Vive Focus 3 im Test: Gute VR-Brille mit einem Problem
HTC brachte 2021 neben der Vive Pro 2 auch die autarke VR-Brille Vive Focus 3 auf den B2B-Markt. Empfehlenswert?
Die Vive Pro 2 konnte mich nicht überzeugen – das Preis-Leistungs-Verhältnis war nicht ausreichend. Die autarke VR-Brille Vive Focus 3 setzt ebenfalls auf viele Features der Vive Pro 2 – etwa die schlechte Linsenkonstruktion. Ist das Gesamtpaket trotzdem eine Empfehlung für den Business-Bereich wert?
Inhalt
HTC Vive Focus 3 Test in aller Kürze
Die Vive Focus 3 ist eine gute VR-Brille für den Business-Bereich. Privatanwender:innen können zwar über Streaming auf SteamVR zugreifen, aber allein dafür ist das Paket zu teuer. Komfort und Tracking sind gut bis hervorragend, allerdings wird das eigentliche hochauflösende Bild von Glare und God-Rays geplagt, was es primär in kontrastreichen Szenen sehr unruhig macht.
___STEADY_PAYWALL___Ein Konto-Log-in wird nicht zwingend gebraucht.
Die HTC Vive Focus 3 ist für euch geeignet, wenn …
- ihr ein sehr scharfes Bild im Sweetspot bevorzugt,
- euch Glare und Godrays aus der Hölle egal sind,
- ihr ein etwas weiteres horizontales Sichtfeld gegen ein schmaleres vertikales tauschen könnt,
- ihr eine recht komfortable VR-Brille mit IPD-Regler sucht,
- exzellentes Tracking (allerdings mit einem kleinen Makel) wollt,
- etwas für gutes Wi-Fi-Streaming übrig habt und
- diverse Anwendungen auch ohne Log-in in ein Konto starten möchtet.
Die HTC Vive Focus 3 ist nicht für euch geeignet, wenn …
- ihr ein klares, ruhiges Bild in VR erwartet,
- God-Rays und Glare nur bis zu einem gewissen Grad ertragt,
- kein flacheres vertikales Sichtfeld wollt,
- ergonomischere Controller vorzieht und
- es auch im B2B-Umfeld gewohnt seid, App-Käufe in VR abwickeln zu können.
Vive Pro 2 + XR2 + austauschbarer Akku
Die Vive Focus 3 übernimmt Display und Fresnel-Linsen der Vive Pro 2. Beide VR-Brillen lösen mit 2.448 x 2.448 Bildpunkten pro Auge auf und bieten durch das Dual-Stacked-Design ein überdurchschnittlich weites Sichtfeld von maximal 120 Grad. Das vertikale Sichtfeld ist hingegen auch hier gestutzt und abgeflacht. Ein stufenloser IPD-Regler lässt den Augenabstand zwischen 57 und 72 Millimetern einstellen.
Im autarken Headset werkelt wie bei der Quest 2 ein XR2-Prozessor von Qualcomm. Die Bildwiederholrate beträgt standardmäßig 90 Hz.
Der Akku befindet sich am Hinterkopf und kann ausgetauscht werden. Ähnlich wie das Gesichtspolster vorn ist die Polsterung hinten magnetisch befestigt und abnehmbar. Der Akku selbst hält rund zwei Stunden, die Aufladezeit beträgt etwa eine Stunde.
Schlimme Linsen-Display-Kombination bremst die Vive Focus 3 aus
Leider ist die Display-Linsen-Kombination genauso furchtbar wie bei der Vive Pro 2. Während ich immer wieder Tests lese, die die besondere Schärfe des Bildes loben, kann ich dem nur bedingt zustimmen: Ja, die Auflösung ist hoch und im sehr schmalen Sweetspot bei völliger Regungslosigkeit ist das Bild sehr scharf.
Aber sobald ich mich bewege und vor allem, wenn die jeweilige Szene kontrastreich ist, habe ich ein unfassbar unruhiges, verschwommenes Bild. Das liegt am heftigen Glare (der Strahlenkranz um helle Objekte oder Schrift) und an den sogenannten God-Rays, also Lichtstrahlen, die sich auf den Fresnel-Linsen brechen und dort unter anderem für helle Lichtkreise sorgen.
In weniger kontrastreichen Szenarien fällt das nicht mehr so stark auf, dann tritt die Bildschärfe wieder mehr in den Vordergrund.
Das größere seitliche Sichtfeld macht das nicht wieder wett: Zu den Rändern hin wird das Bild unscharf und nach oben ist es durch das neue 16:9-Format abgeschnitten.
Wie auch bei der Vive Pro 2 ist das Bild der Vive Focus 3 – obwohl höher aufgelöst – im Gesamteindruck schlechter als das der Konkurrenz von Quest 2, Pico Neo 3 Pro oder Pico Neo 3 Link.
Top Tracking und ordentliche VR-Controller
Hingegen hat HTC beim Tracking ganze Arbeit geleistet. Hier steht die Vive Focus 3 der Quest 2 überhaupt nichts nach – ich würde sogar sagen, gefühlt ist es manchmal noch ein wenig stabiler, etwa bei schnellen Bewegungen auf Expert-Level in Beat Saber.
Einen Haken hat das Tracking aber doch: Der Laserpointer-Strahl, der von den virtuellen Controllern ausgeht, schaukelt bei schnellen Bewegungen hin und her. Ich habe nicht das Gefühl, ein stabiles Lichtschwert zu halten oder einen exakten Laser zu bedienen, wenngleich ich trotzdem meistens präzise steuern kann. Es bleibt ein leicht schwammiges Gefühl bei der Benutzung.
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Handtracking kann die Vive Focus 3 auch, allerdings nicht so gut wie die Quest 2. Während Scrollen und Auswählen von Apps gut funktioniert, benötigt die Geste für das Öffnen des Menüs explizite und langsam ausgeführte Wiederholungen – und auch das haut oft genug nicht hin.
Mit zusätzlichem Zubehör lässt sich das verbessern: Der Vive Wrist-Tracker kann hinzugekauft und am Handgelenk wie eine etwas zu große Smartwatch getragen werden. Dadurch erhöht sich die Genauigkeit des Lasers deutlich. Allerdings verbessert das Gadget das teils unsaubere Fingertracking der Kameras nicht. Der Wrist-Tracker hat meiner Meinung nach – abgesehen von der geringeren Größe – keinen signifikanten Vorteil gegenüber den VR-Controllern.
Eine andere Verwendungsmöglichkeit für den Wrist-Tracker ist die Nachverfolgung von Objekten.
Die VR-Controller der Vive Focus 3 sind eher pragmatisch, ergonomisch geformt sind sie jedenfalls nicht. Der Griff ist zu lang und die Controller liegen deshalb nicht so gut in der Hand. Das ist allerdings zu vernachlässigen, denn sie tun ihren Dienst absolut zuverlässig.
Vive Focus 3: Überzeugendes Wi-Fi-Streaming
Laut HTC braucht es nur ein hochwertiges USB-C-Kabel, um den eigenen PC anzuschließen. In meinem Test hat das leider nicht funktioniert, obwohl ich ein empfohlenes Kabel benutzte – das Headset wurde von der Vive-Streaming-Software nicht erkannt.
Abgesehen von der Audio-Verbindung, die ich partout nicht herstellen konnte, funktionierte das Wi-Fi-Streaming umso besser. Sauberes und qualitativ gutes Streaming ermöglichte etwa flüssiges Tischtennis in Eleven Table Tennis und einen fast völlig ruckelfreien Spaziergang durch City 17 in Half-Life: Alyx. Das hat mich positiv beeindruckt, obwohl Air Link hier auch noch einen Vorsprung hat: Im direkten Vergleich war das über Wi-Fi kommende Bild in der Quest 2 klarer und schärfer.
Allgemeine Nutzung und Tragekomfort
Die Vive Focus 3 ist schön schnell: Menüs und Apps sind ruckzuck geladen und einsatzbereit. Der Passthrough-Modus hat aber eine spürbare Latenz und die Spielfeldeinrichtung muss immer wieder neu vorgenommen werden – die Focus 3 ist etwas vergesslich. Ganz ordentlicher Sound kommt aus den Lautsprechern in der Kopfhalterung. Wer das nicht mag, schließt über Klinke richtige Kopfhörer an.
Der Tragekomfort ist erstaunlich gut, vor allem das Aufsetzen der Vive Focus 3 klappt reibungslos. Als Brillenträger passe ich ohne jedes Drücken und Ziehen unter das Headset und das Gesichtspolster aus Kunststoff liegt angenehm weich auf der Haut. Außerdem schließt das Headset perfekt jegliches Licht aus. Ein hörbarer, aktiver Ventilator bläst Luft ins Innere. Das kühlt, trocknet aber gegebenenfalls auch die Augen etwas schneller aus.
Obwohl die Befestigungsplatte am Hinterkopf wenig an die Physiognomie von handelsüblichen Hinterköpfen angepasst ist, sitzt das durch ein Drehrad justierbare Kopfband auch hinten sehr bequem, der guten Polsterung sei Dank. So lässt sich die Vive Focus 3 auch längere Zeit tragen, auch wenn der typische Anpressdruck im Gesicht nicht ausbleibt.
Vive Focus 3 Test-Fazit: B2B-Empfehlung – aber nur mit Disclaimer
Anders als die Vive Pro 2, die im Gesamtpaket einfach kein passendes Preis-Leistungs-Verhältnis mitbringt, hat mich die Vive Focus 3 wieder etwas gnädiger gegenüber HTC gestimmt. Das Tracking ist großartig, die Controller sind zuverlässig, der Tragekomfort ist gut und die VR-Brille ist schnell. Obendrein kann ich Anwendungen ganz ohne Konto-Log-in benutzen, ähnlich wie bei der Pico Neo 3 Pro. Für ein gutes B2B-Headset sollte das Pflicht sein (ja, ich schaue dich an, Meta).
Bis hierhin kann ich die Vive Focus 3 für Unternehmen empfehlen. Aber HTC ist inkonsequent, deshalb der Disclaimer für die Empfehlung: Die gilt nur, wenn ihr die Linsen-Display-Katastrophe ignoriert (was in weniger kontrastreichen Szenarien auch relativ gut geht). Bugs bei der Kabel- oder Audio-Verbindung können ärgern und auch im B2B-Bereich sollte ein Store willige App-Käufer nicht mit den Worten begrüßen: „Um den Kauf abzuschließen, setze bitte dein Headset ab und schließe den Kauf auf www.so-ein-unsinn.htc ab.“
Für Privatanwender:innen ist die Vive Focus 3 klar zu teuer, zumal dann eigentlich nur das Streaming von SteamVR oder Viveport interessant sein dürfte. Sollte HTC aber auf dieser Basis seine künftigen VR-Brillen weiterentwickeln, könnten sie vielleicht ein Comeback schaffen.
Die Business-VR-Brille Vive Focus 3 könnt ihr hier kaufen:
Art | Store | Preis |
---|---|---|
HTC Vive Focus 3 Business | Bestware | 1.399 € |
Datenblatt Vive Focus 3
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