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Virtuelle Arena: Die Augmentierung der Unterhaltungsbranche

Virtuelle Arena: Die Augmentierung der Unterhaltungsbranche

Branchenexperte Kevin Williams behandelt in der neuesten Ausgabe der Virtual Arena-Kolumne die Anwendung von XR in der Attraktionen- und Unterhaltungsszene. Im Mittelpunkt steht der Einsatz von Augmented Reality- und Mixed Reality-Technologien in Freizeiteinrichtungen.

Autor: Kevin Williams

In der aktuellen Virtual Arena Kolumne für MIXED beschäftigen wir uns mit dem Einsatz von AR in Freizeiteinrichtungen. Dabei unterscheiden wir zwei Anwendungsansätze der Technologie. Zunächst geht es um die optische "See-Through"-Immersion über Bildschirme oder Brillen.

Geschichte von AR

Im 19. Jahrhundert revolutionierte John Henry Pepper mit seinem Illusionstrick Pepper's Ghost das Zuschauererlebnis im Theater. Bei diesem Trick wird vor der Bühne eine halbversilberte Glasscheibe angebracht, die bei entsprechender Beleuchtung dem Publikum geisterhafte Erscheinungen auf der Bühne vorgaukelt. Diese Anwendung erlangte weit vor der digitalen Revolution ein zweites Leben - sie wurde in Zielfernrohren für Kampfflugzeuge eingesetzt und entwickelten sich schließlich zum fortschrittlicheren Heads-Up-Display (HUD).

Aber erst mit dem digitalen Zeitalter und den Experimenten im Bereich der tragbaren Technologie entwickelte Ivan Sutherland 1966 die experimentelle Telesphere Mask und das Konzept der Mehrzweckinformatik, aus dem das Spatial Computing hervorgehen sollte.

Diese Technologie wurde zunächst hauptsächlich im militärischen Bereich eingesetzt. Die kommerzielle Unterhaltungsindustrie erkannte sie jedoch bald als ein völlig neues interaktives Anzeigemedium.

Anwendung von See-Through AR

Bandai Namco war einer der ersten japanischen Vergnügungshersteller, der sich mit AR-Attraktionen beschäftigte. Zuvor hatte das Unternehmen bereits an mehreren VR-Arcade-Projekten gearbeitet. Den Einstieg in Augmented Reality wagte Bandai Namco mit der Pop-up-Attraktion Pac In Town (2018), die in den eigenen VR Zone-Veranstaltungsorten betrieben wurde. Dabei kam die Microsoft Hololens zum Einsatz. Es war eines der ersten Male, dass das Gerät in einem Unterhaltungsbetrieb verwendet wurde.

Pac In Town versetzte die Spielenden in ein digitales Labyrinth. Über die Hololens sahen sie virtuelle Darstellungen von Pacman und Geistern. Da es sich um eine Pop-up-Installation handelte, wurde das System nur für kurze Zeit an zwei Standorten in Japan eingesetzt, um die Reaktion des Publikums auf diese immersive Technologie zu evaluieren.

Heutzutage setzt die Unterhaltungsindustrie sowohl See-Through- als auch Pass-Through-AR ein. Mixed Reality-Anwendungen mit einem starken Fokus auf AR-Elementen werden immer beliebter. Immersive MR-Attraktionen, bei denen sich die Besucher durch digital bevölkerte physische Umgebungen bewegen, befinden sich derzeit in der Entwicklung.

Der chinesische Entwickler Vcan Technology hat die AR-Technologie mit elektrischen Karts kombiniert und so sein eigenes MR Karting geschaffen. Die Spielenden steuern ihr Fahrzeug über eine physische Strecke und tragen dabei eine See-Through-AR-Brille.

Auf der Strecke gilt es, anderen Fahrer:innen auszuweichen und virtuelle Objekte einzusammeln. Diese Attraktion bietet ein kindgerechtes Erlebnis mit animierten Figuren, die sich im Raum bewegen. Das Konzept gibt es auch mit einem auf dem Kart montierten Tablet. Damit können die Spielenden sowohl die realen als auch die virtuellen Objekte sehen.

Holografische Theatererlebnisse

Der Einsatz von VR für thematische Erlebnisse oder immersive Attraktionen nimmt zu. Ein Beispiel dafür ist Enklu, der Entwickler des sogenannten Holographic Theatre. Die bekannteste Attraktion von Enklu ist der Unreal Garden. Dabei handelt es sich um eine erweiterte Spiellandschaft, die Benutzer:innen in eine magische Umgebung versetzt, die sowohl physisch als auch digital eine fantastische Flora und Fauna bietet. Mithilfe von AR-Brillen können die Gäste durch den Garten navigieren und mit ihm interagieren. Der Unreal Garden wurde erstmals in San Francisco als Teil des kurzlebigen OneDome eröffnet. 2017 wurde Enklu Partner von Microsoft Mixed Reality. Im darauffolgenden Jahr wurde die Installation mit Microsoft Hololen AR-Brillen ausgestattet.

Auf der E3 2019 stellte Enklu den Unreal Garden als Pop-up-Attraktion vor. Nach einem Update auf Unreal Garden 2.0 hat die Installation als Verse Immersive einen eigenen Standort in San Francisco erhalten. Dort kommen nun Microsoft Hololens 2 Brillen zum Einsatz. Zudem wurde die Attraktion mithilfe von Ultraleap um ein haptisches Element erweitert.

Enklu hat eine neue Pop-up-Installation mit dem Titel The Unreal Garden: Escape the Metaverse im Boxi Park am Lake Nona in Orlando, Florida, angekündigt. Dabei handelt es sich um eine holografische Traumwelt mit Kunstwerken von Android Jones. Solche immersiven Erlebnisse gelten als Ansatz für Artainment-Installationen, die auf dem AR-Immersionstheater basieren.

Das Unternehmen ist auf Expansionskurs. Vor kurzem hat Enklu Sightcraft veröffentlicht, ein auf der Hololens 2 basierendes AR-Spiel, das Magie mit sozialer Interaktion verbindet. Außerdem hat das Team bereits Verse Immersive Chicago und Denver eröffnet.

See-Through-AR wird hauptsächlich für das visuelle Erlebnis bei Live-Events und Theateraufführungen eingesetzt – es gibt aber auch Anwendungsfälle mit voll interaktiven Elementen. Im Jahr 2021 waren wir bei der Eröffnung von The Lost Origin dabei. Diese Attraktion ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Immersive Entertainment Studio Factory 42, dem Almeida Theatre, Sky und der University of Exeter. Es handelt sich um einen Proof of Concept, bei dem neben einer Live-Performance und Rätselaufgaben auch die Magic Leap ML1-Brille zum Einsatz kam. Volumetrische Erfassung brachte MR in die Live-Performance.

Ein New Yorker Theater startete in diesem Jahr eine neue Aufführung namens Kagami. Die 15-minütige Live-Performance kombiniert Film, Musik und MR. Mit der Magic Leap ML2 kann das Publikum die Aufführung um AR-Elemente erweitern.

Mehrere Pop-up-Promotions von Unternehmen wurden mit der Holoens 1 und anderen AR-Brillen durchgeführt. Im Ginza Park veranstaltete Sony Japan 2019 das Ghostbusters Rookie Training. Dabei wurde nicht nur für das Jubiläum des Films geworben, sondern auch der Prototyp des AR-Headsets als kommerzielle Unterhaltungslösung mit haptischen Armbändern getestet.

Die Dimension der Themenparks

Die Freizeitparkindustrie hat nicht lange gebraucht, um auf Augmented Reality basierende Attraktionen zu entwickeln. Die Wurzeln der interaktiven Nutzung von AR als große Attraktion in Freizeitparks reichen jedoch bis in die 1990er-Jahre zurück. Damals arbeiteten Entwickler wie Sega an Mid-Scale Attractions für ihre Idee der Themenparks.

Ein solches innovatives Konzept war die interaktive Dark Ride-Attraktion mit AR-Elementen Ghost Hunters (1994). Bei diesem Fahrgeschäft ging es darum, auf CGI-Geister zu schießen, die auf einem Bildschirm wie in einer Kulisse erschienen (Pepper's Ghost für das digitale Zeitalter). Ghost Hunters wurde in dieser Zeit in mehreren Sega-Themenparks eingesetzt.

Sega entwickelte 1988 den Sega Super Circuit (SCC). Es war eine der ersten Pass-Through-AR-Attraktionen. Der SCC ähnelte Nintendos Mario Kart Live, das 32 Jahre später auf den Markt kommen sollte, nur in größererm Maßstab. Insgesamt fünf Spieler:innen konnten über einen modifizierten Arcade-Automaten die Kontrolle über je ein funkferngesteuertes Rennauto übernehmen.

In den Fahrzeugen waren CCTV-Kameras installiert, die einen Blick aus der Ego-Perspektive auf die Rennstrecke ermöglichten. Dieses Mixed-Reality-Erlebnis erwies sich als unglaublich populär. Noch heute bieten Hersteller moderne Varianten dieser Attraktion an.

Interaktive AR-Anwendungen im Freizeitparksektor haben durch die Partnerschaft zwischen Universal Studios und Nintendo zur Schaffung der Super Nintendo World einen enormen Schub erhalten. Diese ist der digitalen Spielewelt von Nintendo nachempfunden und bietet verschiedene Attraktionen, darunter Mario Kart: Koopa's (Bowser's) Challenge. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um einen fünfminütigen Dark Ride mit AR-Elementen und Fahrzeugen für bis zu vier Personen.

Die Fahrgäste tragen eine zweiteilige AR-Brille, deren Design der charakteristischen Mario-Mütze nachempfunden ist. Während der Fahrt sehen sie digitale Elemente wie Münzen oder Gegenstände, die sie einsammeln können, um Punkte zu erhalten. Die AR-Brille stammt von Mira und basiert auf einem Modell, das für kommerzielle und militärische Zwecke entwickelt wurde. Das Interesse an den AR-Anwendungen des Unternehmens war so groß, dass Apple Mira im Juni dieses Jahres übernommen hat.

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Anwendung von Pass-Through-AR

Die zweite Möglichkeit AR-Technologie zu nutzen ist Video-Pass-Through über Kameras. Diese Anwendungsart wird als Mixed Reality (MR)-Ansatz definiert, da einigen Anwendungen AR- und VR-Elemente kombinieren.

Eine der bekanntesten AR-Anwendungen ist Pokémon Go von Niantic. Die standortbasierte Pokémon-Jagd für Smartphones verzeichnet mehr als eine Milliarde Downloads und ist zu einem eigenständigen Phänomen geworden. Allerdings gab es Probleme damit, die Bewegungen der Spieler:innen zu lenken, was zu zahlreichen Zwischenfällen führte. Diese Technologie eignet sich daher am besten für den Einsatz in geschlossenen Räumen.

Pokémon Go löste bei seiner Veröffentlichung einen regelrechten Hype aus. | Bild: EPA

Der Spielansatz von Pokémon Go wird auch bei der Entwicklung von Freizeitparkattraktionen genutzt. Im Jahr 2017 installierte Holovis Battle for Kings Dominion in Anlagen der Cedar Fair Entertainment Company.

In dem Parkweiten mobilen Spielerlebnis können Besucher Punkte für erbrachte Leistungen wie absolvierte Fahrten, gespielte Minispiele und betretene Bereiche sammeln.

Virtuelle Sportarten explodieren

Hado ist ein Beispiel für eine eigenständige Attraktion mit interaktiver AR. Entwickler und Betreiber meleap beschreibt das Spiel als neuen Techno-Sport. Die Spieler:innen tragen dabei die neuesten Smartphone-fähigen MR-Brillen und treten in Teams gegeneinander an.

In Player-versus-Player-Kämpfen (PVP) beschießen sie sich mit virtuellen Feuerbällen und setzen virtuelle Schilde zur Verteidigung ein. Das Erlebnis ist hektisch und rasant und macht sowohl beim Zuschauen als auch beim Spielen Spaß.

People playing a video game in an exhibition hall.

Hado bietet eine actiongeladene Spieler-gegen-Spieler-Erfahrung. | Bild: meleap

Hado wurde 2014 in Japan veröffentlicht. Seit der Veröffentlichung hat meleap das Spiel zu einem Meisterschaftserlebnis mit Turnieren und sogar Streaming-Events weiterentwickelt. Mittlerweile übertrifft Hado viele andere PC- und VR-Streaming-Events.

Das Unternehmen hat bereits Hado Arenen in ganz Japan sowie in 39 weiteren Ländern weltweit eröffnet. Aufgrund der eSports-Qualifikation ist der im Vereinigten Königreich verortete Zweig des Unternehmens eine Partnerschaft mit der Esl Faceit Group (der eSports-Gaming-Meisterschaft) eingegangen.

Eine weitere interaktive AR-Attraktion des Unternehmens ist Hado Monster Battle. Die teambasierte Monsterkampfarena baut auf der Popularität des PVP-Titels auf, bietet aber auch Fantasy- und Shooter-Elemente.

Eine AR-Brille für Smartphones blendet die virtuellen Elemente im Sichtfeld der Spieler:innen ein. Die Steuerung erfolgt über ein am Handgelenk getragenes Smartphone-Interface.

Battle Verse hat ein eigenes Multiplayer-Kampferlebnis geschaffen, das das Unternehmen selbst nutzt, aber auch an andere Betreiber von Freizeiteinrichtungen lizenziert, die ein teambasiertes AR-Erlebnis anbieten möchten.

Kommende AR-Attraktionen

Das Entwicklerstudio FreeRoam.AR will soziale Interaktion mit immersiver Realität verbinden. Das Ergebnis ist das immersive AR-Kampfspiel Laser Limbo. Dabei handelt es sich um eine AR-Variante von Lasertag mit virtuellen Waffen und Effekten. Das System wurde mit MR-Headsets (Meta Quest Pro) demonstriert.

FreeRoam.AR hat sich mit Enklu zusammengeschlossen. Ziel ist es, AR-Erlebnisse in Unterhaltungszentren und Museen zu etablieren.

Viele dieser neuen AR-Entwicklungen können die Besucher:innen auf ihren eigenen Mobilgeräten spielen. So auch das AR-Arena-Spiel New Fantasy von Ontop Studios. Ziel ist es, als Team eine Gottheit in der Mitte der Arena zu bekämpfen, um an ihren Schatz zu gelangen. In der App zum Spiel können die Spieler:innen die Werte ihres Charakters verbessern.

Aber es werden nicht nur neue Sportspiele entwickelt, sondern auch bestehende Spiele mit neuem Leben gefüllt. Das AR-Entwicklungsstudio Das Labs hat in Zusammenarbeit mit dem Minigolfbetreiber Old Town Putt das Spiel Puttscape entwickelt. Dabei handelt es sich um einen physischen Minigolfplatz mit AR-Elementen.

Durch den Einsatz von Augmented Reality kann das Spiel im ersten Durchgang ein Weltraum- und im zweiten Durchgang ein Piratenthema haben. Über die AR-Brille sehen die Spieler:innen auch Informationen wie ihren Punktestand. Puttscape unterstützt die Lightscape-Plattform von Niantic, die die Entwicklung von AR vorantreiben soll.

Die nächste Phase

Nach der Vorstellung von Apples Vision Pro hat Augmented Reality noch mehr Medieninteresse auf sich gezogen. Die dazugehörige Plattform ist ein Devkit für AR-Anwendungen innerhalb des visionOS-Ökosystems. Apple wird nach Anwendungsmöglichkeiten für seine Plattform suchen, zu denen sicherlich auch das kommerzielle Out-of-Home-Entertainment gehören wird.

Zur Markteinführung der Vision Pro soll die AR-Brille 3.499 US-Dollar kosten. Damit ist sie zwar teuer, MR-Unternehmensplattformen liegen aber in einer ähnlichen Preisklasse. So wurde die Magic Leap ML1 (2018) beispielsweise für 2.300 US-Dollar verkauft, während die Magic Leap ML2 (2022) aktuell für 3.299 US-Dollar angeboten wird. Die Ximmerse Rhino X Pro (2022) kostet 3.999 US-Dollar, während die Microsoft Hololens (2016) für 3.000 US-Dollar angeboten wurde, die Hololens 2 (2019) ist mit einem Preis von 3.349 US-Dollar nicht günstiger. Diese Preise stellen zwar für Verbraucher:innen ein Problem dar, nicht aber in der kommerziellen Unterhaltungsindustrie, wo der Einsatz der fortschrittlichsten Technologie positive Auswirkungen auf den Gewinn haben kann.

Wie bereits erwähnt, hat Apple sein AR-Engagement durch die Übernahme von Mira weiter ausgebaut. Niantic hat sein Lightship-Ökosystem (mit der erwarteten Brille) auf den Markt gebracht, und Meta versucht, MR mit der kommenden Meta Quest 3 neu zu definieren. Die meisten Anwendungen für Freizeiteinrichtungen dürften jedoch auf AR-Brillen für Unternehmen von Herstellern wie HTC, Lenovo, Canon und Samsung basieren.