Lenovo Mirage: VR180 3D-Kamera im Test
Lenovos Mirage-Kamera macht gute Fotos und Videos in 180-Grad-3D. Sie glänzt bei Tageslicht und im Zusammenspiel mit den Daydream-Brillen Mirage Solo und View.
Im vergangenen Sommer kündigte Google die VR180-Initiative an: Entgegen des 360-Trends will der Internetkonzern Kameras am Markt platzieren, die VR-Aufnahmen zwar nur in 180-Grad schießen, dafür aber in stereoskopischem 3D mit überzeugender Tiefenwirkung.
Über ein Jahr nach der VR180-Ankündigung hat sich wenig getan bei der Google-Initiative, Lenovos Mirage ist eine von drei Kameras, die das Format unterstützen. Mit einem Preis von 300 Euro richtet sich die Kamera an technikinteressierte Foto-Hobbyisten mit VR-Brille.
___STEADY_PAYWALL___Die VR-Brille ist der entscheidende Baustein, denn ohne sie bleiben nur qualitativ mittelmäßige Weitwinkelschnappschüsse und -videos. Mit VR-Brille hingegen gibt es eine teils glänzenden 3D-Effekt.
Hier geht es zum Google-Fotoalbum mit Testaufnahmen (Fotos & Videos). Die Testaufnahmen können in 3D mit Mirage Solo (Testbericht), Google Cardboard oder Daydream View (Testbericht) und der Google-Foto-App angesehen werden.
[jumbotron tagline="Lenovo Mirage Test"] [/jumbotron]Hardware
Die Mirage-Kamera ist gut verarbeitet, wirkt allerdings nicht unbedingt hochwertig. Das Gehäuse besteht fast vollständig aus Plastik. Dafür ist die Kamera sehr leicht, kompakt und passt bequem in eine Jackentasche. Ein USB-C-Anschluss sowie ein Micro-SD-Kartenslot sind unter einer seitlichen Abdeckung verborgen.
Im Lieferumfang enthalten sind neben der Kamera zwei Akkus mit 2.200 mAh, ein USB-C-Ladegerät samt Kabel und ein praktisches Transportsäckchen, das die Linsen der Kamera schützt. An der Kamera selbst gibt es keine Linsenabdeckung.
Die beiden 180-Grad-Linsen mit je 13 Megapixel an der Vorderseite stehen 63,5 Millimeter auseinander. Das entspricht in etwa dem durchschnittlichen Augenabstand eines Menschen, damit der 3D-Effekt gut wirkt.
Störend ist das schwache LED-Signallicht für den Auslöseknopf und die Modusauswahl. Bei hellen Lichtverhältnissen muss ich mit der Hand die Symbole abdunkeln, um festzustellen, ob ich ein Foto oder Video aufnehme. Außerdem erkennt man nicht auf Anhieb, ob die Kamera noch eingeschaltet oder schon in Standby gesprungen ist. So kann einem ein guter Schnappschuss auch mal entgehen.
Datenblatt:
[table]Linsen | Zwei Fischaugenlinsen mit je 180-Grad |
Blende | f/2.1 |
Sichtfeld | 180 Grad |
Sensoren | 2 x 13 Megapixel |
Prozessor | Qualcomm Snapdragon 626 Platform APQ8053 Prozessor (2.20 GHz) |
Fotoauflösung | 6.032 x 3.016 Pixel (3.016 x 3.016 pro Auge) |
Videoauflösung | 3.840 x 2.160 Pixel @ 30 FPS (1.920 x 2.160 pro Auge) |
Live-Video | Bis zu 3.840 x 2.160 |
Audio | Zwei Mikrofone für Stereosound, Lautsprecher |
Speicher | 10 GB intern, Micro SD bis zu 128 GB |
Stabilisierung | 6-Achsen-Stabilisierung |
Batterie | 2 x 2.200 mAh, reicht circa zwei Stunden, USB-C-Ladeanschluss |
Größe | 55 mm x 105 mm x 22 mm |
Gewicht | 139 Gramm |
Verbindung | WiFi 802.11 b/g/n/ac WiFi Direct Bluetooth® 4.2 + BLE |
Nutzungskomfort
Auffällig ist, dass Lenovo auf der Kamerarückseite kein Sucher-Display verbaut hat. Für eine Vorschau des Fotos muss man die Kamera mit dem Smartphone verbinden. Das verkompliziert die Bedienung etwas.
Besser ist, man verzichtet auf den Smartphone-Sucher und setzt stattdessen auf Augenmaß und den Schnappschussfaktor. So macht mir die Kamera jedenfalls die meiste Freude. Dank des 180-Grad-Winkels ist das Kamerablickfeld sowieso sehr großzügig.
Apropos 180-Grad-Weitwinkel: Wer nicht aufpasst, fotografiert die eigenen Finger mit, die am Gehäuse anliegen. Wer solche Fingeraufnahmen vermeiden will, schraubt die Kamera auf ein Stativ und benutzt den Fernauslöser via Smartphone-App. Über die App können auch typische Kameraeinstellungen konfiguriert werden wie die Belichtungszeit.
Die Bedienung der App geht insgesamt leicht von der Hand und die Verbindung via Bluetooth klappte beim Test auf Anhieb. Mit der App werden via WLAN auch die Bilder von der Kamera auf das Smartphone und von dort auf Wunsch ins Netz übertragen.
Nur mit Daydream wirklich brauchbar
Wer im Daydream- oder Cardboard-Ökosystem unterwegs ist, kann die Mirage-Fotos bequem über die VR180-App oder die Google-Fotos-App in der VR-Brille in 3D ansehen. 2D-Kopien und -Animationen der Fotos können ebenfalls direkt in der App erstellt und über alle bekannten Kanäle geteilt werden.
Das folgende Beispiel ist ein Export als MP4-Animation. Die Animationen haben noch mit Darstellungsfehlern zu kämpfen, die Funktion ist recht neu.
VR180-Videos werden am einfachsten über Googles eigenen Videodienst YouTube weitergegeben, der das Format automatisch erkennt und passend darstellt. Über die YouTube VR-App, die es mittlerweile für alle gängigen VR-Brillen gibt, können die Videos dann mit 3D-Effekt abgespielt werden.
Da Google bei VR180 auf ein proprietäres Format setzt (vr.jpg und vr.mp4), das die 3D-Information in der Metabeschreibung ablegt, habe ich keinen Player gefunden, der die Fotos und Videos direkt beispielsweise mit Oculus Go oder Gear VR korrekt anzeigt.
Korrektur: VR180-Fotos werden mit Oculus Go / Gear VR nativ wiedergegeben, wenn sie zuvor auf dem internen Speicher abgelegt werden. Videos sollen über einen Medienserver laufen (siehe Kommentare). Es gibt Berichte, dass Googles VR180-App via Sideloading auf Oculus Go läuft. Auch die App Samsung VR soll die 3D-Videos abspielen können (nicht getestet).
Bildqualität
Die Bildqualität der Mirage-Kamera ist auf Augenhöhe mit der besten 360-Grad-Kamera in der Kompaktklasse, Samsungs Gear 360 aus 2016. Sie bietet einen Tick weniger Schärfe und Detail, dafür aber einen tollen 3D-Effekt.
Bei guten Lichtverhältnissen und spannenden Motiven gelingen mit Mirage 3D-Fotos mit Wow-Effekt. Schaut man sie lang genug durch die VR-Brille an, fühlt man sich tatsächlich ein bisschen an einen anderen Ort transportiert.
Teleportieren leichtgemacht
Deutlich macht das ein kleines Experiment: Nehmt ein Foto eines Raumes aus einer Zimmerecke auf und stellt euch dann in die gegenüberliegende Ecke.
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Dort setzt ihr euch die VR-Brille auf und schaut euch für eine Minute das zuvor angefertigte 3D-Foto an. Setzt ihr die VR-Brille wieder ab, spürt ihr ein Hirnkitzeln – stand ich nicht eigentlich gerade auf der anderen Seite des Raumes?
Diese Hirn-Verwirrung funktioniert allerdings nur mit hellen, scharfen Aufnahmen mit starkem 3D-Effekt. Bei schlechten Lichtverhältnissen schmiert die Kamera gnadenlos ab und zeichnet eigentlich verrauschte Fotos und Videos so stark weich, dass kein Mittendrin-Gefühl mehr aufkommt.
Fotos sind besser als Videos
Im Vergleich zu guten 3D-Fotos enttäuschen die etwas geringer aufgelösten 4K-Videos ein wenig. Die Kamera komprimiert die Videos recht stark, sodass Artefakte sichtbar werden. Das fällt insbesondere bei Farbübergängen sowie in hellen und dunklen Bereichen auf, die entweder stark überstrahlt sind oder im Schwarz absaufen.
Das passiert zwar auch bei Fotos, allerdings nicht im selben Ausmaß. Beinahe unbrauchbar ist der blecherne Ton der beiden im Gehäuse integrierten Stereo-Mikrofone.
Damit der 3D-Effekt auf Fotos und in Videos voll zur Geltung kommt, sollte man bei der Motivwahl auf eine klare Trennung zwischen Vor- und Hintergrund achten und das Objekt möglichst in der Bildmitte platzieren.
Im Optimalfall ist das Hauptmotiv circa ein bis zwei Meter von der Kamera entfernt und in der Mitte des Bildes. Auf Distanz und in der Peripherie des Kamerasichtfelds wirkt der 3D-Effekt nicht mehr so stark.
Wer allerdings eine Bildqualität erwartet, wie sie Google in den VR180-Grad-Werbevidos zeigt (siehe Video am Ende dieses Absatzes), wird enttäuscht sein. Mit welcher VR180-Kamera auch immer dieses Video gedreht wurde - Lenovos Mirage war es nicht.
360 vs. 180
Im Optimalfall hätte man natürlich beides: die komplette Immersion in 360-Grad kombiniert mit einem 3D-Effekt, der Fotos und Videos unter der VR-Brille viel glaubhafter wirken lässt. Gibt’s nur leider noch nicht, diese Wunschkamera, zumindest nicht in der für Hobbyfotografen geeigneten Kompaktklasse.
Was nun folgt, ist eine sehr subjektive Einschätzung: Ich ziehe 360-Grad-Fotos den 180-Grad-3D-Aufnahmen vor. Ich benutze meine Samsung Gear 360 fast ausschließlich auf Urlaubsreisen als eine Art Erinnerungsmaschine. Dieser Erinnerungseffekt klappt besser, wenn man einen Raum oder eine Szene vollständig einfängt und nicht nur eine Hälfte davon.
Außerdem entdecke ich auf den 360-Fotos im Nachgang immer wieder neue Details, die mir im Moment der Aufnahme gar nicht aufgefallen sind.
Googles VR180-Format hingegen erinnert im Vergleich stärker an herkömmliche Fotos und Videos, wenn auch mit einer zugegeben breiteren Bühne und tollem 3D-Effekt.
Fazit
Lenovos Mirage-Kamera macht dank des gelungenen 3D-Effekts Spaß, allerdings nur mit Fotos und Videos, die bei gutem Licht aufgenommen wurden. Bei trübem Zimmerlicht oder gar Dunkelheit baut die Bildqualität zu stark ab.
Das Gerät ist denkbar einfach in der Handhabung: Foto oder Video einstellen, draufhalten, Knopf drücken, fertig. Noch dazu ist die Kamera gut zu transportieren.
Bleibt man im Google-Ökosystem, können die Fotos und Videos auf direktem Wege mit der VR-Brille angesehen oder als 2D-Version geteilt werden. Das funktioniert gut. Wer keine Daydream-Soft- und Hardware nutzt, hat leider Pech.
In ihrer Preisklasse ist die Mirage-Kamera konkurrenzlos. Wettbewerb ist derzeit höchstens von Vuzes neuer XR-Kamera zu erwarten, die ebenfalls VR180 unterstützt, aber mit 440 Euro etwas teurer ist.
Wer lieber 360-Fotos aufnehmen möchte, greift in der Kompaktklasse zu Samsungs Gear 360 aus 2016 (Test), die es für unter hundert Euro gibt. Hier verzichtet man zwar auf den 3D-Effekt, dafür gibt es bei gutem Licht sehr ordentliche 360-Grad-Fotos.
Letzte Aktualisierung am 2024-11-23 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API / Preis inkl. MwSt., zzgl. Versandkosten
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