VR-Entwickler über Facebook: "Wir sind Versuchskaninchen"
Facebooks Einfluss auf das VR-Ökosystem wächst. Zwei Entwickler werfen dem Konzern Machtmissbrauch vor.
Virtual Desktop gehört zu den beliebtesten Virtual-Reality-Apps. Die Anwendung erlaubt VR-Nutzern, ihren PC-Desktop in die Virtual Reality zu holen und so auf PC-Inhalte zuzugreifen. Die App gibt es für PC-VR-Brillen (Vergleich) und Oculus Quest.
Im Sommer 2019 musste der Entwickler von Virtual Desktop Guy Godin auf Anweisung von Facebook eine Funktion aus der VR-App entfernen, die drahtloses WLAN-Streaming vom PC in die Oculus Quest ermöglicht.
___STEADY_PAYWALL___Facebook nannte eine vermeintlich unzreichende Streaming-Qualität als Grund - obwohl das viele Nutzer anders sehen. Entwickler Guy Godin ebenfalls, und so bietet er die Funktion seither als Patch an, der via Sideloading (Anleitung) am offiziellen Quest-Store vorbei auf der VR-Brille installiert werden kann.
Godin glaubt, dass Facebook die Funktion aus einem anderen Grund entfernt haben wollte: Das Unternehmen arbeite an einer eigenen Version des WLAN-Streamings, einer drahtlosen Variante von Oculus Link (Infos).
"Unfairer Wettbewerb"
Godin wartete auf der Facebook Connect auf eine Ankündigung des offiziellen WLAN-Streamings, die blieb jedoch aus. "Ich halte VR die Treue", sagt Godin in einem Interview mit The Verge. "Aber es ist frustrierend, für eine Plattform zu entwickeln, die dich jedes Jahr zu killen versucht."
Schon zuvor bot Facebook ein Feature an, das Godin zuerst in seiner App hatte: 2017 integrierte Oculus die Kernfunktion von Virtual Desktop in die Rift-Plattform und nannte sie ebenfalls "Virtual Desktop". Allerdings ist die Idee naheliegend, gut möglich also, dass Facebook den Plan schon vor Godins App in der Schublade hatte.
"Ich kann damit leben, dass sie ihre eigene Version von Virtual Desktop herausbringen", sagt Godin. "Was ich hasse ist, dass sie den Namen klauen oder verhindern, dass ich meiner App Funktionen hinzufüge, an der sie selbst arbeiten. Das ist unfairer Wettbewerb." Wenn Facebook etwas gratis anbiete, könne er nicht mithalten.
Sorge um Facebooks Geschäftsgebaren
Godins Kritik erinnert an die Vorwürfe des Bigscreen-CEOs Darshan Shankar, die er im August bei Twitter veröffentlichte.
Shankar beschuldigte Facebook unfairen Verhaltens, da das Unternehmen 30 Prozent des Umsatzes von jeder Filmleihe der Kino-App beansprucht. Da Bigscreen an die Filmstudios schon 60 bis 80 Prozent Umsatzbeteiligung zahlen müsse, mache das Unternehmen mit jeder Filmleihe Verluste. Shankar habe die Abgaben mit Facebook verhandeln wollen - ohne Erfolg. Facebooks Antwort: Shankar solle sich ein neues Geschäftsmodell suchen.
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Shankar ging noch weiter zurück und berichtete von Übernahmeangeboten und Drohungen seitens Facebook. "Sie sagten mir, ich solle mich ihnen anschließen, weil sie das Gleiche bauen und uns zerstören würden", schrieb Shankar. Andere Entwickler könnten ähnliche Geschichten berichten.
"Jeder VR-Entwickler hat Angst davor, über Facebook zu sprechen, weil wir befürchten, dass Facebook uns mehr schadet und das Überleben noch schwieriger macht."
Das VR-Monopol vor Augen
Das Verhältnis zwischen VR-Entwicklern und Facebook dürfte ambivalent bleiben, selbst in jenen Fällen, in denen Facebook nicht direkt in Konkurrenz mit VR-Entwicklern tritt.
Einerseits profitieren Entwickler von Facebooks Investitionen in Virtual Reality: Sie schaffen das Ökosystem, in dem Entwickler ihre Apps anbieten können. Andererseits ist Facebook daran, ein VR-Monopol aufzubauen, von dem die Entwickler abhängig sind. Kopiert Facebook Apps oder wirft sie von der Plattform, dann kommt das im VR-Nischenmarkt einer Firmenpleite gleich.
"Sie wollen alles unter ihre Kontrolle bringen", sagt Shankar. "Wir Entwickler sind Versuchskaninchen: Wir entwickeln coole Sachen, um zu sehen, was funktioniert."
Wer mehr Hintergründe zu diesem Thema erfahren möchte, kann sich die "Voices of VR" Podcasts mit Bigscreen-CEO Darshan Shankar (Folge #937) sowie Virtual Desktop-Entwickler Guy Godin (Folge #944) anhören.
Quelle: The Verge, Titelbild: Facebook
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