"The Big Shift": Facebook-Manager fordert neuen Umgang mit Daten

In Zukunft soll Facebook Privatsphäre und Datenschutz als oberste Priorität bei der Produktentwicklung sehen - auch dann, wenn das Produkt dadurch schlechter wird. So steht es jedenfalls in der internen Memo eines hochrangigen Facebook-Managers.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg und Andrew Bosworth verbindet eine lange Freundschaft: Die beiden lernten sich während des Studiums in Harvard in den frühen 2000er Jahren kennen.

2006 startet Bosworth dann seine Karriere bei Facebook als einer der ersten 15 Ingenieure im Unternehmen. In seiner Zeit bei Facebook entwickelte er unter anderem die mobilen Werbeformate weiter. Seit 2017 leitet Bosworth die AR- und VR-Entwicklung bei Facebook.

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Zum Jahresabschluss 2020 veröffentlichte der Facebook-Manager ein Posting in Facebooks Social Intranet mit dem Titel "The Big Shift": Bosworth hält das Facebook-Team an, Datenschutz und Privatsphäre bei der Produktentwicklung zu priorisieren. Das Memo wurde an die Webseite Big Technology geleakt.

Privatsphäre und Datenschutz: Der Wind dreht sich für Faceboook

Die weltweite Stimmung zu Datenschutz und Privatsphäre habe sich gedreht, schreibt Bosworth. Menschen würden für den Datenschutz Abstriche bei der Produktqualität hinnehmen.

"Wir sollten die unangefochtenen Marktführer bei der Bereitstellung von datenschutzfreundlicher Software werden", schreibt Bosworth. Seit Mitte 2019 hat Facebook intern einen neuen Privatsphäre-Check-Prozess etabliert, den Bosworth als "die nächste Phase auf dieser Reise" bezeichnet.

"Oculus ist nur ein Teil" - Facebooks XR-Chef verspricht neue Plattform

Seit 2017 leitet Andrew Bosworth Facebooks Bestrebungen im VR- und AR-Bereich. | Bild: Facebook

Aus Bosworths Beschreibung geht allerdings auch hervor, dass dieser Prozess noch nicht optimal implementiert ist. Zu häufig würde das Thema von lokalen Teams nach oben eskaliert, da sie "das Ausmaß des Wandels, den wir gerade erleben, noch nicht verinnerlicht haben."

Der neue Ansatz müsse das ganze Unternehmen durchdringen. Dies sei für Facebook noch "ein langer Weg der Erlösung". Intern will Facebook laut Bosworth mit Werkzeugen für die Datenschutzprüfung helfen, die auf einer kulturellen Ebene nicht mehr "bekämpft" werden dürften.

In der öffentlichen Wahrnehmung von Facebook erwartet Bosworth kurz- und mittelfrsitig keine Veränderung: "Wir sollten keine Anerkennung erwarten, bevor sie verdient ist und vielleicht sogar erst eine ganze Weile danach."

Neue XR-Entwicklungsstrategie: Nur die nötigsten Daten sammeln

In seinem eigenen Verantwortungsbereich zu VR und AR will Bosworth die neue Datenstrategie unmittelbar im Entwicklungsprozess umsetzen.

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"Ab Januar verändern wir, wie wir in den Facebook Reality Labs Produkte entwickeln", schreibt Bosworth. Anstatt zuerst das Produkt zu entwickeln und es dann an Datenschutzstandards anzupassen, solle die Entwicklung unter der Annahme stattfinden, dass Daten nicht gesammelt, benutzt oder gespeichert werden dürfen.

"Die Last liegt bei uns, zu zeigen, warum bestimmte Daten wirklich erforderlich sind, damit das Produkt funktioniert", schreibt Bosworth. Er habe kein Problem damit, wenn Nutzer Daten auf freiwilliger Basis teilen, aber "wir sollten das nicht erwarten".

Project Aria: Facebooks erste AR-Brille erscheint 2021

VR- und AR-Brillen wie Facebooks "Project Aria" müssen massiv Daten sammeln über Umgebung und Nutzer, damit sie technisch optimal funktionieren. In Zukunft will Facebook-Manager Bosworth die Entwicklung solcher Geräte so denken, als dürften sie keine Daten sammeln. Das wäre ein großer Umbruch. | Bild: Facebook

"Ich möchte nicht, dass wir nur die heutigen Erwartungen der Verbraucher an den Datenschutz erfüllen", schreibt Bosworth. "Ich möchte, dass wir unsere Produkte auf der Basis des Datenschutzes differenzieren. Andere Unternehmen sollen sich anstrengen, um mit uns mitzuhalten."

Bosworth stellte zuletzt unter anderem individuellere Account-Regelungen für VR-Nutzer in Aussicht. Bei der Vorstellung von Facebooks erster AR-Brille, die massiv Daten über die Umgebung sammeln muss, um technisch zu funktionieren, zeigte Bosworth zumindest Problembewusstsein, ohne allerdings eine konkrete Lösung anbieten zu können.

Facebook: Die "Einfach weiter so"-Strategie kommt an ihre Grenzen

Bosworths Memo beschließt ein für Facebook schwieriges Jahr, indem sich der Konzern für seine Datensammelstrategie international vor Behörden und der Politik rechtfertigen musste. Facebook gerät immer mehr unter Druck, stark reguliert oder sogar zerschlagen zu werden.

In Deutschland geht das Bundeskartellamt gegen Facebook vor wegen eines möglichen Datenmonopols, die US-Handelsaufsicht startet eine ähnliche Untersuchung. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) und irische Datenschützer wollen verhindern, dass Facebook private Daten in die USA exportieren darf.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg musste sich bereits mehrfach vor dem US-Kongress für die eigenen Geschäftspraktiken rechtfertigen. Unter der neuen US-Regierung von Joe Biden dürfte dieser Druck noch zunehmen.

Quelle: Big Technology | Titelbild: Anthony Quintano from Honolulu, HI, United States, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

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