AR-Schiffbruch: Wie es zu Daqris Megapleite kam

AR-Schiffbruch: Wie es zu Daqris Megapleite kam

Das Ende des AR-Brillenherstellers Daqri markiert die bislang größte Pleite der XR-Industrie. Knapp 300 Millionen US-Dollar soll das Unternehmen verbrannt haben, ohne ein erfolgreiches Produkt auf den Markt zu bringen. Nun sprechen Ex-Angestellte über die Gründe des Scheiterns.

Daqri wurde 2010 gegründet und hatte bescheidene Anfänge: Das Startup entwickelte in den ersten Jahren AR-Software für Smartphones, merkte jedoch bald, dass dieser Markt noch sehr klein war.

Die Probleme sollen mit dem Schwenk auf B2B und dem danach einsetzenden, immer stärkeren Kapitalfluss des Hauptinvestors Tarsadia Investments angefangen haben, sagen Ex-Angestellte, die namentlich nicht genannt werden wollen, gegenüber der Internetseite Protocol.

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Der Risikokapitalgeber steckte bis 2017 rund 275 Millionen US-Dollar in das Unternehmen, im Glauben, dass Augmented-Reality-Technologie eines Tages den klassischen Arbeitsplatz ersetzt.

Tarsadia kaufte Daqri komplett auf und entmachtete die Führungskräfte. "Die Anreize fehlten, alle hatten bereits eine Auszahlung erhalten", sagt ein ehemaliger Mitarbeiter.

Daqri kaufte im großen Stil technische Expertise ein und erwarb zahlreiche Startups. Schon bald wuchs das Unternehmen auf 400 Mitarbeiter an sechs internationalen Standorten. Einige Quellen berichten von Privilegien wie unbegrenztem Urlaub, Yogastunden, Schlafräumen sowie häufigen Events und Parties.

Daqri Smart Helmet

Ein AR-Helm sollte das Arbeiten revolutionieren, fand jedoch kaum Abnehmer. BILD: Daqri

"Nichts davon war real"

2014 wurde mit viel Tamtam ein futuristischer AR-Helm angekündigt, der an industrielle Geschäftskunden und das US-Militär vermarktet wurde. Doch für viele Nutzer war der 15.000 US-Dollar teure AR-Helm eher technischer Schnickschnack als ein nützliches Arbeitsgerät, berichten die anonymen Quellen.

Infolgedessen verlagerte sich das Unternehmen immer mehr aufs Marketing, das mit eindrucksvollen Werbevideos sowohl bei potenziellen Käufern als auch bei Investoren und den eigenen Mitarbeitern Eindruck schinden sollte. "Das Marketing wurde zu einem Kernbestandteil des Unternehmens", sagt eine Quelle.

Mit der Wirklichkeit sollen die Werbebotschaften nicht viel zu tun gehabt haben. Daqri hatte sogar Probleme, Zertifikate für die Nutzung der AR-Helme in industriellen Anwendungen zu bekommen. "Ich würde nicht sagen, dass das Gerät brauchbar war", meint einer der Ex-Angestellten.

Schneller Abstieg nach Marktscheitern

Der Abstieg begann Anfang 2017, als klar wurde, dass der AR-Helm ein Flop werden würde. Zuerst wurden 80 Mitarbeiter entlassen, in den folgenden Monate folgten viele weitere.

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Gefeuerte Angestellte wurden aufgefordert, das Büro so schnell wie möglich zu verlassen und durften sich zuweilen nicht einmal von Kollegen verabschieden. Später soll die Arbeitsumgebung so toxisch gewesen sein, dass unter den verbliebenen Angestellten Hunger Games-Witze die Runde machten.

Daqri Smart Glasses

Daqri versuchte es auch mit einem schmaleren Formfaktor. BILD: Daqri

Ein zweites AR-Produkt, das sich mehr am Formfaktor einer Hololens (siehe auch unseren Vorabtest zur Hololens 2) orientierte und für 5.000 US-Dollar auf den Markt kommen sollte, scheiterte ebenfalls.

Um die Verluste zu minimieren, gliederte Investor Tarsadia die aufgekauften Startups auf und schuf eine Reihe von Ausgründungen. Ende 2019 folgte das Aus für Daqri, seit Anfang Februar werden Vermögenswerte versteigert.

Das Daqri-Wissen lebt weiter

Als Gründe für das Scheitern Daqris nennen die Angestellten unter anderem exzessive Ausgaben, strategische Richtungslosigkeit, Missmanagement, die Doppelrolle der Investoren als Entscheider und das Unvermögen, bei schwierigen Projekten früh genug den Kurs zu wechseln.

Doch die Pleite geht nicht ausschließlich auf die Kappe des Managements. Gute AR-Hardware herzustellen, ist technisch äußerst anspruchsvoll. Sie zu verkaufen, noch schwieriger, da man potenzielle Kunden von (noch) nicht existierenden Anwendungsszenarien überzeugen muss. Das sieht man auch am AR-Brillenhersteller Magic Leap, der mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hat. Daqri selbst soll am Ende gerade mal 700 AR-Geräte verkauft haben.

Ein Teil der Vermögenswerte und die AR-Erfahrung der Angestellten leben indes weiter. So soll Snap dem Bericht zufolge einige Patente und circa zwei Dutzend Mitarbeiter übernommen haben, die jetzt in Wien unter der Führung des ehemaligen Daqri-Technikchefs Daniel Wagner an AR-Software arbeiten.

Titelbild: Daqri, Quelle: Protocol

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