Sonys VR-Studio Manchester: Fünf Jahre Konzeptphase zeigen eine marode Games-Branche

Sonys VR-Studio in Manchester sollte VR-Hits liefern. Doch es scheiterte hart an einer hochaktuellen Games-Branchen-Krankheit.
Für die PlayStation VR gibt es eine Reihe großartiger VR-Spiele, angefangen bei Resident Evil 7 über Skyrim VR bis hin zu Astro Bot und Moss (Test). Aber für VR-Enthusiasten gab es im VR-Bereich – nicht nur auf der PlayStation – immer schon deutlich zu wenig hochkarätige VR-Spiele.
Das liegt zum Großteil am langsam wachsenden VR-Markt. Es liegt aber auch an grundlegenden strukturellen Problemen der Games-Branche, die in den letzten Jahren immer öfter ans Tageslicht kommen. Das VR-Studio Sony Manchester, das 2020 nach vollen fünf Jahren ohne eine einzige Spielveröffentlichung geschlossen wurde, ist ein Beispiel für Missmanagement eines Spiele-Studios, wie aktuelle Berichte zeigen.
VR-Studio ohne VR-Spiel: Was hat Sony Manchester eigentlich gemacht?
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Sonys VR-Studio: Auf Begeisterung folgt schnell Ernüchterung
Matthews besetzt die Stelle des Studio Directors, während Green die Rolle des Creative Directors übernimmt. Neue Leute werden eingestellt, aber es gibt weiter kaum Fortschritt. In einem Umstrukturierungsversuch teilt die neue Studioleitung das Team 2018 auf: Die Designer:innen werden nach London verlegt, der Rest bleibt in Manchester. Das erschwert die mangelhafte Kommunikation nur noch weiter.
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Sony Manchester: Kaum im Fokus und schon dicht gemacht
Hermen Hulst wird 2019 Chef der Sony Worldwide Studios und nimmt eine Inventur vor. Erstmals im Blick der Unternehmensführung: Sony Manchester. Der Druck auf das Team wird größer, es soll endlich Fortschritte geben. Problematisch für die Entwickler und Entwicklerinnen war aber auch noch ein anderer Punkt: Die PlayStation VR scheint zum Auslaufmodell zu werden und es ist unklar, ob es überhaupt ein Nachfolgemodell der VR-Brille geben würde.
Das Team kann die verlorene Zeit nicht mehr aufholen. Im Februar 2020 gibt Sony das Ende des Studios Manchester offiziell bekannt. „Jemand hat sich genau angeschaut, was passiert ist“, sagt ein ehemaliges Teammitglied gegenüber Polygon. „Und da es nach fünf Jahren nichts Greifbares gab, haben sie es geschlossen.“ Matthews und Green fallen weich und sind jetzt in leitenden Positionen bei den LEGO-Games-Machern TT Games beschäftigt.
Ironie des Schicksals: Ein Jahr später bekennt sich Sony klar zu VR und kündigt PlayStation VR 2 an.
Cyberpunk in der Games-Branche: Auf dem Rücken der Mitarbeiter
Die Schließung von Studios, die nichts zustande gebracht haben, ist nichts Neues. In den letzten Monaten und Jahren kommen allerdings häufiger die Gründe ans Licht. Nicht selten sind Führungsprobleme, schlechte Arbeitsbedingungen, daraus resultierende hohe Mitarbeiterfluktuation sowie falsche Prioritäten Faktoren für das Scheitern.
Nicht jedes Studio kann daraus am Ende noch einen finanziellen Erfolg stricken. CD Project Red hatte sich etwa einen hervorragenden Ruf durch The Witcher 3 aufgebaut. Das Folgeprojekt Cyberpunk 2077 sollte darauf aufbauen und wurde nach mehreren Verschiebungen Ende 2020 veröffentlicht – in einem technisch teils unzumutbaren Zustand. Sony musste das Spiel für fast ein halbes Jahr aus dem PlayStation-Store nehmen. Investoren klagten gegen CD Project, weil sie sich verschaukelt fühlten.
Jasons Schreier von Bloomberg ging den Ursachen für dieses Desaster auf den Grund. Auch hier spielt vor allem Missmanagement eine Rolle und es finden sich Parallelen zum Manchester-Fall: Die erste Konzeptionsphase dauerte über vier Jahre, bevor alles wieder über den Haufen geworfen wurde. Erfahrene Designer:innen und Entwickler:innen wurden von der Studioleitung einfach ignoriert oder überstimmt. Das führte zu Kündigungen wichtiger Personalien.
Missmanagement in der Games-Branche: Die kreative Stagnation kommt nicht von ungefähr
Bei CD Project Red gab es noch viele weitere schwerwiegende Probleme, wie Schreiers Bericht zeigt. Zwar ist der Ruf des Studios hinüber, Cyberpunk 2077 refinanzierte sich aber dank einer beispiellosen Marketing- und Medienkampagne allein durch die Preorder-Verkäufe. Dieses Glück haben kleine Studios wie Sony Manchester nicht, zumal sie sich mit Virtual Reality in einer Sub-Nische befinden, die obendrein von VR-Brillen abhängig ist, die noch nicht im Massenmarkt angekommen sind.
Vorausschauende Planung und eine klare Strategie sind hier besonders wichtig. Wenn aber die Erfahrung und der Rat von gestandenen Mitarbeitenden, die letztlich die eigentliche Wertschöpfung eines Studios betreiben, in den Wind geschlagen werden, sind Fehlschläge vorprogrammiert. Mangelnder Respekt vor der Expertise von Mitarbeiter:innen, der indiskutable Umgang mit Frauen in der Games-Branche (siehe etwa Activision und Ubisoft), Ausbeutung und die Konzentration auf Verkaufszahlen um jeden Preis: Nicht nur der Fall des VR-Studios Sony Manchester zeigt, dass es unter dem glänzenden Lack der Game-Branche mächtig fault.
Es ist nicht bloß die Pandemie, die derzeit für die Stagnation der Games-Branche verantwortlich ist und lahme Trailershows wie die Gamescom 2021 produziert. Remakes und Remasters prägen die Spielelandschaft 2021. Ein Director’s Cut jagt den nächsten. Neue Ideen? Fehlanzeige, sofern man sich auf namhafte Publisher und Studios konzentriert. Auch massiv beworbene neue Konsolen wie die PlayStation 5 stehen fast ein Jahr später ohne echte native Blockbuster da.
Das ist kein Problem mangelnder Ideen, wie viele Indie-Studios, vor allem auch im VR-Bereich, immer wieder beweisen: Es ist eine Frage von Prioritäten und fähiger Führung. Es wird Zeit, dass frische Konzepte aus den Reihen der Kreativen in den Studios aufgenommen und mit Mut und klarem Plan umgesetzt werden. Und es ist höchste Zeit, dass sich die Arbeitsbedingungen in den Studios deutlich verbessern.
Das wünsche ich mir zumindest.
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