsel, warum Stress Level Zero so wenig Komfort-Optionen anbietet. Eine Handvoll Erleichterungen gibt es zwar, darunter ruckartiges Drehen (Snap Turn) in verschiedenen Winkeln oder eine am Kopf oder der Hand ausgerichtete Laufrichtung.

Auf gängige Hilfsmittel wie eine schwarze Vignette am Bildrand oder eine Fortbewegung per Teleport verzichtet das Team aber. Auch das sitzende Spiel gestaltet sich komplizierter als anderswo. Das ist weder zeitgemäß für Virtual Reality, noch zeugt es von Professionalität.

Mehr Liebe ist in die grafische Umsetzung der digitalen Traumwelten geflossen. Die Detailfülle kann zwar nicht mit Grafik-Highlights wie Half-Life: Alyx oder gar kommenden PSVR2-Titeln wie Horizon Call of the Mountain konkurrieren. Der eigenwillige Artdesign-Mix verschiedener Themen vermittelt aber das Gefühl einer abwechslungsreichen Reise.

Auch die überarbeitete Physik- und Interaktions-Engine "Marrow" verschafft dem Spiel ein Alleinstellungsmerkmal. Im Vergleich zu Boneworks sind mir keine allzu großen Änderungen aufgefallen - abgesehen vom Körperwechsel und dem Umstand, dass ich etwas seltener mit den Händen an der Umgebung hängenblieb. Mit einer Rift S lief es bei mir auf hohen bis Ultra-Einstellungen flüssig (Intel i7-8700K, GeForce RTX 2080 Ti).

Ein vollwertiger VR-Shooter für Quest 2?

Quest-2-Nutzer:innen müssen auf der Mobil-Hardware natürlich mit deutlichen grafischen Abstrichen leben. Trotzdem schlägt sich die Quest-2-Umsetzung recht passabel. Bemerkenswert ist die vollwertige Umsetzung der Physik-Engine. Auch auf der mobilen VR-Brille könnt ihr nach Herzenslust mit dem authentischen Gewicht der Objekte und Figuren herumspielen.

Nachteile umfassen fehlende Schatten, deutlich detailärmere Texturen und Oberflächen sowie eine insgesamt schwächere Beleuchtung. Im Gegenzug bleibt das Erlebnis auf der Quest 2 immerhin größtenteils flüssig, allerdings mit gelegentlichen Ruckel-Einlagen und Abstürzen. Mit der hübsch glänzenden Quest-2-Umsetzung von Red Matter 2 kann die mobile Bonelab-Kulisse nicht mithalten.

Eine Bonelab-Mod erinnert an eine blockige Minecraft-Kulisse.

Bisherige Mods orientieren sich zum Großteil an beliebten Vorbildern. (Screenshot: PC) | Bild: Stress Level Zero, MIXED

Beide Fassungen unterstützen Mods der Community, die auf dem Marrow SDK (Beta) basieren. Bisher tummeln sich online hauptsächlich Avatare bekannter Spiel- und Manga-Serien. Einfache Level wie Bowling-Säle oder Kart-Strecken schnauzbärtiger Klempner gibt es ebenfalls schon, allerdings oft ohne interaktive Spielmechaniken.

Seltsam ist, dass bisher nur wenige Mods offiziell freigegeben wurden und direkt in der Spielwelt zugänglich sind. Es gibt zwar bereits Hunderte Kreationen, die meisten müsst ihr allerdings außerhalb des Spiels herunterladen und in den entsprechenden Ordner kopieren.

Offenbar lassen die Entwickler:innen noch Vorsicht walten, um Spieldaten oder Speicherstände nicht zu korrumpieren. Alternativ gibt es eine Möglichkeit, die auch ungeprüfte Mods von der Seite Mod.io direkt im Spiel zugänglich macht.

Dazu muss in einer Textdatei des Spiels lediglich eine Web-Adresse geändert werden. Ein entsprechendes Video-Tutorial zur Repository-Mod in Bonelab zeigt euch, wie es geht. Allerdings: Nutzung auf eigene Gefahr!

Bonelab Review-Fazit: Unausgegorenes Gesamtpaket

Alles in allem lässt mich Bonelab mit einem Gefühl der Enttäuschung zurück. Sicher, die Physik-Engine und der Körperwechsel sorgen für coole Momente. Letzterer kommt im Story-Modus aber erst viel zu spät zum Einsatz. Außerdem wirkt vieles noch unausgegoren, ob im zu leichten Kampf, in der etwas wirr inszenierten Kampagne oder beim eklatanten Mangel an Komfort-Optionen.

Löblicherweise unterstützt sogar die Quest-2-Fassung Mods: Es bleibt zu hoffen, dass die Nutzer-Kreationen Bonelab auf lange Sicht mehr spielerische Tiefe bescheren.

Bonelab ist für die Quest 2 und PC-VR-Brillen erhältlich. Im Quest-Store oder Rift-Store bekommt ihr die jeweils andere Fassung kostenlos hinzu. Im Steam-Store gilt dieses Cross-Buy-Angebot nicht.

Bonelab könnt ihr hier kaufen:

Unterstützte Geräte Plattform Preis
Meta Quest (2) Quest Store 39,99 Euro
Oculus Rift (S) Rift Store 39,99 Euro
PC-VR-Brillen Steam 39,99 Euro
Meta Quest 2 bestellen

Alle Informationen zur Meta Quest 2 findet ihr in im verlinkten Test.