VR-Meetings: Nur was für Nerds?
Valves früherer VR-Evangelist Chet Faliszek stört sich am Hype um Virtual-Reality-Meetings während der Corona-Pandemie. Zu Recht?
Wenn plötzlich niemand mehr raus darf oder soll, die Büros leerbleiben und die Schulen ebenso, dann, so scheint es, muss doch endlich die große Stunde von VR geschlagen haben: Bei virtuellen Treffen mit der VR-Brille kann man ein Gefühl der Begegnung erfahren - ohne jede Ansteckungsgefahr.
HTC beispielsweise startete mit Vive Events einen eigenen VR-Service für Veranstaltungen in Virtual Reality. Vives China-Chef Alvin Wang Graylin setzte bei Twitter wiederholt die Corona-Pandemie für Branchen-PR ein.
___STEADY_PAYWALL___The virus outbreak in 🇨🇳 may be inadvertently accelerating a long term trend by forcing 200 million+ to #work from #home using digital collab tools. Today it’s msg, doc sharing & conferencing. Later, it’ll be remote #virtual offices via #5G Cloud #VR/#XR. https://t.co/SsKUo0J91c pic.twitter.com/Zfn6biF8d9
— Alvin Wang Graylin (汪丛青) (@AGraylin) February 5, 2020
Ende März brachte HTC die eigene Entwicklerkonferenz in VR (und auf den Monitor). Auch die XR-Fachmesse "Laval Virtual" findet gerade in VR statt. Die deutsche VR-Meetup-Szene trifft sich am 28. April in der Virtual Reality, weil Treffen vor Ort derzeit nicht möglich sind.
VR-Pionier Faliszek: Niemand will Meetings in VR - außer der VR-Branche
Die zuvor genannten VR-Meetings haben alle eine Gemeinsamkeit: Es sind Events von der VR-Branche für die VR-Branche.
Doch was ist mit dem weniger Computer-begeisterten Otto Normalnutzer, der schon froh ist, wenn er sich erfolgreich bei Zoom einloggen kann? Kann man dem vielleicht eine VR-Brille aufsetzen, damit er seine Kollegen und Kolleginnen etwas näher erlebt als am Monitor? Gerade während der Corona-Pandemie wächst doch das Bedürfnis nach Nähe.
Valves früherer VR-Evangelist, der maßgeblich an der Markteinführung von HTC Vive beteiligt war, sieht da keine Chance: "In VR abhängen ist cool, aber niemand will für ein Meeting eine VR-Brille aufsetzen - außer VR-Entwicklern."
Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es keine Nachfrage nach VR-Meetings außerhalb einer kleinen Gruppe von Branchenvertretern.
VR Devs: OMG this virus will show everyone how we should do meetings in VR from now on and never travel or commute.
Everyone else: Uh... no.
Social hanging out in VR is cool but no one wants to have to put an HMD on to have a meeting - except VR devs.
— Chet Faliszek (@chetfaliszek) April 20, 2020
VR nutzen wenn es Sinn ergibt
Für seine These erntet Faliszek bei Twitter mehr Zuspruch als Kritik aus der Branche, unter anderem von Denny Unger, Geschäftsführer des VR-Spielestudios Cloudhead Games.
Es gebe im Zusammenhang mit der Corona-Krise nützliche Anwendungsszenarien für VR. Die Branche würde aber falsch an die Sache herangehen. "Das macht mich nachdenklich", schreibt Unger. VR müsse man dann einsetzen, wenn es Sinn ergibt - wie jedes Werkzeug.
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Correction, VR devs don't want meetings in VR either 😜 Use the tool when the tool makes sense.
— Denny Unger @HL:A (@DennyCloudhead) April 22, 2020
Positive Berichte zu VR-Meetings gibt es beispielsweise von Auto-Designern, die dank der Technik ihre Arbeit aus dem Homeoffice gemeinsam weiterführen können. Hier bringt die 3D-Darstellung der VR-Brille echten Mehrwert.
Anders ist es bei Meetings, bei denen das Gespräch statt der 3D-Handlung im Vordergrund steht. Das Social-VR-Unternehmen AltspaceVR beispielsweise versuchte schon 2016 erfolglos, die eigene Technologie als Meeting-Plattform für Unternehmen zu etablieren.
Steve Bowler von Studio CloudGate glaubt ebenfalls nicht, dass VR derzeit gegen Zoom und Co. ankommen kann: "VR wird niemals bequemer sein als der Monitor. Und bei Video-Meetings geht es zu 100 Prozent um Bequemlichkeit."
Eines Tages, so Bowler, könnten VR-Meetings allerdings wichtig werden, nämlich dann, wenn die Technik alle relevanten Sozial-Parameter erfüllt und Eins-zu-Eins-Gespräche akkurat simulieren kann, sodass Emotionen des Gesprächspartners besser wahrgenommen werden können als im Video.
I AM with Snow Crash/Neil Stephenson though on what will make VR meetings important: someday when face/eye/emotion tracking is 100% 1-to-1 accurate, VR meetings will replace video conferencing because detecting truths/lies/emotion via “in person” meetings will take more priority.
— Steve Bowler (@gameism) April 20, 2020
In Ansätzen existiert die dafür notwendige Technologie schon, aber nur in den Forschungslaboren großer Konzerne. Ob, wann und wie sie alltagstauglich wird, ist noch nicht absehbar.
Bessere Technik löst nicht alle VR-Probleme
Die eigentliche Herausforderung der VR-Branche mit Blick auf Meetings und Versammlungen ist allerdings grundlegender, weil sie mit der Natur unseres im Kern sozialen Wesens zu tun hat.
Denn selbst wenn VR eines Tages sämtliche technisch höchst anspruchsvollen Hürden nehmen kann wie den Brillennervfaktor oder die überzeugende Avatar-Darstellung samt Mimik: Menschen sind gerne mit Menschen zusammen.
Dagegen kommt die beste Begegnungssimulation nicht an. Der Meeting-Benchmark dürfte daher in naher wie in ferner Zukunft die Realität bleiben.
Über das Potenzial und die Hindernisse von VR-Telepräsenz sprechen wir im MIXED-Podcast #187 ab Minute 24:00.
Titelbild: AltspaceVR / Microsoft
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