Photogrammetrie: Der Zauber realer Räume - "The Homestead" im Test

Photogrammetrie: Der Zauber realer Räume -

The Homestead soll die bislang akkurateste 3D-Nachbildung eines realen Orts sein. Ich habe das digitale Duplikat in der Virtual Reality besucht.

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Das Wallace Arts Centre ist eine Kunstgalerie, die im Pah Homestead in Auckland, Neuseeland untergebracht ist: einem im viktorianischen Stil gegen Ende des 19. Jahrhunderts gebauten herrschaftlichen Haus.

Dieser einzigartige Ort diente dem Gründer des Photogrammetrie-Startups Realityvirtual.co Simon Che de Boer als Grundlage für eines seiner ehrgeizigsten Projekte.

Wer noch nichts von Photogrammetrie gehört hat: Bei diesem Verfharen werden zahlreiche, perspektivisch leicht verschobene Fotografien eines Objekts oder Orts von Algorithmen zu einem fast photorealistischen 3D-Duplikat zusammengerechnet.

Dass Che de Boer vorzugsweise Kulturdenkmäler und Kunst digitalisiert, liegt nahe: Welche anderen menschlichen Artefakte erfordern ein so genaues Hinsehen? In diesem Sinne ist die Wallace-Kunstgalerie der ideale Gegenstand, an dem sich Photogrammetrie messen kann.

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Der Blick nach außen zeigt eine fiktive Landschaft. BILD: Realityvirtual.co

Ein fast perfektes Ebenbild

So erkennt man auf den Gemälden die individuelle Maltechnik des jeweiligen Künstlers sowie einzelne Pinselstriche, wenn man genug nahe herantritt. Selbst dick aufgetragene Acrylfarbkleckse treten in der Virtual Reality reliefartig hervor, sodass man fast meint, sie anfassen zu können.

Praktisch: Die meisten Kunstwerke sind mit einem Audiokommentar hinterlegt, der automatisch einsetzt, wenn man sich ihnen nähert. So kann man die Arbeiten betrachten und wird gleichzeitig mit deren Bedeutung bekannt gemacht.

Nicht nur die Gemälde und Skulpturen beeindrucken: Der Raum als Ganzes ist realistisch wiedergegeben und ausgeleuchtet. Selbst so nebensächliche Details wie die Überreste entfernter Türangeln sind zu erkennen.

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An jedes Detail wurde gedacht: Der Kronleuchter und der kunstvolle Stuck an der Decke wurden ebenfalls originalgetreu digitalisiert.

Echtzeit-Videoprojektionen virtueller Beamer fügen sich harmonisch ins Gesamtbild ein. Schaut man durch die Fenster, sieht man eine fiktive Küstenlandschaft, die man leider nicht betreten kann.

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Realistische Ausleuchtung samt Videoprojektion. BILD: Realityvirtual.co

Die Magie des Realen

Interessant ist die Wirkung der VR-Erfahrung auf den Betrachter: Die Simulation gibt ja nur wieder, was schon existiert. Fantastische Elemente fehlen. Und dennoch wirkt der Ort trotz seines profanen Charakters geradezu magisch. Vermutlich deshalb, weil man weiß, dass er nicht echt ist. Durch die VR-Brille gesehen, gewinnen die realen Räume einen sonderbaren Zauber.

The Homestead beweist besonders eindrucksvoll, dass eine photorealistische digitale Konservierung realer Räume möglich ist und markiert damit vielleicht den Anfang eines neues Erinnerungsmediums.

In zehn oder fünfzehn Jahren wird das digitale Speichern unserer Lebensräume vielleicht so selbstverständlich sein wie Smartphone-Fotos, sodass wir eines Tages per VR-Brille in unser Kinder- oder Jugendzimmer werden zurückkehren können.

Die Arbeit am digitalen Duplikat der Wallace-Kunstgalerie ist laut Che de Boer nicht abgeschlossen: Die Ausstellungsstücke sollen regelmäßig ausgetauscht werden und die Räumlichkeiten dort erweitert werden, wo jetzt noch Löcher klaffen.

The Homestead ist für vier Euro bei Steam erhältlich und unterstützt Valve Index, HTC Vive, Oculus Rift und Windows Mixed Reality.

Titelbild: Realityvirtual.co

Die eindrücklichsten Beispiele für Photogrammetrie: