Das transhumanistische Paradoxon: Wie VR und AR die Menschheit spalten könnten

Das transhumanistische Paradoxon: Wie VR und AR die Menschheit spalten könnten

Das Konzept des Transhumanismus beschreibt ein Szenario, in dem Menschen Technologie verwenden, um die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten zu erweitern. Das schafft neue Freiheiten - aber nur für jene Menschen, die dazu bereit sind, die Technologie zu nutzen.

Ein offensichtliches Anwendungsszenario ist die Augmentierung des menschlichen Körpers. Damit ist nicht allein die Brille gemeint, die digitale Informationen ins Sichtfeld des Trägers einblendet. Ganze Körperteile könnten durch Maschinen ersetzt und so leistungsfähiger gemacht werden.

Diese Form der Augmentierung würde viele gesellschaftliche und soziale Regeln verändern, die darauf beruhen, dass Menschen prinzipiell eine ähnliche Wahrnehmung und vergleichbare körperliche Fähigkeiten haben.

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Wenn Menschen beispielsweise aus dem Stand 50 Meter hochspringen könnten, bräuchten wir keine Treppen mehr. Und wenn sie 150 km/h schnell rennen, sind Autos und Züge überflüssig.

Ein weiteres Konzept des Transhumanismus stützt sich auf die Virtual Reality. Die virtuellen Umgebungen sollen für die Menschheit interessanter werden als die analoge Realität. Im Gegensatz zur realen Welt ist die digitale Virtualität beliebig formbar.

Oder wie Oculus' Technikchef Michael Abrash es ausdrückt: "Wir werden mit Augmented Virtual Reality über jeden Pixel Kontrolle haben. Die Realität wird vollständig modifizierbar."

Um diese Ziele zu erreichen, beschreiben Transhumanisten die Notwendigkeit einer Superintelligenz, die zuvor kreiert werden muss. Klüger als jeder Mensch unterstützt sie dabei, die Technologien für die Augmentierung zu entwickeln oder glaubhafte virtuelle Welten zu erschaffen.

Diese Superintelligenz dient - wenn man so will - als eine Art Gottesersatz mit unbegrenzten Möglichkeiten, Welten zu formen. Das Problem dabei: So eine Superintelligenz bräuchte enorme Mengen Energie. Daher nehmen Transhumanisten an, dass die Menschheit Teile der Galaxie kolonialisiert, um diese Energiereserven anzuzapfen.

Transhumanismus-Paradoxon: Aus Freiheit wird Zwang

Transhumanisten hoffen, dass diese technologischen Entwicklungen der Menschheit eine nie dagewesene Freiheit schenken, die eigene Existenz samt Umgebung zu gestalten.

An dieser Stelle greift das Paradoxon, das der Politikwissenschaftler Xavier Flory in seinem Talk auf dem Chaos Communication Congress beschreibt, Deutschlands wichtigstem Treffen für Hacker, Tech- und Computernerds.

Seine These lautet: Die neuen Freiheiten, die sich Menschen aufgrund von Technologien bieten, formen zwangsweise auch die Lebenswirklichkeit jener Menschen, die sich diesen Technologien verweigern.

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[blockquote]Transhumanismus muss eine kollektive Entscheidung sein[/blockquote]

Im Klartext bedeutet das: Wer nicht mitzieht, bleibt zurück. Regierungen könnten zwar regulierend eingreifen, jedoch würde auch dieser Eingriff eine Einschränkung von Freiheitsrechten bedeuten. Für eine liberale Demokratie ist das ein grundlegender Zielkonflikt, der nicht ohne weiteres zu lösen ist und der auf eine Eskalation hinsteuert.

"Wenn die Menschheit sich dazu entscheidet, in Virtual Reality zu leben, dann ist es egal, ob wir unseren Planeten für die Energiegewinnung kolonialisieren - aber einige kümmert es vielleicht", sagt Flory. Daher müsse der Transhumanismus eine kollektive Entscheidung sein.

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Für die von Flory beschriebene gesellschaftliche Spaltung durch die zunehmende Technologisierung muss man nicht in die Zukunft blicken. Die ersten Ansätze eines solchen Konflikts zeigen sich bereits und werden im Kontext der Digitalisierung und der digitalen Lücke diskutiert.

Als Beispiel: Ein Teil der öffentlichen Debatte verlagert sich auf Social-Media-Plattformen wie Facebook. Wer sich diesen Plattformen verweigert oder sie nicht bedienen kann, ist aus der Debatte ausgeschlossen. Umgekehrt hat der Plattformbetreiber Möglichkeiten, auf das öffentliche Meinungsbild einzuwirken, die nur schwer nachvollziehbar sind.

Flory bezeichnet Technologie schon jetzt als Eintrittskarte für das Leben in einer modernen Gesellschaft. Diese Aussage ergibt Sinn: Das Smartphone dient als Augmentierung unserer intellektuellen Leistungsfähigkeit und unserer Wahrnehmung. Allein die technische Integration dieser Möglichkeiten in unseren Alltag ist noch unausgereift.

Nach Flory sind die Fragen, mit denen wir uns beschäftigen sollten, grundlegender Natur. In der Zukunft, so Flory, müsse sich die Menschheit - Regierungen, Unternehmen, Bürger - darüber einig werden, wie ein Mensch sein sollte.

Diese Entscheidungen müssten getroffen werden, bevor bestimmte Technologien erfunden würden oder gar auf dem Markt verfügbar seien. Die Regulierung im Nachhinein sei deutlich komplexer.

Der Wissenschaftler bezweifelt, dass unsere Gesellschaft das Ausmaß und die Notwendigkeit einer kontroversen Debatte zum Transhumanismus begriffen hat. Er befürchtet im Umkehrschluss, dass die Zukunft der Menschheit in den Händen einzelner Konzerne wie Google und Facebook oder staatlicher Institutionen wie dem US-Militär liegt. Diese würden derzeit am stärksten in Forschung zum Thema künstliche Intelligenz investieren.

Im Silicon Valley gibt es zahlreiche prominente Vertreter des Transhumanisums, insbesondere in den Reihen der Facebook-Tochter Oculus VR.

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| Featured Image: Pixabay / VRODO