Pimax Crystal im Test: Ein Schritt in die richtige Richtung, aber ...
Pimax Crystal will sowohl einen neuen Standard für PC-VR setzen, als auch die Vorteile eines Standalone-VR-Headsets mitbringen. Kann das funktionieren?
Die VR-Brillen von Pimax finanzieren sich unter anderem über Crowdfunding und lieferten lange Zeit besondere Alleinstellungsmerkmale, etwa das enorme Sichtfeld von bis zu 200 Grad oder besonders hohe Auflösung. Die Qualität der Komponenten war jedoch oft durchwachsen, das Monster-Sichtfeld brachte Verzerrungen ins Bild und diverse Versprechungen wurden gestrichen oder nur mit großen Verzögerungen veröffentlicht.
Pimax hat nun die Pimax Crystal auf den Markt gebracht und seit kurzer Zeit ist sie offiziell „Feature Complete“. Im Test kläre ich, was ihr erwarten könnt und was nicht.
Inhalt
Pimax Crystal Test in aller Kürze
Für PC-VR-Enthusiast:innen ist die Pimax Crystal eine tolle Sache, primär was das superscharfe, klare Bild angeht. Insbesondere Simulations-Spieler:innen können von dem ausnehmend guten Bild der Linsen und der hohen Auflösung profitieren.
Allerdings ist regelmäßige Bastelei Teil des Deals: Ständig müsst ihr Einstellungen wiederholen, Workarounds für Bugs finden, auf Updates warten, Kabel rein- und rausstecken, oder sogar auf teures Hardware-Zubehör ausweichen, etwa die Faceplate für Lighthouse-Tracking. Meine funktioniert übrigens bisher nicht.
Der Standalone-Modus der Pimax Crystal ist hingegen einfach nur Ballast. Eine Handvoll Billigspiele im Pimax-Store holt niemanden hinter dem Ofen hervor, denn keiner kauft sich eine teure Crystal, um Mobile-VR zu spielen. Dafür gibt es so viel bessere Alternativen, etwa die Quest 3 - die zudem auch noch einwandfreies PC-VR darstellen kann.
Für diesen sinnlosen Modus wurde in die Pimax Crystal eine Batterielösung eingebaut, die auch den PC-VR-Modus betrifft: Ohne Batterie geht gar nichts und ihr müsste nach zweieinhalb Stunden wechseln oder aufladen.
Die Crystal ist nicht zuletzt dadurch viel zu schwer und unkomfortabel. Ich finde, sie ist nur im Sitzen und mit Nackenstütze für Simulationen gut zu gebrauchen. Wer hingegen eine Allzweck-VR-Brille sucht, wird bei diesem Preis-Leistungs-Verhältnis nicht glücklich.
Pimax Crystal ist für euch geeignet, wenn ihr …
- hervorragend scharfes und klares Bild wollt,
- vornehmlich Simulationen am PC spielt,
- einen starken PC besitzt und
- kein Problem mit ständiger Hard- und Software-Bastelei habt.
Pimax Crystal ist für euch weniger geeignet, wenn ihr …
- eine bequeme und leichte VR-Brille wollt,
- gutes Standalone-VR spielen möchtet,
- unkomplizierte und stabile Funktionsweise erwartet und
- eine günstige VR-Brille benötigt.
Pimax Crystal: Installation und Konfiguration
Es bleibt dabei: Der Konfigurationskrieg mit Kabeln und mindestens zwei verschiedenen Softwares auf dem PC ist mindestens anstrengend und erfordert mindestens für die Ersteinrichtung eine Menge Zeit und Geduld. Das ist auch bei der Crystal der Fall: Von der VR-Brille führt ein DisplayPort-Kabel zur Grafikkarte, darüber hinaus noch zwei USB-Kabel angeschlossen werden.
Da sich Pimax aus mir unerfindlichen Gründen dazu entschlossen hat, einen Standalone-Modus ins Headset zu integrieren, muss ich eine aufgeladene Batterie hinten ins Schubfach an der Hinterkopfhalterung stecken. Die Batterie wird über ein externes Ladedock aufgeladen, ich kann nicht einfach ein USB-C-Kabel anschließen. Auch wenn ich die Crystal nur für PC-VR benutze: Ist die Batterie nach etwa zweieinhalb Stunden leer, muss ich das Headset abnehmen und die leere Batterie mittels Hot-Swap-Funktion gegen eine aufgeladene Batterie austauschen. Der Einrastmechanismus für die Batterie, sowohl am Headset als auch am Ladedock, ist dabei so schwergängig, dass es in den Fingern schmerzt, wenn ich die Batterie wechseln möchte.
Dann installiere ich den Pimax Client auf dem PC und schalte die VR-Brille ein. Sie wird mittlerweile in fast allen Fällen von der Software erkannt. Falls nicht, hilft das Ein- und Ausstecken der Kabel am PC.
Der Pimax Client beinhaltet eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für die Installation, darunter die Raum-Einrichtung. Außerdem kann ich viele kleinteilige Einstellungen vornehmen, etwa meinen Augenabstand manuell eingeben. Ein Motor im Headset verschiebt die Linsen automatisch. Ich kann das auch über Eye-Tracking erledigen lassen, was aber nicht immer funktioniert. Das Eye-Tracking erlaubt Foveated Rendering, also die höhere Auflösung im Fokusbereich der Augen und Ressourceneinsparung im peripheren Sichtfeld. Das kann für schwächere PC-Systeme ein Vorteil sein, wie mein Kollege Alan beschreibt.
Aus dem Pimax-Client heraus starte ich direkt SteamVR – was notwendig ist, denn es gibt weiterhin kein Software-Menü innerhalb der VR-Brille. Alle Einstellungen oder auch ein simpler Neustart müssen über den Desktop-Client vorgenommen werden. Ich muss jedes Mal das Headset absetzen, am PC die Einstellungen vornehmen und es wieder aufsetzen.
Zusätzlich zwingt mich der Client derzeit jedes Mal beim Start dazu, meinen Raum neu einzustellen. Das wird hoffentlich bald mit einem Update behoben.
Auflösung, Sichtfeld, Bildklarheit
Die Pimax Crystal bringt QLED-Displays mit MiniLED-Backlight sowie eine Auflösung von 2.880 mal 2.880 Bildpunkten mit und liegt damit knapp über der Varjo Aero. Die Bildwiederholrate beträgt bis zu 120 Hertz (160 Hz im Test-Modus) und die asphärischen Linsen sind austauschbar. Mein Testgerät beinhaltet Linsen mit 35 PPD (Pixel per Degree; zum Vergleich: Varjo Aero bietet standardmäßig 27 PPD).
Im Vergleich zu früheren VR-Brillen von Pimax gefällt mir das Bild der Pimax Crystal deutlich besser, auch wenn das Sichtfeld kleiner ist. Offiziell wird es mit 125 Grad (horizontal) angegeben. Die große Stärke der Pimax Crystal ist allerdings das klare Bild, das dem Namen der VR-Brille wirklich alle Ehre macht.
Das Bild ist sehr scharf, klar und bleibt es auch bis zu den Rändern. Es gibt keine Verzerrungen, die Schwarzwerte sind hervorragend, God-Rays gibt es nicht und selten sehe ich minimales Glare (der Strahlenkranz um helle Objekte, etwa weiße Schrift auf dunklem Hintergrund). Auch sehe ich keinerlei interne Reflexionen.
Um das beste Bild zu erreichen, muss allerdings auch der PC mithalten können. Pimax empfiehlt eine RTX 3080 oder besser für die beste Erfahrung mit der VR-Brille. Das kann ich bestätigen: Mit einer RTX 3080 kann ich das scharfe Bild bei guter Performance genießen.
Pimax Crystal: (Inside-Out-)Tracking
Pimax Crystal verwendet für die Nachverfolgung des Headsets und der Pimax-Controller Inside-Out-Tracking. Das Headset-Tracking ist einwandfrei, die VR-Controller leiden jedoch unter einer leichten, aber wahrnehmbaren Latenz. Insgesamt kommt die Inside-Out-Tracking-Qualität der VR-Controller bis jetzt nicht an die der Quest 2 oder Quest 3 heran.
Als Alternative zum Inside-Out-Tracking bietet Pimax eine sogenannte „Lighthouse-Faceplate“ als Zubehör an. Für zusätzliche 179 Euro soll sie in Verbindung mit SteamVR-tauglichen VR-Controllern (etwa Valve Index Controller, die ggf. auch hinzugekauft werden müssen) das präzise Tracking über die SteamVR-Basisstationen ermöglichen. Ich schreibe absichtlich „soll“, denn die Faceplate wurde in meinem Test nicht von der Software erkannt. Ersatz wird mir zugeschickt und ich werde den Test aktualisieren, sobald es funktioniert.
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Komfort und eine Warnung für Brillenträger:innen
Pimax Crystal ist nicht mehr so breit wie die früheren Pimax-Brillen, aber trotzdem wuchtig. Das Gewicht beträgt mit dem austauschbaren Akku am Hinterkopf satte 1.150 Gramm, was sich nach einiger Tragezeit in der Nackenmuskulatur bemerkbar macht. Gesichtspolster und die Kopfhalterung am Hinterkopf sind für meine Kopfform (ebenso wie bei Pico 4 oder Vive XR Elite) vollkommen ungeeignet.
Die fast ungepolsterte Platte am Hinterkopf kann nur durch ordentlichen Anpressdruck an Ort und Stelle gehalten werden. Sie passt sich nicht an den Hinterkopf an, wie es etwa der Elite Strap für die Quest 2 und die Quest 3 tun.
Meine Brille passt zwar in die VR-Brille, die Gläser liegen aber auf den Linsen auf, wenn ich nicht sehr aufpasse. Mein erstes Linsen-Set habe ich bereits komplett verkratzt und auch meine Brille wurde in Mitleidenschaft gezogen. Immerhin hat auch Pimax das Problem erkannt und arbeitet an einem Gesichtspolster, das mehr Abstand erlaubt. Trotzdem muss ich hier klar sagen: Für Brillenträger:innen ist die Pimax Crystal ungeeignet.
Das Standard-Gesichtspolster ist zu dünn und schließt rechts und links nicht sauber ab, was Licht einlässt. Eine zweite Gesichtspolster-Variante, die ich testen konnte, ist ebenfalls viel zu dünn, hat aber eine höhere Stirnauflagefläche, was das Gewicht des Headsets etwas besser verteilt.
Die Pimax Crystal macht insgesamt einen robusteren und hochwertigeren Eindruck als die bisherigen Pimax-Headsets, die sich immer wie billige Plastikkartons anfühlten. Leider trifft das nicht auf die Controller alles andere als hochwertig: Sie sind aus billigem Plastik und hätten ohne die eingebaute Batterie so gut wie gar kein Gewicht. Jeglicher Haptik-Wiederstand bei Trigger- und Griff-Taste fehlt, was das Spielgefühl beeinträchtigt.
Pimax Crystal: Standalone-Modus
Ich habe selten etwas so Sinnloses getestet, wie den Standalone-Modus der Pimax Crystal. Das Beste daran ist noch der Umschalter zwischen PC-VR und AIO (All-In-One), der tadellos funktioniert. Die Einstellung der Bodenhöhe und des Spielbereichs ist nicht gut gelöst, gerade die Bodenhöhe bekomme ich nicht auf die tatsächliche Bodenhöhe eingestellt. Das ist schon merkwürdig, schließlich funktioniert das bei der Konfiguration über den PC-VR-Client deutlich besser.
Danach lädt die Pimax-Home-Umgebung mit dem Menü (ich erinnere hier noch einmal daran, dass es für PC-VR, die Kernstärke der Pimax-Headsets, bislang kein Menü gibt). Ich muss mein Wi-Fi-Passwort eingeben (App-Unterstützung gibt es nicht) und kann dann aus einer Handvoll VR-Apps im Store wählen.
Keine davon ist es wert, mit der schweren Crystal auf dem Kopf gespielt zu werden. Der XR2-Chip tut, was er eben kann, aber wer die Crystal kauft, der will gerade das scharfe Bild in Verbindung mit PC-VR-Apps. Die Grafik der Standalone-Apps kann hier nichts beisteuern und über die inhaltliche Qualität möchte ich hier wirklich nicht sprechen. Die App-Bibliothek wird absolut niemanden begeistern und ich sehe nicht, dass viele Entwicklerstudios ohne Subvention durch Pimax ihre Apps in den Pimax-Store portieren.
Pimax hat versucht, eine eierlegende Wollmilchsau zu schaffen und ist an dieser Stelle aus meiner Sicht mit Ansage und krachend gescheitert. Die Pimax Crystal hat vollkommen unnötige Hardware für einen Modus verbaut, den – ich lehne mich hier gar nicht weit aus dem Fenster – niemand nutzt. Auch die Zeit und das Geld für die teilweise weit hinter dem Industriestandard zurückbleibende Standalone-Software hätte Pimax besser in PC-VR gesteckt, denn hier liegt ihr eigentlicher Fokus.
VR-Spiele, SteamVR-Tracking und Sound
Ich habe abseits des Standalone-Modus die üblichen VR-Spiele ausprobiert, etwa Half-Life: Alyx, Eleven Table Tennis, Project Cars 2 und Wanderer. Die leicht schwammigen VR-Controller fallen auf, sind jedoch nicht völlig unpräzise. Am besten funktioniert die Pimax Crystal in Cockpit-Spielen: Fahre ich Rennen in Project Cars 2, dann spielt das scharfe Bild seine Stärken voll aus.
Der Sound aus den Over-Ear-Kopfhörern (ähnlich denen der Valve Index) ist in Ordnung. Die Ohrhörer lassen sich aber nur in der Höhe verstellen, nicht näher an die Ohren bringen. Sie schweben so mehrere Zentimeter neben dem Kopf, was das Audio-Erlebnis nicht ausreichend unterstützt, wenn man sich voll auf eine VR-Erfahrung einlassen will. Die Over-Ears können aber abgeschraubt werden und ihr könnt stattdessen Kopfhörer über Klinke verwenden.
Pimax Crystal Test-Fazit: Der Weitsprung-Versuch mit Eisenkugel
Die Pimax Crystal ist für PC-VR ein klarer Fortschritt. Das Bild ist superscharf und eignet sich damit perfekt für Simulationen, etwa Project Cars 2 oder Microsoft Flight Simulator. Foveated Rendering kann dabei sogar die Systemanforderungen für euren PC senken, ohne dass ihr auf Bildqualität verzichten müsst.
Trotzdem müsst ihr viel basteln und einstellen, bis das Erlebnis gut wird. Ihr benötigt auch teures Zubehör, um von präzisem SteamVR-Tracking zu profitieren – wenn es denn funktioniert.
Das ist auch Teil des Pimax-Deals: Vieles wirkt immer auch etwas experimentell und so treten oft Bugs auf. Heute funktioniert noch alles tadellos, morgen wird die VR-Brille plötzlich nicht mehr erkannt, der Raum muss neu eingestellt werden, in VR versinkt ihr erst mal im Boden, dann ist euer Augenabstand plötzlich verstellt und es gibt einen Konflikt mit SteamVR – das gewünschte Spiel lädt nicht.
Diese Probleme lassen sich zwar beheben, mit Neustarts und Neu-Konfiguration – aber das müsst ihr immer wieder tun. Wenn ihr die Zeit und Geduld dafür habt, dann könnt ihr beeindruckend klare Grafik genießen. Ich kann die Pimax Crystal aufgrund ihres Gewichts trotzdem nur für VR im Sitzen und im besten Fall mit Nackenstütze empfehlen. Außerdem müsst ihr überlegen, ob euch das tolle Bild bei all den Nachteilen satte 1.500 Euro wert ist.
Pimax hat zwar mit dem hochwertigeren Headset und dem klaren Bild einen großen Schritt in die richtige Richtung getan, der ist aber durch den völlig sinnlosen Standalone-Modus viel kleiner ausgefallen, als möglich gewesen wäre. Pimax hat hier versucht, mit einer Eisenkugel am Bein einen Weitsprung hinzulegen – das kann nicht funktionieren.
Ich hoffe, dass sich Pimax künftig wieder mehr auf die eigentlichen Stärken konzentriert. Die tollen Linsen und Displays weiter verbessern, das Headset bequemer machen und an einer Erweiterung des Sichtfelds arbeiten: Dann könnte der nächste Weitsprung vollständig gelingen.
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