Oculus: Wann geht es weiter mit Next-Gen-VR?
Der Facebook-Ingenieur Douglas Lanman und sein Team verwendeten fünf Jahre darauf, ein grundlegendes Problem der VR-Optik zu lösen. In einem Vortrag beschreibt Lanman die Entwicklungsgeschichte dieser Forschung - und lässt die interessanteste Frage unbeantwortet.
Schaute man durch eine perfekte VR-Brille, so wäre der Seheindruck vollkommen natürlich, gerade so, als würde man die physische Umgebung betrachten. Das ist das Ziel der VR-Forschung.
Ein wichtiger Bestandteil natürlichen Sehens, der noch nicht simuliert wird, ist variabler Fokus. Fokussiert man einen Gegenstand in unmittelbarer Nähe, sollte der Hintergrund unscharf werden und umgekehrt. VR-Brillen haben eine fixe Fokusebene, das heißt, dass die virtuelle Umgebung gleichmäßig scharf erscheint, unahängig davon, was man fokussiert. Dies führt zum sogenannten Vergence-Accommodation-Konflikt.
___STEADY_PAYWALL___Fokussiert man ein Objekt in der physischen Umgebung, so stellen sich die Augen zum einen durch sanfte Neigung auf das fokussierte Objekt ("Vergence") ein, zum anderen werden die Linsen mittels Muskelkontraktion so geformt, dass das fokussierte Objekt scharf erscheint ("Accommodation"). Beim natürlichen Sehen arbeiten diese optischen Mechanismen im Einklang, bei VR-Brillen hingegen entsteht ein Konflikt.
Der Grund: Die Linse wird so geformt, dass sie auf das unmittelbar vor den Augen befindliche Display scharf stellt (Accommodation), während die Augenbälle sich so neigen, als wären sie auf ein weiter entferntes Objekt gerichtet (Vergence).
Diese Unstimmigkeit hat eine ganze Reihe von Konsequenzen: Die Augen ermüden schneller, man bekommt Kopfschmerzen oder sieht nahe Objekte unscharf.
Um dieses Problem zu lösen, braucht es variable Fokusebenen samt synthetischer Unschärfeeffekte. Damit kann man die Augen täuschen und der Konflikt zwischen den genannten optischen Mechanismen wird eliminiert. Das Ergebnis ist ein natürlicherer und angenehmerer Seheindruck.
Half Dome: Viele Schritte führten zum Ziel
Das Facebook-Forschungsteam um Douglas Lanman entschied sich, zunächst dieses Problem anzugehen, weil den Vergence-Accommodation-Konflikt noch niemand technisch gelöst hatte. VR-Brillen mit höherer Auflösung, größerem Sichtfeld und realistischer Farbdarstellung - das waren leichter zu lösende Probleme.
In seinem Vortrag führt Lanman schrittweise durch die mehr als fünf Jahre dauernde Forschungsgeschichte seines Displaytechnik-Labors, aus der verschiedenste Prototypen und Lösungsansätze hervorgingen: von den ersten motorbetriebenen Prototypen mit variablen Fokusebenen über die jüngeren Half-Dome-Geräte mit rein elektrischer Fokusverschiebung bis hin zur KI-Technik Deep Focus, die Unschärfeneffekte energieeffizient berechnet.
Ohne Eyetracking geht es nicht
Dabei kommt er auf ein anderes, schwer zu knackendes technisches Problem zu sprechen: Eyetracking. Nur dank Blickerfassung kann eine VR-Brille wissen, was die Augen des VR-Nutzers fokussieren und Objekte darin entsprechend scharfstellen.
Lanman nennt zwei Hindernisse für fehlerfreies Eyetracking: die Iris ist zum einen kein solider Körper und kann ihre Gestalt bei schnellen Augenbewegungen verändern, zum anderen haben einige Menschen eine untypische Irisform. Beide Ungenauigkeitsfaktoren bringen die KI-Algorithmen aus dem Tritt, die für die Auswertung des Blickes unabdinglich sind.
- MIXED.de ohne Werbebanner
- Zugriff auf mehr als 9.000 Artikel
- Kündigung jederzeit online möglich
Die Facebook-Forscher versuchten deshalb, den Vergence-Accommodation-Konflikt ohne Blickerfassung zu lösen, was jedoch nicht gelang. "Wir brauchen wahrscheinlich Eyetracking und ganz sicher eine adaptive Optik", sagt Lanman.
VR 2.0: Nicht in absehbarer Zeit
Am Ende seines Vortrags erklärt Lanman das Vergence-Accommodation-Problem als technisch gelöst. Die interessanteste Antwort bleibt Lanman jedoch schuldig: Wann wird diese Technologie marktreif und erschwinglich?
Auf der letzten Oculus Connect versetzte Facebooks XR-Forschungschef Michael Abrash entsprechenden Hoffnungen einen Dämpfer. Deutete er auf früheren Konferenzen einen ungefähren Zeitrahmen für VR 2.0 an, drückte er sich 2019 vorsichtiger aus.
"Ich weiß nicht, wann man die magische VR-Brille kaufen können wird, die wir letztes Jahr zeigten", sagte Abrash. "Virtual Reality wird sich kontinuierlich weiterentwickeln, aber meine Vision einer Next-Gen-VR wird mehr Zeit beanspruchen. Wie lange mehr? Ich weiß es nicht. Sagen wir: nicht in absehbarer Zeit."
Lanman hielt seinen Vortrag auf der Konferenz Electronic Imaging 2020.
Quelle: Electronic Imaging 2020, via Augmented Reality Reddit, Titelbild: Facebook
Weiterlesen über Facebooks XR-Forschung:
- Aus 2D mach 3D: Facebook stellt beeindruckende KI-Tricks vor
- Facebook zeigt VR-Brille, die den Namen verdient hat
- Oculus: So sieht es in Facebooks Zukunftslabor aus
Hinweis: Links auf Online-Shops in Artikeln können sogenannte Affiliate-Links sein. Wenn ihr über diesen Link einkauft, erhält MIXED.de vom Anbieter eine Provision. Für euch verändert sich der Preis nicht.