Hirn-Interface: Forscher übertragen volle Neuronenleistung drahtlos

Hirn-Interface: Forscher übertragen volle Neuronenleistung drahtlos

Gehirn-Interfaces sollen erkrankten oder schwer verletzten Menschen ein besseres Leben ermöglichen - und eines Tages womöglich digitales Entertainment revolutionieren.

Auf dem Weg zu dieser Vision vermelden BrainGate-Forscher jetzt einen neuen Meilenstein: Traditionell sind aktuelle Gehirninterfaces mit langen Kabeln versehen, damit die Bandbreite der Neuronensignale vollständig erfasst und an Computer übermittelt werden kann.

Die Hirnschnittstelle Braingate ist schon seit rund 16 Jahren in Entwicklung. Mit einer aktuellen Version kann ein herkömmliches Android-Tablet ferngesteuert werden.

Frühere Braingate-Implantate mussten mit dicken Verbindungsstücken und Kabeln mit dem Computer verbunden werden - eine große Einschränkung für Forscher und Patienten.  | Bild: Braingate

Diese Kabel wurde jetzt erfolgreich durch einen Transmitter ersetzt, der auf der Schädeldecke angebracht ist (siehe Titelbild). Der Transmitter kann laut der Forscher als erste kabellose Schnittstelle das Signal eines einzelnen Neurons mit voller Bandbreite drahtlos übertragen.

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In der aktuellen Studie zeichneten zwei zusammen verwendete Geräte neuronale Signale mit 48 Megabit pro Sekunde von 200 Elektroden auf. Bisherige mit Menschen demonstrierte Hirninterfaces haben laut der Forscher eine geringere Bandbreite. Die Batterielaufzeit liegt bei mehr als 36 Stunden.

Hirninterface im Heimbetrieb

Der Transmitter hat einen Durchmesser von etwa zwei Zentimetern, wiegt rund 40 Gramm und nimmt die Daten vom selben Anschluss auf, an dem zuvor das Kabel hing. Der Anschluss führt zu einem Elektronenfeld im motorischen Kortex.

Die Forscher verwenden beim drahtlosen Braingate dieselben Dekodierungsalgorithmen wie bei kabelgebundenen Systemen. "Der einzige Unterschied ist, dass die Menschen nicht mehr physisch an unsere Geräte gebunden sein müssen, was neue Möglichkeiten eröffnet, wie das System genutzt werden kann", sagt John Simeral, Assistenzprofessor für Ingenieurwissenschaften (Forschung) an der Brown University, Mitglied des BrainGate-Forschungskonsortiums und Hauptautor der Studie.

Aufbau des Drahtlosmoduls für die Braingate-Schnittstelle. | Bild: Braingate

Aufbau des Drahtlosmoduls für die Braingate-Schnittstelle. | Bild: Braingate

Die begleitende Studie demonstriert die neuen Möglichkeiten eines kabellosen Hirninterfaces direkt: Die Studienteilnehmer - ein 35-jähriger Mann und ein 63-jähriger Mann, beide durch eine Rückenmarksverletzung gelähmt - konnten das System zu Hause verwenden. Für gewöhnlich geschieht die BCI-Forschung in Laboren.

Dank der Drahtlosverbindung konnten die beiden Studienteilnehmer das BCI ohne Unterbrechung bis zu 24 Stunden lang nutzen, was den Forschern Zugriff auf neue Langzeitdaten verschafft - auch während des Schlafs.

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Das sei zuvor "fast unmöglich" gewesen, sagt der an der Studie beteiligte Ingenieur Leigh Hochberg. Auch konnte die Forschungsarbeit während der Pandemie weitergeführt werden.

Schritt hin zur "nächsten Generation Neurotechnologie"

Der Transmitter ist schon seit einigen Jahren in Entwicklung und wird in der Hirnforschung erfolgreich eingesetzt. Jetzt wurde er erstmals in der klinischen BrainGate-Studie mit Menschen getestet.

Die drahtlose Technologie schaffe "entscheidende Erkenntnisse" für "die nächste Generation von Neurotechnologien", die vollständig drahtlos in das Gehirn implantiert werden mit einer hohen Elektronendichte, so die Forscher.

Seit rund 20 Jahren arbeiten zahlreiche Entwickler und Wissenschaftler verschiedener Institutionen an der Braingate-Schnittstelle. Sie soll speziell Menschen helfen, die die Kontrolle über ihre Gliedmaßen oder andere Körperfunktionen verloren haben, beispielsweise durch amyotropher Lateralsklerose (ALS) oder Rückenmarksverletzungen.

Patienten mit dem Implantat können beispielsweise Kraft ihrer Gedanken ein Tablet steuern und Wörter eintippen, indem sie sich die Aktion vorstellen. Eine Software wandelt die Neuronensignale in Computerbefehle um.

Quelle: Brown University

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