Beyond Games: Virtual Reality für Journalismus und Dokus

Beyond Games: Virtual Reality für Journalismus und Dokus

Auf der ersten Virtual-Reality-Konferenz für Journalismus "Beyond Games" in Berlin trafen sich Journalisten, Filmemacher und Gamedesigner, um über das Potenzial des neuen Mediums zu sprechen. Veranstaltet wurde das Event von Linda Rath-WigginsLorenz Matzat und Frédéric Dubois in den Räumen von Wikimedia Deutschland. Diskutiert wurde über neuste VR-Brillen und Kamerasysteme, den Begriff der Präsenz in Virtual Reality und was Journalisten von Spieleentwicklern lernen können. Im Vordergrund stand jedoch die Frage: Was bringt Virtual Reality dem Journalismus?

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VR im Journalismus: Starke Wirkung durch Empathie?

[blockquote cite="Linda Rath-Wiggins, Medienwissenschaftlerin"]VR-Journalismus kann eine große Wirkung erzielen: Nach der Empathie kommt [beim Zuschauer] der Wille zu handeln.[/blockquote]

Die These: Virtual Reality stimuliert durch das Gefühl vor Ort zu sein die Empathie und als Geschichtenerzähler hat man die ganze Aufmerksamkeit des Zuschauers. Auch komplexe Sachverhalte können so persönlich, unmittelbar und verständlich erklärt werden. Der Bildausschnitt wird nicht mehr allein von der Regie, dem Journalisten oder dem Kameramann bestimmt. Stattdessen entscheidet der Zuschauer wohin sein Blick wandert und welche Wahrnehmungen relevant und für die eigene Meinungsbildung notwendig sind. Ein gutes Beispiel dafür sind Live-Übertragungen von Demonstrationen. Anstatt ausgewählter Eindrücke fühlt sich der Zuschauer so als würde er persönlich mitlaufen. Die Eindrücke, die er gewinnt, sind unter Umständen deutlich umfassender und komplexer: Die Gruppe pöbelnder Jugendlicher am Rand, das weinende Mädchen neben seiner Mutter oder die fröhlich singenden Menschen in der ersten Reihe. Auch widersprüchliche Wahrnehmungen können stattfinden und reflektiert werden - ein stringentes Storytelling wird scheinbar überflüssig.

[blockquote cite="Mathew McGinty, Wissenschaftler"]Der Geschäftsführer von Jaunt sagte neulich bei einem Interview "VR ist wahrhaftig objektiv." Ich sehe es exakt umgekehrt. VR ist extrem subjektiv. Man kann nicht sagen, wie jemand das versteht, was man ihm zeigt.[/blockquote]

VR-Videos bieten eine hohe Informationsdichte mit vielen Details. So viele Details, dass das Risiko besteht, dass der Kern der Nachricht verloren geht. Hinzu kommt, dass es dem Zuschauer schwer fällt sich vom Gesehenen zu distanzieren: Man ist mittendrin und nicht hinter dem sicheren Fernsehbildschirm versteckt. Obwohl VR also gegenüber klassischen Bildschirmmedien in erster Linie Freiraum schafft, stellt sich am Ende doch wieder die Frage, an welcher Stelle man diesen Freiraum einschränkt und lenkt, um sicherzustellen, dass die wesentlichen Inhalte transportiert werden können. Bislang fehlen noch klare Konzepte für die Berichterstattung in Virtual Reality. Auch die ethischen Fragestellungen sind noch völlig unbearbeitet: Was darf man zeigen, was geht zu weit?

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Ausblick: VR-Conference 2016

Auch im nächsten Jahr soll es wieder eine Virtual-Reality-Konferenz speziell für Journalisten und Medienmacher geben. Schon in diesem Jahr gab es rund 100 Teilnehmer - eine gute Zahl für eine Konferenz, die ein Nischenthema in einer Nische behandelt. Da im nächsten Jahr die finalen Versionen von Oculus Rift, HTC Vive und Playstation VR verfügbar sind, durfte im Bereich Virtual Reality bis zum Herbst 2016 viel Diskussionsbedarf entstehen. Inhaltlich möchte Frédéric Dubois die Konferenz  noch stärker in Richtung Produktionsprozesse ausrichten.

[blockquote cite="Frédéric Dubois, Journalist"]In diesem Jahr konnten wir sehr schön die verschiedenen Bereiche von Virtual Reality besprechen. Das nächste Mal möchten wir es internationaler angehen und planen eine Veranstaltung, bei der auch die Hersteller und internationale Medien stärker vertreten sind.[/blockquote]

Unser Interview vorab mit Datenjournalist Lorenz Matzat, Co-Organisator der VR-Konferenz, gibt es hier. Auch in der Schweiz tut sich was. Dort traf sich eine Gruppe junger Journalisten, um das neue Medium zu diskutieren und der Frage nachzugehen, ob guter Journalismus wirklich Immersion braucht.

Vorreiter für Virtual Reality im Journalismus

Neben Fernsehsendern wie BBC und CNN versuchen sich besonders die Journalismusforscherin Nonny de la Peña und Filmemacher Chris Milk an der Berichterstattung im neuen Medium.

Virtuelle Aufbereitung von realen Verbrechen

Die Journalistin und Dozentin für Journalistik an der Universität Southern California Nonny de la Peña arbeitet an VR-Projekten, bei denen reale Ereignisse in am Computer generierten Umgebungen nachgestellt werden. Ihr neustes Werk ist der VR-Kurzfilm Project Syra, in der der Zuschauer durch die zerbombten Straßen der Stadt läuft. Im Projekt "One Dark Night" rekonstruiert die Journalistin den Abend, als der farbige Jugendliche Travyon Martin von der Nachbarschaftswache George Zimmerman erschossen wurde. Die Anwendung ist kostenlos für Google Cardboard im Play Store erhältlich.

Hinein in die Empathiemaschine mit Chris Milk

Chris Milk setzt mit seiner Produktionsfirma VRSE immersive Dokumentationen um, die die Empathie des Zuschauers wecken und ihn zur Handlung motivieren sollen. Das erste journalistische Projekt führte den Zuschauer in ein Flüchtlingslager: In "Clouds over Sidra" läuft man an der Seite des kleinen Flüchtlingsmädchen Sidra durch das Camp in Syrien. Das aktuellste Stück ist "Waves of Grace" - die VR-Doku zeigt das Leben einer Ebola-Überlebenden in Afrika, die nun anderen Erkrankten hilft. Ähnliche Ansätze verfolgen auch die Journalisten von RYOT, die mit 360-Dokus immersiv auf Misstände aufmerksam machen wollen, um so Spendengelder zu generieren.

360° Reportage Hong Kong Unrest

Ein weiteres Beispiel für Berichtersattung in 360-Grad ist die VR-Reportage "Hong Kong Unrest" der Agentur Immersiv.ly. Der Zuschauer wird Teil einer Demonstration bei der hunderte Menschen auf die Straße gehen, um für die Demokratie im eigenen Land zu demonstrieren. Auch deutsche Medien berichteten bereits in 360-Grad aus einer Demontsration.

| SOURCE: VRODO, VR-Conference Beyond Games
| IMAGE TITLE: VRODO