Das transhumanistische Paradoxon: Wie VR und AR die Menschheit spalten könnten

Das Konzept des Transhumanismus beschreibt ein Szenario, in dem Menschen Technologie verwenden, um die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten zu erweitern. Das schafft neue Freiheiten - aber nur für jene Menschen, die dazu bereit sind, die Technologie zu nutzen.
Ein offensichtliches Anwendungsszenario ist die Augmentierung des menschlichen Körpers. Damit ist nicht allein die Brille gemeint, die digitale Informationen ins Sichtfeld des Trägers einblendet. Ganze Körperteile könnten durch Maschinen ersetzt und so leistungsfähiger gemacht werden.
Diese Form der Augmentierung würde viele gesellschaftliche und soziale Regeln verändern, die darauf beruhen, dass Menschen prinzipiell eine ähnliche Wahrnehmung und vergleichbare körperliche Fähigkeiten haben.
Transhumanismus-Paradoxon: Aus Freiheit wird Zwang
[blockquote]Transhumanismus muss eine kollektive Entscheidung sein[/blockquote]Im Klartext bedeutet das: Wer nicht mitzieht, bleibt zurück. Regierungen könnten zwar regulierend eingreifen, jedoch würde auch dieser Eingriff eine Einschränkung von Freiheitsrechten bedeuten. Für eine liberale Demokratie ist das ein grundlegender Zielkonflikt, der nicht ohne weiteres zu lösen ist und der auf eine Eskalation hinsteuert.
"Wenn die Menschheit sich dazu entscheidet, in Virtual Reality zu leben, dann ist es egal, ob wir unseren Planeten für die Energiegewinnung kolonialisieren - aber einige kümmert es vielleicht", sagt Flory. Daher müsse der Transhumanismus eine kollektive Entscheidung sein.
Für die von Flory beschriebene gesellschaftliche Spaltung durch die zunehmende Technologisierung muss man nicht in die Zukunft blicken. Die ersten Ansätze eines solchen Konflikts zeigen sich bereits und werden im Kontext der Digitalisierung und der digitalen Lücke diskutiert.
Als Beispiel: Ein Teil der öffentlichen Debatte verlagert sich auf Social-Media-Plattformen wie Facebook. Wer sich diesen Plattformen verweigert oder sie nicht bedienen kann, ist aus der Debatte ausgeschlossen. Umgekehrt hat der Plattformbetreiber Möglichkeiten, auf das öffentliche Meinungsbild einzuwirken, die nur schwer nachvollziehbar sind.
Flory bezeichnet Technologie schon jetzt als Eintrittskarte für das Leben in einer modernen Gesellschaft. Diese Aussage ergibt Sinn: Das Smartphone dient als Augmentierung unserer intellektuellen Leistungsfähigkeit und unserer Wahrnehmung. Allein die technische Integration dieser Möglichkeiten in unseren Alltag ist noch unausgereift.
Nach Flory sind die Fragen, mit denen wir uns beschäftigen sollten, grundlegender Natur. In der Zukunft, so Flory, müsse sich die Menschheit - Regierungen, Unternehmen, Bürger - darüber einig werden, wie ein Mensch sein sollte.
Diese Entscheidungen müssten getroffen werden, bevor bestimmte Technologien erfunden würden oder gar auf dem Markt verfügbar seien. Die Regulierung im Nachhinein sei deutlich komplexer.
Der Wissenschaftler bezweifelt, dass unsere Gesellschaft das Ausmaß und die Notwendigkeit einer kontroversen Debatte zum Transhumanismus begriffen hat. Er befürchtet im Umkehrschluss, dass die Zukunft der Menschheit in den Händen einzelner Konzerne wie Google und Facebook oder staatlicher Institutionen wie dem US-Militär liegt. Diese würden derzeit am stärksten in Forschung zum Thema künstliche Intelligenz investieren.
Im Silicon Valley gibt es zahlreiche prominente Vertreter des Transhumanisums, insbesondere in den Reihen der Facebook-Tochter Oculus VR.
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