Hitman 3 VR Test: Es hätte so schön sein können …
31.01.2022
Zu Hitman 3 für PC-VR gibt es fast nichts zu sagen. Nur das hier.
Endlich spiele ich nicht nur Agent 47: Ich bin Agent 47. Hitman 3 auf der PSVR hat große Stärken – aber auch signifikante Schwächen.
PlayStation VR ist so ein bisschen das ungeliebte Stiefkind von Sony. Diesen Eindruck bekommt man beim Rückblick auf die letzten beiden Jahre. Kaum große VR-Titel für die PlayStation 4 und auf der PlayStation 5 läuft die PSVR nur mit Kamera-Adapter und wenn es das Spiel rückwärtskompatibel als PS4-Version gibt.
Da war es schon eine Überraschung, als IO Interactive nicht nur Hitman 3 für PSVR (Infos) ankündigte, sondern auch noch Hitman 1 und 2 mit voller Virtual Reality-Unterstützung versah. Ich habe die Hitman-Sammlung auf der PlayStation 5 in VR gespielt. Killer-Spiel für VR oder nur eine lieblose Portierung?
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Agent 47 wie er leibt und lebt
Das Grundprinzip der Hitman-Spiele ist bekannt: Agent 47 bekommt den Auftrag, eine Zielperson zu eliminieren. Als waschechter Killer sollte er dabei nicht nur nicht auffliegen: Am Besten sieht das plötzliche Ableben des Opfers wie ein Unfall aus und es werden keine Fragen gestellt.
Hitman 3 macht nichts anders als die Vorgänger, es gibt keine Neuinterpretation des Gameplays oder neue Features. Das braucht es aber auch nicht – schließlich ist die Hitman-Formel bewährt und hat treue Fans.
Neu ist aber, dass ich jetzt viel mehr zu Agent 47 werden kann als bisher. In VR bin ich mitten im Level, sehe den ikonischen roten Schlips, wenn ich an mir herunter blicke und kann eindrucksvoll mit der schallgedämpften Pistole wedeln. Der Wow-Effekt ist auch für einen VR-Veteranen vorhanden und die hervorragenden Levels, Objektmodelle und NPCs sorgen für eine glaubhafte Szenerie.
Mein virtueller Atem im Nacken des Opfers
IO Interactive hat – wie schon erwähnt – nichts an der Hitman-Formel geändert. Ich finde fast alles so vor, wie ich es aus der Monitor-Version kenne. Gift, Waffen, Verkleidungen, Verstecke – alles da. Nur mit dem Unterschied, dass ich jetzt direkter Beobachter bin und die Laufwege und Verhaltensweisen meines Ziels sowie anderer, beteiligter und unbeteiligter NPCs auf Augenhöhe nachvollziehen muss.
Die Instinkt-Ansicht zeigt mir zwar das Ziel und Personen an, die mich entlarven können, aber nicht mehr. Ich erkunde also all die altbekannten und neuen Level von neuem, luge vorsichtig um Ecken, knacke mit dem Dietrich Türen oder kippe ungesunde Zutaten ins Essen. Auch das lautlose Ausschalten von Gegnern ist deutlich spannender, denn jetzt muss ich selbst ganz nah ran – so nah, dass ich mich frage, ob das Opfer nicht vielleicht doch meinen Atem im Nacken spürt.
Hervorragende Kulisse
Die Umgebungen sind einfach großartig gelungen und sehen auch unter dem in die Tage gekommenen PSVR-Headset richtig gut aus. Von der einfachen Trainingsanlage über hochherrschaftliche Villen-Innenräume bis hin zu Stadtabschnitten: Die Welt ist detailliert und scharf dargestellt, soweit es die Headset-Auflösung eben zulässt.
Die NPCs wirken im Rahmen der Möglichkeiten noch realistischer, weil keine räumliche Distanz mehr besteht.
IO Interactive hat eine überzeugende und teilweise beeindruckende VR-Welt geschaffen, in der schon allein das Erkunden Spaß macht. Aber das ist nur die halbe Miete. Wie steht's mit VR-Performance und VR-Bedienung?
Bessere Darstellung auf PlayStation 5 mit Pferdefuß PSVR
Die gute Nachricht: PlayStation-VR-Spiele laufen auf PS5 dank der höheren Maschinenpower deutlich schneller und besser, als auf der alten PS4-Konsole. Während beispielsweise das „hereinploppen“ von Personen in Hitman 3 VR auf der PS4 signifikant ist, fällt das auf der PlayStation 5 kaum noch auf. Das ist angesichts des deutlichen Leistungsunterschieds beider Konsolen aber kaum eine Überraschung.
Der undankbare Teil für die talentierten Hitman-Macher ist die VR-Brille: Die Entwickler mussten für völlig veraltete Hardware programmieren. Die PlayStation VR ist nicht gut gealtert, betrachtet man den doch recht rasanten Fortschritt bei VR-Brillen (Vergleich) in den letzten beiden Jahren. Das Fliegengitter ist zudem gerade in hellen Umgebungen deutlich sichtbar. Oculus Quest 2 (Test) und natürlich HP Reverb G2 (Test) haben da ganz neue Maßstäbe für Bildschärfe und -Klarheit gesetzt.
Immerhin war IO Interactive so clever, die PlayStation Move-Prügel nicht zu reanimieren – die Dinger eignen sich mittlerweile deutlich besser als Wurfgeschoss, denn als VR-Controller. Hitman 3 spiele ich also mit DualShock 4-Controller, der sich ganz bequem auch an die PS5 anschließen lässt. Achtung: Der PS5-DualSense-Controller kann nicht verwendet werden, da ihm die Lichtleiste fürs optische Tracking fehlt.
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Eingeschränkte VR-Bewegung
Mit dem DualShock bewege ich mich per Analogstick durch die Hitman-Levels. VR-Komfortoptionen wie Snap-Turning oder „Scheuklappen“-Sicht bieten auch empfindlichen Mägen die richtigen Einstellungen für ein beschwerdefreies Spiel. Generell kann ich die meisten Interaktionen über Tasten ausführen. Gleichwohl sind auch diverse Bewegungsmuster für VR vorgesehen: So kann ich mit dem Controller (im Spiel werden natürlich meine Hitman-Hände angezeigt) in Richtung Nacken eines vor mir stehenden Ziels zeigen, es packen und erwürgen. Ich kann ihm auch die gespannte Klavierseite über den Kopf führen und damit erdrosseln. Oder ich ziehe ihm mit beherztem Schwung die Faust oder eine Waffe über den Hinterkopf.
Diese Attacken haben allerdings immer feste Triggerpunkte und werden dann teilweise automatisch ausgeführt. Variationen – etwa stechen oder ein Leberhaken – sind nicht vorgesehen. In den wenigen Situationen, in denen ich zu einer Schusswaffe greife, ziele ich über Kimme und Korn, indem ich den Controller wie eine Waffe halte. Das ist zwar nicht richtig intuitiv, funktioniert aber immerhin so gut, dass ich mit der schallgedämpften Pistole Köpfe exakt belüften kann.
PSVR-Tracking hält solide DualShock-Bedienung zurück
Das schlechte Lichttracking macht mir immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Bewege ich den Controller nur etwas zu weit nach rechts oder links, sieht die Kamera den Lichtstreifen nicht mehr und die Interaktion setzt aus.
Außerdem stehe ich oft hinter einem Opfer, dass ich lautlos umlegen will und erwische die Position nicht, an der die Animation auslöst. Stattdessen tippe ich dem Typen auf die Schulter und habe – wenn ich zu lange warte – gleich mal die gesamte Level-Security am Hals. Oft hilft da nur ein beherzter Schwinger mit der Faust, was eine unbefriedigende Notlösung darstellt, schließlich hatte ich das anders geplant.
Davon abgesehen funktioniert die Bedienung per DualShock 4 ganz gut – die meisten Dinge lassen sich halt auch per Knopfdruck erledigen. Vielleicht wäre die reine Standardbedienung über die Controller-Tasten besser gewesen?
Insbesondere wer die natürliche Bewegungsfreiheit in Half-Life: Alyx (Test) zu schätzen gelernt hat, wird schnell an den Punkt kommen, Hitman 3 doch lieber wieder am Monitor zu spielen, um Kabelchaos und Steuerungs-Kompromisse zu umgehen.
Ich spoilere mal den ersten großen Fluchtimpuls für VR-Veteranen: Wer das VR-Tutorial spielt, soll irgendwann mit einem Scharfschützengewehr drei Ziele ausschalten. Im Zielmodus wechselt das Bild in einen unscharfen 2D-Cutscene-Modus, anstatt durchs Zielfernrohr zu zoomen, wie es Onward und Co. schon lange können.
Test-Fazit zu Hitman VR: Und wieder reden wir nur über Potenzial
Ich persönlich halte die Beschränkung der VR-Version von Hitman 3 auf die PSVR für einen strategischen Fehler – zumindest aus der Sicht des Enthusiasten, der überzeugende VR-Spiele (Releases) als Notwendigkeit für weiteres VR-Wachstum sieht. Wahrscheinlich hat das finanzielle Gründe, vielleicht hat Sony hier Geld locker gemacht, damit die PSVR wenigstens als Untote durch 2021 wanken darf.
Hitman 3 hätte hingegen das Zeug zum VR-Superhit auf dem PC, mit sauberer Bewegungssteuerung etwa für Oculus Touch oder Valve Index Controller. Die Entwickler haben immerhin schon ein Maximum aus den Möglichkeiten der PSVR herausgeholt – da wäre es meiner Meinung nach kein allzu großer Schritt mehr zu manuellem Nachladen, verbessertem Waffen-Handling und bewegungscontrollergesteuertem Vergiften von Drinks. Wie gesagt, die Grundlagen sind da und sie sind gut – nur die suboptimale PSVR-Hardware gibt einfach nichts mehr her.
Das ist sehr schade, denn die Kulisse überzeugt auf ganzer Linie. In manchen Momenten fühle ich mich wirklich wie Agent 47, der sein Ziel mit der Geduld eines Profikillers beobachtet und dabei den Plan schmiedet, wie er das Opfer um die Ecke bringt. Gerade diese Ruhe, diese Heimlichkeit – das eignet sich perfekt für Virtual Reality.
Wenn ich aber zum xten Mal versuche, die Klaviersaite irgendwie über den Kopf meines Opfers zu bekommen und das wiederholt an Tracking- und Steuerungsungenauigkeiten scheitert, ziehe ich doch wieder Fernseher bzw. Monitor vor. Trotz VR-Wow-Effekt reden wir auch hier am Ende wieder nur vom Potenzial von Virtual Reality.
Trotzdem freue ich mich unter dem Strich, dass eine beliebte Spieleserie den Sprung in VR geschafft hat – auch wenn die Portierung bei weitem nicht perfekt ist. Virtual Reality braucht dringend Inhalte und wer sich mit den Nachteilen der PSVR-Technik abfinden kann, der bekommt ein langes VR-Spiel mit diversen Höhepunkten.
Ihr solltet Hitman 3 in VR spielen, wenn ...
- ihr euch mal richtig wie Agent 47 fühlen wollt,
- die gelungenen alten und neuen Levels der Hitman-Spiele 1 bis 3 besuchen wollt,
- die hervorragenden Kulissen mittendrin erleben möchtet und
- über die technischen Unzulänglichkeiten der PSVR hinwegsehen könnt.
Ihr solltet Hitman 3 nicht in VR spielen, wenn ...
- ihr eine ausgefeilte VR-Steuerung wie in Half-Life: Alyx oder Boneworks (Test) erwartet
- ihr auf Performance-bedingtes Aufploppen von Objekten im Sichtfeld (hier vor allem auf PS4) verzichten wollt und
- euch das Tracking der PSVR so aggressiv macht, dass Missionen in einem wilden Feuergefecht enden.
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