Virtual Reality: Wie sollen Entwickler mit Motion Sickness umgehen?

Virtual Reality: Wie sollen Entwickler mit Motion Sickness umgehen?

Wie sollen Entwickler mit dem Problem der VR-Übelkeit umgehen? Sollten sie aus Angst, dass ihrer Kundschaft schlecht wird, komplett auf künstliche Fortbewegung verzichten? Doch was für Erfahrungen bleiben dann noch übrig? Es folgt ein Plädoyer für Vielfalt, Experimentierlust - und viel künstliche Fortbewegung.

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Valves VR-Botschafter Chet Faliszek ist überzeugt, dass man sich an künstliche Fortbewegung nicht gewöhnen kann. Ihm schlage "schlechte VR" auch nach drei Jahren noch auf den Magen, schrieb Faliszek letzten Juli auf Twitter und forderte die VR-Gemeinschaft auf, nicht mehr von "VR-Legs" zu sprechen, da man sich diese Virtual-Reality-Beine nicht antrainieren könne.

Vor wenigen Tagen äußerte sich Faliszek erneut über Twitter zu dem Thema. In seiner Nachricht kritisiert er VR-Entwickler, die sich zu wenig Gedanken über Bewegungsübelkeit machen und stattdessen den kleinen Markt für den schleppenden Absatz ihrer Software verantwortlich machen. Wenig später zog Faliszek den Nutzen von Komfortwertungen in Zweifel, wie sie Oculus in seinem App Store verwendet. Seiner Erfahrung nach trete VR-Übelkeit entweder auf oder nicht auf. Dass es etwas dazwischen gebe, sei eher nicht der Fall, schreibt Faliszek.

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Wie definieren wir gute und schlechte Virtual Reality?

In einem Punkt gebe ich ihm Recht: Entwickler sollten sich eingehend mit dem Thema befassen, Rückmeldungen von Spielern einholen und sämtliche Anstrengungen unternehmen, um das Auftreten von Bewegungsübelkeit in ihren Spielen zu verhindern. Ein Vorbild ist Ubisoft, das für "Eagle Flight" reichlich Forschung betrieben und eine Vielzahl Techniken entwickelt hat, um VR-Übelkeit zu vermeiden.

Was ich hingegen für fragwürdig halte, ist Faliszeks strikte Unterscheidung zwischen "guter VR" und "schlechter VR". Würde man dieser Logik folgen, dürften nur noch Spiele entwickelt werden, die auf keinerlei künstliche Fortbewegung setzen. Es gäbe zum Beispiel kein Resident Evil 7, das nach Capcoms Statistik immerhin von 130.000 VR-Nutzern gespielt wird (diese Zahl umfasst nur Spieler, die ihre Spieledaten freigegeben haben, die wirkliche Zahl VR-Nutzer dürfte also noch weit höher liegen).

Ein anderes Beispiel ist die Militärsimulation "Onward", die trotz sehr viel künstlicher Fortbewegung zu den erfolgreichsten VR-Spielen gehört. Doch selbst VR-Spieler mit empfindlichen Mägen dürften ein oder zwei Anwendungen einfallen, die auf künstliche Fortbewegung setzen, ohne Übelkeit zu verursachen und Erfahrungen ermöglichen, die sie nicht missen möchten. Für mich wäre das "Google Earth VR", das unbestritten eine der beeindruckendsten Anwendungen für Virtual Reality ist und ohne künstliche Fortbewegung, ohne die Möglichkeit, wie Superman um die Erde zu fliegen, viel von seiner Faszination einbüssen würde.

VR-Übelkeit ist ein vielschichtiges Problem, das nach vielschichtigen Lösungen verlangt

Doch Falizsek behauptet noch etwas Anderes: Er zieht in Zweifel, dass Komfortwertungen einen Nutzen haben, weil VR-Übelkeit entweder auftritt oder nicht auftritt. Problematisch an dieser Aussage finde ich, dass sie nahelegt, Bewegungsübelkeit sei ein Faktum, dem man nichts entgegenzusetzen habe. Die Schlussfolgerung wäre dann, lieber ganz auf künstliche Fortbewegung zu verzichten.

Wer so denkt, verkennt die kleinen, aber feinen Fortschritte, die auf diesem Gebiet gemacht wurden. Ich spreche von Techniken, die das Auftreten von Bewegungsübelkeit eindämmen oder die Schwelle so weit herabsetzen, dass sich der Körper an die Erfahrung gewöhnt und die Übelkeit verschwindet. Ein Beispiel wären die Scheuklappen in Eagle Flight und die Drehung in 30-Grad-Schritten in Resident Evil 7. Ich glaube, dass diese Techniken einen Unterschied machen und dass deren Erfindung und Fortentwicklung sinnvoll ist. Insofern gibt es für mich ohne Zweifel einen technischen Fortschritt in der Frage, wie man mit dem Problem umgehen und Bewegungsübelkeit verhindern kann.

Selbstverständlich ist im Falle von Bewegungsübelkeit alles möglich. Es kann zum Beispiel sein, dass einem Nutzer eine Anwendung auf den Magen schlägt, die als unproblematisch eingestuft wird, selbst wenn jener ansonsten unempfindlich gegen künstliche Fortbewegung in VR-Spielen ist. Daraus könnte man schließen, dass es zum jetzigen Zeitpunkt noch schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist, die Wirkung vorauszusagen, die Anwendungen mit künstlicher Fortbewegung auf Menschen haben.

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Bewegungsübelkeit ist ein physiologisch komplexes Phänomen, das man nicht auf die binäre Logik von Ja oder Nein herunterbrechen sollte. Der Vielschichtigkeit dieses Phänomens wird man nicht gerecht, wenn man in Anwendungen komplett auf künstliche Fortbewegung verzichtet. Denn was bleibt dann noch neben Anwendungen mit Near-VR-Konzept oder Teleportmechanik? Ist es das, was wir uns von Virtual Reality erträumen?

Die Entwicklung eines industrieweiten Standards

Für die Entwicklung von Virtual Reality im Hinblick auf künstliche Fortbewegung sehe ich eine andere Zukunft auf Anwender zukommen. Ich glaube, dass das Problem in einer Zangenbewegung von zwei Seiten angegangen und längerfristig wenn nicht gelöst, so doch so weit abgeschwächt werden könnte, dass eine breite, kulturelle Akzeptanz solcher VR-Erfahrungen möglich wird.

Einerseits werden Entwickler, teilweise auch mit Hilfe wissenschaftlicher Erkenntnisse, neue Techniken zur Vermeidung von Bewegungsübelkeit erfinden und bestehende verfeinern, sodass sich in den folgenden Jahren ein industrieweiter Standard für künstliche Fortbewegung etabliert. Entsprechende Anstrengungen wurden bereits angestoßen.

Man muss sich hierbei stets vor Augen führen, dass Virtual Reality als Industrie und Kunstform immer noch in den Kinderschuhen steckt. Sie befindet sich an demselben Punkt wie der Film um 1900. Die Frage, die sie umtreibt, ist jedoch eine ganz andere: Sie beschäftigt sich in erster Linie nicht damit, wie sie Virtual Reality Geschichten erzählen kann, sondern darum, wie sie ihr Interaktionsparadigma definiert, also die Art und Weise, wie wir mit der Technologie umgehen. Im Zentrum dieser Frage steht das Problem der Fortbewegung im virtuellen Raum.

Sensibilisierung in der breiten Bevölkerung

Parallel zu diesen rein technischen Verbesserungen werden in den folgenden Jahren mehr und mehr Menschen außerhalb des kleinen Kreises von Enthusiasten mit Virtual Reality in Kontakt kommen, sodass Berührungsängste schrittweise abgebaut werden. Das hieraus gewonnene Wissen wird an die Mitmenschen weitergereicht, sodass in der breiten Bevölkerung nach und nach eine Kulturtechnik für Virtual Reality entsteht.

Das heißt, dass die Menschen den Umgang mit dem neuen Medium lernen werden. Dazu gehört auch, dass sie für das Thema der künstlichen Fortbewegung und ihrer möglichen Nebenwirkungen nicht nur geistig, sondern auch körperlich sensibilisiert sind. Technische Verbesserungen und kulturelle Akzeptanz könnten dann dazu führen, dass Virtual Reality in der Mitte der Gesellschaft ankommt. Bis es so weit ist, werden allerdings noch einige Jahre ins Land gehen.

Für die Gegenwart ist bloß eines wichtig: dass man auf das Problem der künstlichen Fortbewegung nicht damit reagieren sollte, dass man bestimmte Fortbewegungskonzepte von vornherein ausschließt. Dafür ist es noch zu früh. Das Medium befindet sich in einer aufregenden Phase der Unschuld und Naivität, in der es sich durch nichts einschränken und alles ausprobieren sollte. Erwachsen, so weiß man, wird man früh genug.

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