Meta vs. Deutschland: Was bisher geschah
- November 2022: Meta gibt Deutschland-Start der VR-Brillen Quest 2 & Quest Pro bekannt
Meta steht im Clinch mit dem Bundeskartellamt. Der Datenhunger ist zu groß, die Marktstellung zu mächtig, Gerichtsverfahren sowie ein Oculus-Verkaufsstopp die Folge. Wir fassen die Geschehnisse zusammen.
Fast 2,7 Milliarden Menschen weltweit nutzen Dienste von Meta. Was im Frühjahr 2004 als Studentennetzwerk unter dem Namen thefacebook.com begann, ist heute ein milliardenschwerer Konzern, zu dem die erfolgreichen Dienste Facebook, WhatsApp, Instagram und die mittlerweile in Meta integrierte VR-Marke Oculus gehören.
Seit Jahren steht Meta (vormals Facebook) immer wieder in der Kritik von Datenschützern. Die Sammelleidenschaft für personenbezogene Daten sei zu groß geworden, lautet die Kritik. Im Frühjahr 2019 stellte sich auch das deutsche Bundeskartellamt auf die Seite der Kritiker und warf Meta das missbräuchliche Ausnutzen seiner marktbeherrschenden Stellung vor.
___STEADY_PAYWALL___Daraufhin folgten Klagen, Prozesse und im September 2020 ein deutschlandweiter Verkaufsstopp von Oculus-VR-Brillen. Und die Sache zieht sich noch weit ins Jahr 2021, wie diese Zusammenfassung der Geschehnisse zeigt.
Inhalt
Februar 2019: Das Bundeskartellamt schreitet ein
Das Bundeskartellamt gibt am 7. Februar 2019 bekannt, Meta die Zusammenführung von Nutzerdaten aus verschiedenen Quellen mit sofortiger Wirkung untersagt zu haben. Meta gewährt seinen Nutzern nur dann Zugriff auf sein soziales Netzwerk, wenn es auch außerhalb der Facebook-App Daten über sie auflesen und dem Facebook-Konto zuordnen darf.
Das heißt: Alle Daten, die auf den Meta-Plattformen (Facebook, WhatsApp, Instagram, Oculus) erhoben werden können, sammelt Meta uneingeschränkt ein und fasst sie in einem Facebook-Konto zusammen.
Zusätzlich nimmt sich Meta das Recht, Browser oder Smartphone-Apps von Nutzern zu durchstöbern und Daten von Drittwebseiten oder Apps, die nichts mit Facebook zu tun haben, auszulesen und ebenfalls dem Facebook-Nutzerkonto zuzuordnen.
Das sind die Konsequenzen
Meta darf die eigenen Dienste weiterhin auslesen und dort Daten sammeln. Allerdings müssen diese beim entsprechenden Service bleiben und dürfen nicht zusammen mit weiteren Daten verarbeitet werden. Meta darf also beispielsweise auf WhatsApp erhobene Nutzerdaten nur eurem WhatsApp-Konto zuordnen.
Die auf verschiedenen konzerneigenen Services gesammelten Daten dürfen nur noch dem Facebook-Konto zugeordnet und gemeinsam verarbeitet werden, wenn der Nutzer dazu seine Einwilligung gibt. Gleiches gilt für Daten, die Meta bei Drittwebseiten einsammelt. Eine nicht gegebene Einwilligung darf nicht zur Folge haben, dass dem Nutzer der Zugang zu Facebook verwehrt wird.
So äußert sich das Bundeskartellamt
In der entsprechenden Pressemitteilung wird Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, folgendermaßen zitiert: "Wir nehmen bei Facebook [heute Meta] für die Zukunft eine Art innere Entflechtung bei den Daten vor. Facebook darf seine Nutzer künftig nicht mehr zwingen, einer faktisch grenzenlosen Sammlung und Zuordnung von Nicht-Facebook-Daten zu ihrem Nutzerkonto zuzustimmen. Die Kombination von Datenquellen hat ganz maßgeblich dazu beigetragen, dass Facebook einen so einzigartigen Gesamtdatenbestand über jeden einzelnen Nutzer erstellen und seine Marktmacht erreichen konnte."
Facebook hat mit 23 Millionen täglichen Nutzern in Deutschland einen Marktanteil von 95 Prozent bei sozialen Medien. Mundt weiter: "Als marktbeherrschendes Unternehmen unterliegt Facebook besonderen kartellrechtlichen Pflichten und muss bei dem Betrieb seines Geschäftsmodells berücksichtigen, dass die Facebook-Nutzer praktisch nicht auf andere soziale Netzwerke ausweichen können."
So reagiert Meta
Meta reicht gegen die Verfügung des Bundeskartellamts Klage ein. Um zu verhindern, dass die Auflagen sofort gelten, beantragt Meta zudem ein Eilverfahren auf Aufschub. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf vertagt eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen des Bundeskartellamts.
Allerdings kommt das OLG Metas Antrag auf Aufschub nach und hebt den sofortigen Vollzug der Anordnungen auf. Es gebe "ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung" des Bundeskartellamts.
Juni 2020: Bundesgerichtshof gibt Bundeskartellamt recht
Auf Antrag des Bundeskartellamts kommt es zu einer Eilentscheidung: Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hebt die Anordnung des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf. Die Bekanntgabe dieser Eilentscheidung erfolgt in einer Pressemitteilung am 23. Juni 2020.
Es bestünden weder ernsthafte Zweifel an der marktbeherrschenden Stellung Facebooks in Deutschland noch daran, dass Meta diese missbräuchlich ausnutze. Entscheidend hierfür sieht der BGH an, dass Nutzungsbedingungen missbräuchlich seien, die den privaten Facebook-Nutzern keine Wahlmöglichkeit lassen. Meta schränke damit die Nutzerrechte auf persönliche Autonomie und die Wahrung ihrer informationellen Selbstbestimmung ein.
Facebook-User können nicht entscheiden, ob die "intensivere Personalisierung des Nutzungserlebnisses" auf Daten beruhen soll, die sie auf Facebook.com preisgeben oder ob sie Meta dazu potenziell unbeschränkten Zugriff auf ihre gesamten Internetnutzungsdaten geben möchten.
Laut BGH handelt es sich bei Facebooks personalisiertem Nutzererlebnis um eine "aufgedrängte Leistungserweiterung", weil eine gewünschte Leistung nur in Kombination mit einer unerwünschten Leistung erstanden werden kann. Dies wird als wettbewerbsschädlich eingestuft, Nutzerdaten würden durch die fehlende Wahlmöglichkeit mehr und mehr ausgebeutet. Das Urteil des BGH gilt als kartellrechtliche Leitentscheidung zum Missbrauch von Marktmacht in Deutschland.
Das sind die Konsequenzen
Eine endgültige Gerichtsentscheidung über die Anordnungen des Bundeskartellamts steht weiterhin aus. Meta darf bis dahin allerdings nicht mehr so weitermachen wie bisher. Die umfassende Sammlung von Nutzerdaten muss vorerst gestoppt werden.
Außerdem muss Meta dem Bundeskartellamt innerhalb der nächsten vier Monate Vorschläge unterbreiten, wie eine Wahlmöglichkeit für Nutzer künftig aussehen könnte.
So reagieren Meta und das Bundeskartellamt
Meta will seine Position weiter verteidigen. Sprecher betonen weiterhin, es liege kein kartellrechtlicher Missbrauch vor.
Andreas Mundt äußert sich auf tagesschau.de zufrieden über den Prozessverlauf: "Daten sind ein entscheidender Faktor für wirtschaftliche Macht und für die Beurteilung von Marktmacht im Internet."
Ein kartellrechtlicher Eingriff gegen den Missbrauch von Marktmacht müsse deshalb bei rechtswidriger Sammlung und Verwertung von Daten möglich sein.
August 2020: Facebook-Zwang für Oculus-Nutzer
Meta kündigt an, dass ab Oktober 2020 die Nutzung neuer Oculus-Geräte einen Facebook-Account voraussetzen wird. Es wird nicht mehr möglich sein, neu in Betrieb genommene VR-Brillen allein mit einem Oculus-Account zu nutzen. Oculus- und Facebook-Konten müssen bei der Ersteinrichtung eines Geräts gekoppelt werden.
Wer bereits im Besitz einer Oculus VR-Brille ist, darf diese zwar bis zum 1. Januar 2023 weiterhin nur mit einem Oculus-Konto benutzen. Danach gilt aber auch hier die Kopplungspflicht. Zu diesem Zeitpunkt ist bereits klar, dass eine neue Version der autarken VR-Brille Oculus Quest kommen wird.
Das sind die Konsequenzen
Eine offizielle Ankündigung der Oculus Quest 2 (Test) gibt es zu diesem Zeitpunkt zwar noch nicht. Allerdings steht schon jetzt fest, dass sie nur mit einem Facebook-Account genutzt werden kann. Für deutsche VR-Enthusiasten besonders prekär: Es gibt noch keine endgültige Entscheidung über die Anordnung des Bundeskartellamts.
Durch den Eilentscheid des BGHs im Juni darf Meta zu diesem Zeitpunkt keine Daten der konzerneigenen Services mehr vermengen. Ebenfalls rechtlich bedenklich ist die Verbindung zweier unterschiedlicher Produkte wie bei einer Oculus-Brille mit einem Social-Media-Account.
In der DSGVO (Art 7, Abs. 4) ist ein Koppelungsverbot verankert, das untersagt, die Erhebung von personenbezogenen Daten für den Abschluss eines Kaufvertrags vorauszusetzen.
September 2020: Meta stoppt Oculus-Verkauf in Deutschland
Am 16. September 2020 kündigt Meta im Livestream seiner jährlichen XR-Messe Connect die autarke VR-Brille Oculus Quest 2 an. Verkaufsstart ist 13. Oktober 2020 – allerdings nicht weltweit: Meta stoppt den Verkauf von Oculus-Brillen in Deutschland.
Als Grund nennt das Unternehmen "Gespräche mit Aufsichtsbehörden". Der Verkauf sei auf eigene Initiative hin zeitweilig ausgesetzt worden und nicht auf Anweisung der Behörden. Auf Nachfrage von MIXED teilt ein Sprecher des Bundeskartellamts mit, dass keine Gespräche über das Thema Oculus zwischen dem Amt und Meta stattgefunden hätten. Der Verkaufsstopp sei "sehr überraschend".
Klar ist auch, dass die speziellen VR-Bewegungsdaten, die Meta mit Oculus-Geräten erheben kann, für zusätzlichen Zündstoff in den anstehenden Verhandlungen gesorgt hätten. Meta ist das erste Unternehmen, das intuitive und unbewusste Bewegungsdaten von Menschen im großen Stil erheben und mit anderen Profildaten vermischen kann. Erste Studien zeigen, dass Bewegungsdaten zur Identifizierung und Charakterisierung von Menschen beitragen können und so der noch detaillierteren Profilbildung dienen.
Das sind die Konsequenzen
Einzelhändler werden ab sofort nicht mehr beliefert, Restbestände dürften allerdings noch verkauft werden. VR-Kunden aus Deutschland müssen sich die Geräte aus dem Ausland bestellen (siehe gelber Kasten unten). Ob importierte Geräte "wie beabsichtigt funktionieren", garantiert Meta nicht, bislang gibt es keine Probleme. Wer schon eine Oculus-Brille und ein Oculus-Konto besitzt, kann diese weiterhin nutzen.
November 2020: Vertagung des Hauptsacheverfahrens auf 2021
Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren zwischen Meta und dem Bundeskartellamt steht noch aus, eine erste mündliche Verhandlung war für den 25. November 2020 angesetzt. Auf Nachfrage von MIXED.de bestätigte das Bundeskartellamt, dass dieser Termin auf den 26. März 2021 verschoben wurde.
Das bestätigte auch ein Gerichtssprecher des OLG Düsseldorf gegenüber dem Kartellrechts-Blog D’Kart. Beide Parteien würden mehr Zeit benötigen. Bundeskartellamtspräsident Andreas Mundt gegenüber D’Kart: „Mit Blick auf die damals noch ausstehenden Entscheidungsgründe des BGH hatten wir die Vollziehung der Entscheidung bis Ende November ausgesetzt. Ab dem 1.12. laufen die Fristen jetzt wieder und wir erwarten in den kommenden Monaten Vorschläge von Facebook [Meta], wie sie unserer Verfügung konkret nachkommen wollen. Darüber hinaus sind die Kollegen natürlich intensiv mit der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung befasst.“
Das sind die Konsequenzen
Nach dem Eilverfahren am Bundesgerichtshof im August wurde Meta eine Frist gesetzt: Innerhalb der nächsten vier Monate sollten dem Bundeskartellamt Vorschläge unterbreitet werden, wie eine Wahlmöglichkeit für Nutzer künftig aussehen könnte. Diese Frist wurde vom Bundeskartellamt kurz nach dem Eilverfahren bis Ende November ausgesetzt.
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Mit der Verschiebung der mündlichen Verhandlung von November 2020 auf Ende März 2021 verschiebt sich auch diese Frist. Meta muss dem Bundeskartellamt also bis spätestens 31. März 2021 seine Vorschläge unterbreiten. Auch ein endgültiges Urteil in den Verhandlungen ist nicht sicher. Experten rechnen damit, dass sich der Fall noch bis Ende 2021 ziehen könnte.
Dezember 2020: Bundeskartellamt leitet Missbrauchsverfahren ein
Das Bundeskartellamt leitet in der Zwischenzeit weitere Schritte gegen Meta ein. In einem Missbrauchsverfahren soll die Verknüpfung von Oculus-Geräten wie der Oculus Quest 2 mit Metas sozialem Netzwerk geprüft werden. Gerichtliche Termine sind noch nicht bekannt.
Seit Oktober 2020 verlangt der Datenkonzern von Nutzern der Oculus-VR-Brillen eine Koppelung der Oculus- und Facebook-Accounts. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, sieht in der Account-Koppelung einen möglichen Missbrauch von Metas marktbeherrschender Stellung.
"Facebook [Meta] ist mit seinem sozialen Netzwerk marktbeherrschend in Deutschland und auch in dem noch jungen, größer werdenden VR-Markt bereits ein bedeutender Player.", wird Mundt in einer Meldung des Bundeskartellamts zitiert. Man wolle untersuchen, ob und inwieweit die Koppelung den Wettbewerb in den Bereichen Virtual Reality und Social Media beeinträchtigt.
Januar 2021: Quest 2 Verkaufsstopp hat Bestand, Klage wegen WhatsApp möglich?
Der Verkaufsstopp von Oculus-Geräten in Deutschland hat weiterhin Bestand. Gegenwärtig können Oculus Geräte wie die Oculus Quest 2 nur aus dem Ausland importiert werden, dann aber ohne Einschränkungen genutzt werden.
Am 26. März 2021 kommt es zur mündlichen Verhandlung in der Hauptsache des Verfahrens gegen Meta hinsichtlich der Datensammlungs- und Datenverwertungspraktiken des Konzerns. Das Oberlandesgericht Düsseldorf soll dann entscheiden, ob Meta seine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt. Der Verkaufsstart der Oculus Quest 2 wird also nicht vor April 2021 erfolgen - wenn überhaupt.
Die zwischenzeitliche Einleitung eines Missbrauchsverfahrens, das sich konkret auf die Zusammenlegung von Oculus- und Facebook-Nutzeraccounts bezieht, könnte den Verkaufsstart weiter verzögern.
Je nach Ausgang der Verfahren wäre von einer Sonderregelung für Deutschland, die Metas Koppelungszwang aufhebt, bis zu einem permanenten Verkaufsstopp von Oculus-Geräten hierzulande vieles möglich. Wann dieses zweite Verfahren vor Gericht kommt, ist noch offen.
Bleibt das Bundeskartellamt seiner derzeitigen Linie im Umgang mit Meta treu, könnte es bald zu einem dritten Verfahren kommen - vielleicht sogar auf EU-Ebene. Zu Jahresbeginn aktualisierte Meta die Nutzungsbedingungen und Datenschutzrichtlinien seines Messenger-Dienstes WhatsApp.
Damit will sich der Konzern selbst den Weg ebnen, um Nutzerdaten problemlos zwischen seinen Plattformen Facebook, Instagram, WhatsApp und Oculus auszutauschen und zu verwerten.
Stimmen WhatsApp-Nutzer nicht zu, dürfen sie den Dienst nicht weiter benutzen. Eine ähnliche Problematik also wie bei der Koppelung von Facebook- und Oculus-Konten.
Nur: Einen Datenaustausch zwischen WhatsApp und Facebook untersagte die EU-Kommission schon bei der Übernahme des Messenger-Dienstes 2014. Deshalb betonen Meta-Sprecher aktuell gegenüber verschiedenen Medien, dass die neuen Regelungen nicht für Nutzer in der EU und Großbritannien gelten würden.
Datenschützer sehen in den aktualisierten Nutzungsbedingungen allerdings Widersprüche und großes Vertrauen dürfte der Social Media-Konzern bei den Behörden nicht mehr genießen. Die EU-Kommission sanktionierte Meta schon 2017 mit 110 Millionen Euro. Entgegen Meta Angaben bei der WhatsApp-Übernahme sei es damals für Werbetreibende möglich gewesen, persönliche Daten von WhatsApp- und Facebook-Konten abzugleichen - laut Meta ein unbeabsichtigter Fehler.
Der allgemeine Aufschrei gegen die neuen WhatsApp-Bedingungen bewog Meta dazu, die Fristen zu verlängern. Anstatt, wie ursprünglich geplant, bis zum 8. Februar 2021 haben WhatsApp-Nutzer jetzt bis zum 15. Mai 2021 Zeit, den Nutzungsbedingungen zuzustimmen.
Februar 2021: Gesetzesänderung stärkt Bundeskartellamt
Seit dem 19. Januar 2021 gelten Änderungen im „GWB-Digitalisierungsgesetz“. Dessen neuer Paragraf 19a ermöglicht dem Bundeskartellamt ein frühzeitiges Eingreifen bei Wettbewerbsgefährdungen durch Digitalkonzerne wie Meta.
Es erlaubt dem Amt Unternehmen mit „besonderer marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb“ bestimmte Verhaltensweisen vorübergehend zu untersagen. In der entsprechenden Pressemitteilung führt das Bundeskartellamt als Beispiele solcher Handlungen die Selbstbevorzugung konzerneigener Dienste oder eine Behinderung des Marktzutritts von Dritten durch das Vorenthalten bestimmter Daten auf.
Um die Entscheidungswege kurzzuhalten, kommen Beschwerden gegen Entscheidungen des Amts künftig direkt vor den Bundesgerichtshof. Die in Kartellrechtsverfahren eigentlich erste Instanz, das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, entfällt. Dort reichte Meta 2019 Klage gegen eine Verfügung des Bundeskartellamts ein.
Das OLG Düsseldorf verordnete daraufhin eine Aufschiebung der Verfügung, die somit nicht vollzogen werden durfte. Erst im Juni 2020 wurde die Verfügung durch den Bundesgerichtshof wieder für rechtskräftig erklärt (siehe Artikelanfang). Das Bundeskartellamt prüft nun, ob der neue Paragraf auch im Missbrauchsverfahren gegen Meta in der Sache Oculus Anwendung findet.
Eine Erweiterung des Verfahrens hängt davon ab, ob Meta unter die neuen Regelungen für Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb fällt. Laut Bundeskartellamtspräsident Andreas Mundt käme eine solche Position mit Blick auf die starken Marktpräsenzen von Meta mit dem sozialen Netzwerk Facebook, WhatsApp und Instagram in Betracht.
März 2021: OLG übergibt den Fall an den Europäischen Gerichtshof
Am 24. März 2021 findet die mündliche Verhandlung in der Hauptsache des Falls Metas gegen das Bundeskartellamt im Oberlandesgericht Düsseldorf statt. Nun soll endgültig geklärt werden, ob die Verfügung des Bundeskartellamts im Februar 2019 rechtmäßig war und sich Meta tatsächlich des Marktmissbrauchs schuldig macht.
Das OLG kritisiert sowohl den Bundesgerichtshof als auch das Bundeskartellamt in mehreren Punkten. Es gebe keine begründeten Beweise für Metas Machtmissbrauch. Zudem sei nicht klar, welche Daten Meta nun zu Unrecht erhebe und welche für die Aufrechterhaltung der Dienste erforderlich wären.
Das Bundeskartellamt habe dies nicht klar differenziert. Ebenso wenig gebe es bei den Nutzerdaten von Instagram oder Oculus tragfähige Feststellungen, ob Facebook-Nutzern tatsächlich Leistungen aufgedrängt würden, die sie möglicherweise nicht wollen.
Neben den kritisierten Ungenauigkeiten seitens des Bundeskartellamts lag laut dem OLG auch eine Rechtswidrigkeit vor: Das Bundeskartellamt hätte seine Verfügung nicht gleichzeitig an Meta Inc. (USA), Meta Deutschland, Meta Irland und weitere mit dem Konzern verbundene Unternehmen stellen dürfen. Die Datenverarbeitung betreffe allein Meta Irland. Alle weiteren Stellen hätten nichts mit dem Fall zu tun und seien auch nicht angehört worden.
Trotz der ausführlichen Kritik am Vorgehen des Bundeskartellamts und der Argumentation des Bundesgerichtshofs spricht das OLG Düsseldorf kein Urteil. Insgesamt habe sich das Bundeskartellamt zu sehr auf deutsches Recht gestützt, obwohl in diesem Fall eigentlich europäisches Recht gelten würde. Zudem sei offen, ob das Bundeskartellamt hier überhaupt hätte tätig werden dürfen.
Es sei zwar grundsätzlich möglich, dass ein Missbrauch von Marktmacht durch einen Verstoß gegen verbraucherschutzrechtliche Normen bewirkt werden könne. Allerdings sei nicht festzustellen, ob Meta tatsächlich gegen die DSGVO verstoße und ob hier nicht doch die Datenschutzbehörde in Irland hätte eingreifen müssen. Diese Fragen solle nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) klären.
Mit einem Urteil des EuGH ist nicht vor 2023 zu rechnen. Weitere Informationen zur Verhandlung und wie sich der Fall auf einen möglichen Deutschland-Start der Oculus Quest 2 auswirkt, haben wir im verlinkten Artikel beschrieben.
Mai 2022: BKartA stellt Metas überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb fest
Es vergeht über ein Jahr, bis das Bundeskartellamt (BKartA) die Änderungen im GWB-Digitalisierungsgesetz für sich nutzen kann. Das BKartA gibt am 4. Mai 2022 bekannt, die überragende marktübergreifende Bedeutung Metas für den Wettbewerb förmlich nachgewiesen zu haben. Damit sind ab sofort die Instrumente der erweiterten Missbrauchsaufsicht auf Meta anwendbar, die im Februar 2021 mit Paragraf 19a GWB eingeführt wurden.
Bundeskartellamtspräsident Andreas Mundt in einer Presserklärung: „Durch das von Meta geschaffene digitale Ökosystem mit einer sehr großen Zahl von Nutzenden ist das Unternehmen der zentrale Spieler im Bereich der sozialen Medien. Nach unseren Ermittlungen ist Meta damit auch im kartellrechtlichen Sinne ein Unternehmen von überragender marktübergreifender Bedeutung.“
Das BKartA könne nun gegen etwaige Wettbewerbsverstöße Metas effizienter vorgehen als bisher und im Falle von wettbewerbsgefährdenden Praktiken schneller einschreiten. Meta verzichtet auf Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Bundeskartellamts, was allerdings nicht bedeutet, dass der Konzern mit allen Feststellungen übereinstimmt. Für die nächsten fünf Jahre unterliegt Meta nun einer besonderen Missbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt.
November 2022: Meta gibt Deutschland-Start der VR-Brillen Quest 2 & Quest Pro bekannt
Erstmals seit zwei Jahren werden VR-Brillen von Meta wieder offiziell in Deutschland verkauft. Die Markteinführung der Meta Quest 2 ist noch für 2022 geplant, die Quest Pro soll schnellstmöglich folgen. Zum Launch der Quest 2 im Oktober 2020 verzichtete Meta noch aus eigenem Antrieb auf einen Verkauf in Deutschland. Damals bestand der Konzern auf eine Verknüpfung des VR-Angebots mit dem sozialen Netzwerk Facebook.
Die Geräte konnten also nur mit einem gültigen Facebook-Konto genutzt werden. In dieser Koppelung sieht das Bundeskartellamt einen Verstoß gegen geltendes Wettbewerbsrecht. Mit Einführung der Meta-Konten entfiel die Facebook-Pflicht jedoch. „Meta hat auf unsere Bedenken reagiert und mit der Einrichtung eines separaten Meta-Kontos für die Nutzung der Quest-Brillen eine Lösung angeboten“, so Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes.
Ein Ende des Verfahrens zwischen Meta und dem Bundeskartellamt ist dennoch nicht in Sicht. „Trotz dieser begrüßenswerten Entwicklung schließen wir das Verfahren heute noch nicht ab. Wir wollen zunächst die tatsächliche Ausgestaltung der Wahlmöglichkeiten für die Nutzerinnen und Nutzer sowie Themen der Zusammenführung und Verarbeitung von Nutzerdaten aus den verschiedenen Meta-Diensten weiter begleiten“, so Mundt.
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