Sex im Metaverse: Virtueller Spaß für alle?

Sex im Metaverse: Virtueller Spaß für alle?

Sex im Metaverse wird mit ziemlicher Sicherheit kommen. Die Nutzer:innen auch? Die Grundlagen sind mit der VR-Technologie bereits geschaffen. Aber wie anwendungsfreundlich und inklusiv sind Porno-Anwendungen?

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Grillen zirpen, ein heißer Sommertag neigt sich seinem Ende zu. Das goldene Abendlicht scheint über die Berge durch die Glasfront in meinen Bungalow. Das ist Luxus, das ist meine Fantasie, genauso, wie ich es haben will. Einige Meter entfernt von mir wartet der nackte Hottie bereitwillig auf meinen nächsten Befehl.

Ich winke ihn zu mir. Als ich an meinem Körper herunterblicke, sehe ich, etwas ungewohnt, einen Penis. Den habe ich vorher so ausgewählt. Mit dem rechten Hand-Controller drücke ich den Hottie auf die Knie. Anschließend weise ich ihn durch eine virtuelle Menü-Tafel in meiner linken Handfläche an, seinen Mund zu öffnen. Nach einigem Manövrieren platziere ich meinen Penis in seinem Mund.

Virtueller Sex: So viel Freiheit wie möglich

Ich mache diese Erfahrung im virtuellen Sex-Universum von VR HOT. Laut Markus Wörndle*, einem der beiden Gründer, rannten sie offene Türen ein, als sie ihre Idee im Mai 2019 erstmals im Early Access-Programm auf Steam vorstellten. Im März 2021 folgte der Launch; mittlerweile haben sie so viele Abonnements verkauft, dass die Anwendung profitabel sei, sagt Wörndle.

Ein Abonnement kostet rund 9 Euro pro Monat und ist etwa über die Plattformen Steam und Patreon erhältlich. Die Steam-Version für PC-VR-Brillen ist in Deutschland jedoch zensiert: Wer die Steam-Seite besucht, bekommt die Nachricht, dass „das Produkt in ihrem Land derzeit nicht zur Verfügung steht“. Über Patreon hingegen bekommt man via Sidequest Zugriff auf die Version für Quest 2 und Quest Pro.

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Basierend auf dem Feedback der Community von über 7.000 Discord- und Reddit-User:innen wird VR HOT kontinuierlich weiterentwickelt. Eine Mixed Reality-Version ist für Quest-Brillen verfügbar: Für ein realistischeres Erlebnis holen Nutzende ihre Wunsch-Partner:innen in die eigene physische Umgebung.

nackter männlicher und weiblicher Avatar in VR HOT

VR-Pornoanwendungen machen neue sexuelle Erfahrungen immersiv erlebbar. | Bild: MIXED / VR Hot

Wegen seiner vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten geht VR HOT über herkömmliche VR-Pornoanwendungen in 3D hinaus. Hier wird Sex nicht nur passiv, akustisch und visuell durch die VR-Brille, sondern auch interaktiv mit dem Gegenüber und am eigenen Körper erlebbar: Sexspielzeuge für Vulva und Penis lassen sich über die Bluetooth-Schnittstelle Buttplug mit dem virtuellen Sex-Erlebnis synchronisieren. So spüren Nutzer:innen die stimulierenden Szenarien ganz real.

Sex im Metaverse: Beim Vorspiel angekommen

Ursprünglich wollte Mitgründer Fabian Kahl* die VR-Anwendung für einen haptischen Ganzkörperanzug entwerfen – ähnlich dem 13.000 US-Dollar teuren Teslasuit. Doch schnell wurde dem KI-Entwickler klar, dass diese Technologie für die meisten Menschen derzeit unerschwinglich ist. Dass auch Kahls aktuelle VR-Pornoanwendung noch am Anfang steht, merke ich spätestens dann, wenn der „Hottie“ vom Bett fällt oder plötzlich an der Zimmerdecke klebt.

Bluetooth-Sex-Spielzeug

Die Buttplug-Schnittstelle ermöglicht die Verwendung zahlreicher Bluetooth-steuerbarer Sexspielzeuge – auch über große Distanzen. | Bild: Buttplug

Dennoch sind die Gestaltungsmöglichkeiten des eigenen Körpers sowie der Wunsch-Sexpartner:innen (die sogenannten „Hotties“) bemerkenswert: Auftreten und Aussehen lassen sich für Männer- und Frauenkörper etwa durch zwei Stimmen, dreißig Frisuren, Schminke, Kleidung, Körper- und Genitaliengröße bis zu Details wie der Ausrichtung der Brustwarzen auswählen. Für weibliche Hotties existieren wohlgemerkt deutlich mehr Optionen. Habe ich ein passendes Hottie erstellt, speichere ich es per Screenshot als Bild und teile die „Hottie-Card“ mit anderen Spielenden.

Unlängst wurden neue Zimmer in die Fantasiewelt eingefügt, berichtet Kahl, darunter ein BDSM-Zimmer mit unterschiedlichen Utensilien. Obwohl sie die Anwendung aufgrund des größeren Absatzmarktes zunächst für heterosexuelle Männer entwickelten, seien mittlerweile weitere Optionen hinzugekommen. Inzwischen sind neben männlichen, inter- und transsexuellen Hotties auch nicht-binäre Geschlechtsidentitäten bis zu einem gewissen Grad realisierbar. „Wir hatten von Anfang an im Blick, dass wir allen etwas anbieten müssen“, so Wörndle.

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Mit der Zielsetzung, den Nutzenden so viel Freiheit wie möglich zu lassen, kam die Entwicklung jedoch schnell an Grenzen. Dazu gehört etwa die technische Performance, weshalb ich nicht mit mehreren Hotties gleichzeitig spielen kann. Ein wesentlicher ethischer und juristischer Aspekt betrifft Kinderpornografie, die durch vordefinierten Körpereinstellungen unmöglich werden soll.

Und wie sieht es mit dem gegenseitigen Einverständnis aus, etwa wenn Gewalt eine Rolle spielt? „Wir denken, dass Konsens sich in der Reaktion des Hotties zeigt“, sagt einer der Gründer. „Das Hottie reagiert bspw. positiv auf einen Klaps auf den Po, ein Schlag ins Gesicht bleibt dagegen ganz ohne Reaktion. Menschen, die ihr Hottie gerne leiden sehen möchten, werden enttäuscht sein.“

Zielgruppe für VR-Sex-Spiele: Eindeutig männlich, hetero

Die virtuellen Sex-Räume, so die Vermutung der beiden Gründer, ermöglichen Erfahrungen in sicherer Umgebung, die im realen Leben nicht gewagt werden oder nicht möglich sind. Das können etwa Fetische, Fantasien oder andere sexuelle Vorlieben sein, die sie erst nach dem Ausprobieren in der virtuellen auch in der realen Welt ausleben – oder auch nicht.

Bei anderen überwiegen Experimentierfreude und Neugier – etwa die Erfahrung, wie es ist, in einem anderen Körper als dem eigenen zu sein. Menschen mit körperlichen Behinderungen könnten auf diese Weise möglicherweise erstmals erfahren, was Intimität und Sexualität im Wechselspiel mit einem Gegenüber bedeuten.

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männlicher Körper mit erigiertem Penis in VR aus der First-Person-Sicht

Es kann eine interessante Selbsterfahrung sein, einen anderen Körper zu haben als den realen. | Bild: MIXED / VR HOT

Wörndle und Kahl berichten auch von Wünschen einiger Nutzer jenseits von sexuellen Gelüsten – darunter etwa eine „Girlfriend Experience“, zum Beispiel beim gemeinsamen Brettspiel. Die beiden schließen daraus, dass auch Einsamkeit eine Motivation ist, die Anwendung zu gebrauchen.

Die Gründe, intime Erfahrungen in Virtual Reality erleben zu wollen, dürften vielseitiger Natur sein – und bedeuten nicht automatisch, im realen Leben keinen Sex zu haben. Fraglich ist, ob die Schattenseite derartiger Angebote mitsamt den realen Auswirkungen, wie sie bereits aus der Mainstream-Pornoindustrie bekannt sind, trotz des technisch fortschrittlichen Designs erhalten bleibt. Denn die Nutzerschaft ist – das zeigt das Feedback aus der Community – überwiegend männlich und hetero.

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„Kink ist näher am Gaming als Vanilla Sex“

VR HOT ist nicht der einzige Player für VR-Porno-Anwendungen auf dem Markt. Aus Frankreich stammt etwa die Anwendung ComeCloser, erhältlich für PC-VR und Quest, mit vereinfachten Designs und ähnlichen Preisen.

Das von Frauen gegründete Londoner Studio RD Land spezialisiert sich darauf, virtuelle Räume als Safe Spaces für Cybersex im Metaverse zu kreieren – in Kombination mit haptischen Westen, Handschuhen und Sexspielzeugen.

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RD Land beschreibt sich als XR-Plattform für progressive Unterhaltung und virtuelle Beziehungen, die insbesondere die Position von sonst unterrepräsentierten Communitys – etwa Sexarbeiter:innen – im Metaverse stärken will.

Shibari-inspirierte Ropeland-Welt von RD Land in VR

Die Shibari-inspirierte Ropeland-Welt von RD Land. | Bild: RD Land

Mit ähnlich innovativem Ansatz agiert die Sex-positive Firma Viro Playspace. Deren Marketing-Chefin Ela Darling* war selbst lange Pornodarstellerin und gilt als Pionierin für VR-Pornografie. Bei Viro Playspace vergnügen sich Nutzer:innen sogar mit Fantasiewesen wie blutsaugenden Vampiren und heiß-tobenden Drachen-Ladys, beim Wandern unter einem Wasserfall oder als Mann mit dem besten Kumpel beim Pornoschauen – alles mit eigens dafür entwickelten Bluetooth-Sexspielzeugen.

Einen dem Gaming näheren Zugang wählt die US-Firma Deviant Tech, die ihre BDSM-VR-Anwendung „Dominatrix Simulator“ im Herbst auf der Berliner SxTech-Konferenz vorstellte. Ähnlich dem Storytelling im Gaming hat das Entwickler-Paar eine eigene „Welt des Kink“ erschaffen: Spielende müssen sich den Launen und Gelüsten einer Domina unterwerfen, Strafen vermeiden und Belohnungen sammeln, um durch die fesselnde BDSM-Welt zu navigieren. Spielende dürfen dabei das eigene Geschlecht und gewünschte Ansprache frei wählen. Sieben unterschiedliche sadistische Avatare stehen im dreieinhalbstündigen Spiel zur Verfügung; weitere sind in Entwicklung.

VR-Sex: Next level porn?

An sich ist Sex im digitalen Raum kein neuer Trend. Pornografie-Technologien spielen sogar häufig eine größere Rolle bei der Entwicklung digitaler Innovationen: So gaben Internetnutzer:innen im Jahr 1999 rund 1,3 Milliarden US-Dollar für Pornoanwendungen aus – damals immerhin acht Prozent des gesamten Online-Handels, weitaus mehr als etwa der Anteil von Flugreisen oder Buchkäufen.

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Mistress Nega Yuki_ ein Avatar von Deviant Techs Dominatrix Simulator

Mistress Nega Yuki, ein Avatar von Deviant Techs Dominatrix Simulator. | Bild: Deviant Tech

Die digitale Adult-Industrie trug maßgeblich zur Entwicklung von E-Commerce-Angeboten und Sicherheitstools von Zahlungsdienstleistern bei. Außerdem trieb sie die Entwicklung von Technologien rund um Videochats voran. Doch so schnell, wie sie zugenommen hatte, so schnell nahm die Bedeutung der Pornografie-Angebote im Internet auch wieder ab: Im Jahr 2006 machten sie mit 2,8 Milliarden US-Dollar nur noch etwas über ein Prozent des gesamten Online-Kuchens aus.

Ein ähnlicher Trend, aber in deutlich kleinerem Maßstab, ließ sich zum Start der kommerziellen VR-Brillen im Sommer 2016 ablesen: So nahm das Streaming-Aufkommen von VR-Pornofilmen auf PornHub innerhalb kürzester Zeit um 275 Prozent zu. Damals handelte es sich noch um Online-Pornofilme, die mittels VR-Brille in 180 oder 360 Grad immersiver erlebbar wurden. Zum Durchbruch in eine breite Masse von Konsumentinnen und Konsumenten verhalf das Virtual Reality aber auch nicht.

Interaktive VR-Anwendungen stellen den nächsten Schritt der Entwicklung dar. Nutzer:innen sind selbst Teil der Szene, können darin gleichzeitig aktiv sein und stimuliert werden. Die Bandbreite der Formen, die Sexualität, Intimität und Beziehungen in einem wie auch immer gearteten Metaverse künftig annehmen können, sind beim aktuellen Stand der Technik schon teilweise erlebbar. Aber es wird noch lange dauern, bis es zu einem „Spaß für alle“ mit maximalen Freiheiten wird.

Auf dem Weg dahin müssen auch soziale und ethische Fragen erörtert werden, etwa Sicherheit, Verhinderung von Missbrauch, Jugendschutz und vieles mehr. Entscheidenden Anteil an der aufkommenden Technologie haben ihre heutigen Gestalter:innen. Offen bleibt, ob Sex im Metaverse in der Breite ankommt und von mehr als der typischen Zielgruppe, männlich und hetero, genutzt wird – und wie.

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*bei den Namen handelt es sich um Pseudonyme

Quellen: Sociable, The Atlantic, Business Insider