VR-Film Arden’s Wake im Test: Auf Tauchgang durch Erinnerungen

VR-Film Arden’s Wake im Test: Auf Tauchgang durch Erinnerungen

Der neue VR-Film der Penrose Studios „Arden’s Wake“ ist endlich für PC-VR erschienen. Darin geht ihr auf eine emotionale Tauchreise und entdeckt Geheimnisse in den Tiefen des Meeres.

Nachfolger von Allumette und The Rose and I

Wer erinnert sich noch an Allumette? An diesen bezaubernden VR-Film über eine Mutter und ihre Tochter, die in einer Wolkenstadt leben? Die kalifornische Produktionsfirma, Penrose Studios, hatte mit Allumette und ihrem ersten Werk The Rose and I einen neuen Stil im VR-Animationsfilm erfunden – und die Kritikerherzen erobert (nicht alle).

Denn die Penrose-Produktionen waren unter den ersten, die den sogenannten Puppenhaus-Stil entwickelten, der inzwischen gerne und oft genutzt wird: Die Handlung spielt wie in einer Miniaturwelt vor den Augen des riesigen VR-Brillenträgers, der sich frei in der Szene bewegen kann. Oft gehen die putzigen Miniaturwelten zulasten der Immersion: Passiv dabei sein statt aktiv dazu gehören.

___STEADY_PAYWALL___

Bei Arden’s Wake, das nach schier endlos scheinender Wartezeit endlich veröffentlicht wurde, ist das nicht der Fall. Bereits 2017 hat das Tribeca Film Festival in New York erste Kapitel gezeigt, das im selben Jahr auch einen Löwen beim Venediger Filmfestival gewann.

Das zweite Kapitel Tide’s Fall folgte ein Jahr später, ebenfalls bei Tribeca, und entwickelte sich dort schnell zum Festival-Liebling. Zu Recht, denn in dem VR-Film zeigen die Penrose Studios, wie immersives Geschichtenerzählen grandios gelingen kann – auch im Puppenhausformat (oder vielleicht gerade deswegen).

Arden's Wake: Meena schaut aus dem Fenster ihres Stelzenhauses.

Meena sitzt am Fenster und hört zu, wie ein junger Mann für sie singt. Bild: Penrose Studios

Du bist die Kamera: Arden’s Wake bietet viele Perspektiven

Arden’s Wake spielt in einer Welt voller Wasser. Mitten im Ozean steht ein rundes Holzhäuschen auf langen Stelzen, die auf dem Grund des Meeres verankert sind. Ein Leuchtturm sitzt auf dem Dach des Häuschens, der Scheinwerfer zieht quietschend seine Runden. Idyllisch sieht es aus, so, als könne man gut und glücklich darin leben. Ein junges Mädchen sitzt auf dem Steg und angelt. Sie heißt Meena und lebt mit ihrem Vater in dem Stelzenhaus.

Beim Näherkommen werden immer mehr Details des Häuschens sichtbar. Spätestens als Meena ihre gefangenen Fische nimmt, aufsteht und ins Innere des Hauses geht, versteht man: Dort passiert etwas.

Und mit etwas Experimentiergeist steckt man schnell den Kopf hinein, um die Geschichte im Haus zu verfolgen. So habt ihr die Wahl: Wollt ihr Meenas säuselndem Verehrer zusehen, der draußen im Motorboot um die junge Frau wirbt? Oder lieber verfolgen, wie ihr Vater sich über seine am Fenster schmachtende Tochter und ihren Romeo ärgert?

Diese Erzählform hat das Penrose-Team bereits bei Allumette und dem Wolkenschiff angewandt. Obwohl Arden’s Wake nicht interaktiv ist und lediglich eine reine Zuschauerrolle zulässt, gewährt der Film auf diese Weise eine gewisse Teilnahme, deutlich aktiver, als gäbe es die Szenen nur aus einer Blickrichtung zu sehen.

Düstere Geheimnisse lauern im Wasser - und in der Vergangenheit

So idyllisch bleibt es natürlich nicht. Im Laufe des VR-Filmes lassen sich einzelne Gebäude unter dem Meeresspiegel erkennen, frühere Wolkenkratzer. War es der Klimawandel? Eine Katastrophe von gigantischem Ausmaß? Was wurde aus all den Bewohnern? Diese Fragen schwingen mit und bleiben unbeantwortet.

Arden's Wake: Vater spricht mit Meena und hält einen Taucherhelm in der Hand

Das Wasser ist nichts für Dich, schärft Meenas Vater seiner Tochter ein. Doch kurz darauf wird er selbst von seinem Tauchgang nicht zurückkehren. Bild: Penrose Studios

Bereits der Prolog ganz am Anfang der Geschichte lässt erahnen, dass das so schön wirkende Leben von Meena und ihrem Vater eigentlich voller Tragödien ist: Die ersten Minuten des VR-Filmes erleben die Zuschauer unter Wasser. Weit unterhalb der Oberfläche sinken Teile eines Bootes in die Tiefe.

Kurz darauf sieht man zwei Personen, die hinuntergezogen werden: eine Frau und ihre Tochter, beide bewusstlos und kurz vor dem Ertrinken. Doch die Rettung naht: Ein Mann, Meenas Vater, schwimmt von oben herbei. Allerdings sind die beiden schon zu tief, nur das Mädchen kann er mit letzter Kraft nach oben an die lebensnotwendige Luft ziehen.

logo
  • checkMIXED.de ohne Werbebanner
  • checkZugriff auf mehr als 9.000 Artikel
  • checkKündigung jederzeit online möglich
ab 3,50 € / Monat
logo

Diese Szene ist grandios. Die dramatische, langsame Erzählung spitzt sich immer weiter zu und zeigt, dass Arden’sWake bereits mit maximaler Immersion im Hinterkopf konzipiert wurde. Die eingesetzte Musik verstärkt den dramatischen Effekt und realistisch klingende Unterwasser-Geräusche lassen unweigerlich nach Luft schnappen.

Und so wird der Puppenhaus-Stil zum Vorteil: Weil die Welt kleiner als die echte ist, wirkt die Weite des Ozeans noch bedrohlicher, das Häuschen noch ungeschützter und die Menschen darin noch verletzlicher.

Sehr gelungen: Die emotionale Nähe zu den Hauptpersonen

Im Laufe des Filmes geht das Leben der beiden seinen Gang. Doch als Meenas Vater von einem seiner Routine-Tauchgänge nicht zurückkehrt, ist Meena zu einer schweren Entscheidung gezwungen. Sie folgt ihm mit einem U-Boot ins dunkle Wasser. In der Tiefe erwarten sie einige Geheimnisse.

Arden's Wake: Meena steht vor dem U-Boot und wirkt unschlüssig.

Um ihren Vater zu retten, nimmt Meena dessen selbst gebautes U-Boot. Bild: Penrose Studios

Ähnlich wie bei Lucid (Test) kommen nach und nach weitere Details aus der Vergangenheit zutage, die Vieles aus der Gegenwart der Hauptpersonen erklären. Mehr und mehr kommt man Meena und ihrem Vater näher.

Unterstützt wird dies durch die hervorragende Leistung der beiden Schauspieler, die Meena und ihren Vater sprechen: Durch die leicht heisere, immer freche Stimme von Oscarpreisträgerin Alicia Vikander wird Meena zu einer Abenteurerin. Und Meenas Vater, gesprochen von Richard Armitage, ist mit all seinen Fehlern unglaublich liebenswert. Man möchte ihn immerzu umarmen.

Arden's Wake: Einer der besten aktuellen VR-Filme

Je mehr man sich verbunden fühlt mit den Charakteren, je tiefer man in die Geschichte eintaucht (in diesem Fall sogar wörtlich), desto intensiver fiebert man ihrem Ende entgegen. Wird alles gut ausgehen? Bei  Arden’s Wake lässt sich diese Frage nur mit einem ratlosen Schulterzucken beantworten.

Arden's Wake: Meena steht auf ihrem U-Boot und sieht auf's Meer.

Das Ende des VR-Filmes ist emotional - und unbefriedigend. Umso schöner dafür der Abspann. Bild: Penrose Studios

Denn die Geschichte endet mit einem Cliffhanger, so zumindest meine Interpretation. Mit viel gutem Willen lässt sich ein offenes Ende sehen, doch der Verdacht liegt nahe, dass hier eigentlich mindestens ein weiteres Kapitel angedacht war.

2017 sprach Regisseur Eugene Chung in einem Interview von einer VR-Serie. Ob es noch dazu kommt? Ungewiss. Penrose ließ eine entsprechende Anfrage bislang unbeantwortet. Content-Produktion in VR in so hoher Qualität ist und bleibt eine immense Herausforderung für ein kleines Studio.

Wünschenswert wäre eine Fortsetzung: Die Intensität des VR-Films, die gelungene Erzählweise voller Spannung und Emotionen sowie die Liebe, mit der die Welt in jahrelanger Arbeit entworfen wurde, machen Arden’s Wake zu einem der besten VR-Filme, die es derzeit gibt.

Arden’s Wake: Verfügbarkeit, Preis und Trailer

Der VR-Film ist seit Mitte Februar 2021 für die Oculus Rift im Oculus Store erhältlich und kostet 7,99 Euro. Die Spieldauer liegt bei knapp 30 Minuten. Seit dem 26. Februar ist Arden’s Wake auf Steam für HTC Vive, Oculus Rift und Valve Index erhältlich.

Weiterlesen über VR-Filme: