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3D-Journalismus: New York Times macht Schauplätze erkundbar

3D-Journalismus: New York Times macht Schauplätze erkundbar

Wie wäre es, wenn Leser den Ort eines Geschehens in 3D erkunden statt nur darüber lesen könnten? Die New York Times experimentiert dafür mit Photogrammetrie.

Bei diesem technischen Verfahren werden Räume und Objekte aus zahlreichen Blickwinkeln fotografiert. Eine Software vernäht das Bildmaterial anschließend zu einem erstaunlich real wirkenden digitalen 3D-Duplikat.

Photogrammetrie wird immer häufiger für die 3D-Rekonstruktion physischer Orte und Landschaften eingesetzt. Beispiele sind der Mount Everest, die Sixtinische Kapelle und die Grabkammer der ägyptischen Königin Nefertari.

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In Kombination mit VR-Brillen (Vergleich) ermöglichen die 3D-Duplikate virtuelle Reisen. Lohnenswerte Apps findet ihr im Artikel Die besten fotorealistischen VR-Ausflüge.

The Homestead soll die akkurateste 3D-Nachbildung eines realen Orts sein. Ich habe das digitale Duplikat in der Virtual Reality besucht.

Photogrammetrie fängt reale Räume akkurat ein. | Bild: Simon Che de Boer

New York Times: VR, AR und Photogrammetrie

Die New York Times experimentiert gern mit neuen Technologien, die das Potenzial haben, den Journalismus zu bereichern. 2015 kooperierte die Zeitung mit Google und verschickte Cardboard-Brillen an Abonnenten. Damit konnten sich Leser ergänzend zur klassischen Berichterstattung immersive 360-Grad-Filme ansehen.

In den letzten Jahren wandte sich die Times Augmented Reality zu und zeigte unter anderem Olympia-Athleten in Originalgröße oder visualisierte Luftverschmutzung. Nun hat das Medienhaus Photogrammetrie für sich entdeckt.

Zu den größten Herausforderungen gehörten laut New York Times die Optimierung der Arbeitsabläufe und die Aufbereitung der 3D-Modelle für das Internetstreaming. Schließlich müssen Szenen zeitnah aufgezeichnet und verarbeitet werden sowie mit herkömmlichen Smartphones und Internetbandbreiten darstellbar sein.

Selbst durchs Smartphone-Display betrachtet vermittelt das 3D-Modell im Raum eingebettet eine gewisse Präsenz.

Die New York Times lässt euch die Flamme der Freiheitsstatue ins eigene Wohnzimmer beamen. | Bild: MIXED.de

Fürs Smartphone optimiert

Photogrammetrie ist zum einen ein sehr zeitaufwendiger Prozess, da Schauplätze von Hand fotografiert werden müssen und die Verarbeitung der Fotos zu einem 3D-Modell viele Stunden in Anspruch nimmt. Zum anderen werden komplexere 3D-Modelle schnell mehrere hundert Megabyte groß und benötigen einen leistungsfähigen Computer zur Darstellung.

Die Zeitung nutzt die Technologie zum ersten Mal in einem Artikel über die Folgen des Hurrikans Dorian. Nun präsentiert die New York Times eine Weiterentwicklung der Technologie, die sich "mehreren Durchbrüchen in Sachen Größenordnung, Geschwindigkeit und Darstellung" verdankt.

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Mit Photogrammetrie lässt sich das Ausmaß der Zerstörung durch den Hurrikan Dorian besser visualisieren. | Bild: New York Times

Einen Schauplatz in 3D erkunden

Die zur Demonstration der Technologie eingerichtete Internetseite lässt sich im Browser öffnen und lädt die 3D-Rekonstruktion eines kunstvoll eingerichteten Lofts. Zunächst sieht man nur grobe Oberflächen, dann werden mehr und mehr Details geladen. Leser können sich durch Wischgesten umsehen oder zu vorprogrammierten Punkten von Interesse springen, die mit erklärenden Texten versehen sind.

"Mit dieser Technik können wir steuern, wie ein Leser einen Ort sieht oder sich durch ihn bewegt. Das schafft unendliche Möglichkeiten der Rahmung und Führung durch eine Geschichte", schreibt die New York Times über die Vorteile der Photogrammetrie-Orte.

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Details in einem Raum können hervorgehoben und mit erläuternden Texten versehen werden. | Bild: New York Times

Das Smartphone wird zum 3D-Scanner

Die Arbeitsabläufe optimierte das Forschungsteam, indem sie die Zahl und Perspektive aufgenommener Fotos auf das Nötigste reduzierte. Da der Computer dadurch weniger Fotografien verarbeiten muss, wird noch mehr wertvolle Zeit gewonnen.

Für die Darstellung auf mobilen Endgeräten werden nur jene Teile der 3D-Rekonstruktion geladen und dargestellt, die wirklich zu sehen sind. Das spart Rechenleistung. Das Rendering wurde außerdem für verschiedenste Geräte und Bandbreiten optimiert. 5G könnte in Zukunft noch größere, komplexere und detaillierte Modelle für 3D-Journalismus erlauben, hofft das Medienhaus.

Die Digitalisierung realer Orte durch Photogrammetrie dürfte in ein paar Jahren auch Smartphone-Nutzern offenstehen. Erste Apps für 3D-Scanning gibt es schon, mit Tiefensensoren ausgestattete Smartphones dürften den Aufnahmeprozess deutlich beschleunigen und die Ergebnisse verbessern.

Quelle und Titelbild: New York Times

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