MEINUNG

Das Metaverse ist offiziell tot, dann kann es ja endlich gebaut werden

Das Metaverse ist offiziell tot, dann kann es ja endlich gebaut werden

Meta-Vizepräsident Vishal Shah räumt im Interview mit dem Metaverse auf – in gewisser Weise. Das ist das Beste, was dem Metaverse passieren konnte. 

Fragt man zehn Leute, was das Metaverse ist, bekommt man durchschnittlich drei komplett unterschiedliche Antworten und sieben verständnislos dreinblickende Gesichter. Das Metaverse wurde mit viel Tamtam und einer fetten Umbenennung als Meta-Marktmasche ins Leben gerufen.

Daraus entstand ein wilder Hype aus "Wir sind das Metaverse"-Bekundungen aus allen Konzernrichtungen und -arten. Der mit Magic Leap gescheiterte Ronny Abovitz schraubt an seinem Xverse, in dem es Abstufungen von Empfindungsfähigkeit und Autonomie geben soll. Sony glaubt – wie überraschend – an das Metaverse als intensives Unterhaltungserlebnis.

Microsoft-Chef Nadella sieht die physische und virtuelle Welt primär in Business-Anwendungen zusammenrücken. Nvidia-Chef Jensen Huang versteht das Metaverse – Nvidia nennt es "Omniverse" – als "ein Overlay der physischen Welt", das Bereiche wie Social, Gaming und Industrie miteinander verschmelzen soll.

Laut Jason Rubin sollen Menschen das Metaverse nur noch für Grundbedürfnisse verlassen müssen, ansonsten aber ihr gesamtes Arbeiten und Leben darin verbringen, bis zum Heiraten. Und Epic-Chef Sweeney sagt, sie hätten mit Fortnite & Co. schon jede Menge Metaversen.

So unterhaltsam sich das auch in die Zusammenfassung liest, so ermüdend ist es, das in unzähligen Varianten jeden Tag neu zu lesen und zu hören. Denn: Niemand hat bis heute eine Definition geliefert, auf die sich die Welt einigen könnte. Partikularinteressen und Konkurrenzdenken machten aus der Idee des Metaverse einen Kuchen, den jeder für sich backt und als den einzig wahren Kuchen verkauft. Wer Parallelen zu organisierten Religionen sieht, liegt gar nicht mal so falsch.

Doch jetzt ist damit offiziell Schluss, auch weil Meta in ihrem bisherigen eher unklaren Marketing zum Metaverse erstmal den Schildkrötengang eingelegt hat. Der Siegeszug künstlicher Intelligenz war sicher auch nicht ganz unbeteiligt am kommunikativen Strategiewechsel. Jedenfalls beerdigte Meta-Vizepräsident Vishal Shah im Interview auf der Fortune's Brainstorm Tech Conference das Metaverse vorerst: "The metaverse hype is dead."

Oh, Moment. Nicht das Metaverse ist tot. Der Hype ist offiziell tot – mein Fehler, wie konnte ich das nur übersehen? Aber das ist eine verdammt gute Nachricht für alle Immersionist:innen.

logo
  • checkMIXED.de ohne Werbebanner
  • checkZugriff auf mehr als 9.000 Artikel
  • checkKündigung jederzeit online möglich
ab 3,50 € / Monat
logo

Denn jetzt kann in Ruhe das nachgeholt werden, was bisher immer gefehlt hat: Die Ausarbeitung einer Vision und die Planung ihrer Umsetzung – und zwar zentriert auf die Bedürfnisse der Nutzenden und mit einer Kommunikationsstrategie, die den Sinn eines Metaverse klarmacht.

Ohne die Menschen in ihrer Realität abzuholen und ihnen eine nachvollziehbare Antwort auf die Frage "Warum benötige ich das Metaverse" zu geben, wird diese Idee nämlich niemals funktionieren.

Welche Idee? Schön, dass ihr fragt. Hier ist meine Definition des Metaverse: Das Metaverse ist die Erweiterung der physischen Realität um digitale Inhalte und es beinhaltet die Möglichkeit, digital an physische Orte zu reisen und dort mit anderen Menschen in ihrem realen Raum zu interagieren.

So, bleiben noch sechs verständnislos dreinblickende Leute, die sich eine Definition ausdenken müssen.

Zeit dazu ist genug, jetzt, wo das Thema Metaverse endlich in der Werkstatt verschwindet und in Ruhe an seiner Ausarbeitung und den technischen Grundlagen gedrechselt wird, ohne dass mir ständig "Metaverse-ready"-LAN-Kabel angedreht werden.