Xreal Beam Pro im Test: 3D-Kamera zum Schnäppchenpreis?
Xreal Beam Pro ist der günstigste Einstieg in die 3D-Medienproduktion. Ob sich die kompakte Kamera für 3D-Kurzwinkelaufnahmen lohnt, erfahrt ihr in meinem Test.
ein Artikel von Daniel Pohl
Es kommt Bewegung in den 3D-Markt für Virtual Reality. Während wir vor Kurzem über die VR180-3D-Kamera Calf Visense für Konsumenten berichtet haben, gibt es mittlerweile auch eine neue, interessante Kamera für 3D-Kurzwinkelaufnahmen: Die Xreal Beam Pro.
Mit ihr werden keine 180°x180° immersiven Medien erzeugt, sondern Inhalte, die an 3D-Kino und 3D-Fernsehen erinnern. Einer der Vorteile kurzwinkliger 3D-Kameras ist, dass mehr Pixel pro Blickwinkel zur Verfügung stehen, was zu einer schärferen Darstellung führt. Inwieweit das relevant ist und wie es im Vergleich zu anderen 3D-Kameras aussieht, zeige ich hier im Test.
Inhalt
Xreal Beam Pro: Review kompakt
Mit dem Kampfpreis von 229€ für Beam Pro erhält man eine verhältnismäßig hochwertige 3D-Kamera, die locker die „Spatial Photos“ des iPhone 15 Pro (Max) übertreffen. Die 3D-Fotos sind in einer Auflösung von 3840 × 2880 pro Auge. Videos werden in 1920 × 1080 pro Auge mit 60 fps aufgenommen. Der große Bildschirm des Android-Geräts dient als Vorschau und zeigt eine Wasserwaage zum korrekten Ausrichten des Contents an, was sehr wichtig ist, um gute 3D Medien zu erstellen.
Die Xreal Beam Pro ist für euch geeignet, wenn …
- ein kostengünstiges und sehr gutes Gerät für den Einstieg in das kurzwinklige 3D-Format sucht
- ihr keine großen Kamera-Rigs herumschleppen wollt
Die Xreal Beam Pro ist für euch weniger geeignet, wenn …
- ihr (halb) spährische Medien wie VR180 oder 360°-Medien aufnehmen wollt
- ihr bereits ein iPhone 15 Pro (Max) oder iPhone 16 besitzt und mit der Qualität der „Spatial Photos“ und „Spatial Videos“ zufrieden seid
Hintergrund zu Xreal
Xreal war zuvor unter dem Namen Nreal bekannt, musste jedoch aus markenschutzrechtlichen Gründen den Firmennamen ändern. Das Unternehmen verkauft hauptsächlich Brillen mit Displays, wie die Xreal Air 2, die durch einen Puck betrieben werden, in dem sich sowohl der Akku als auch die Compute-Einheit befindet.
In diesem Fall ist dieser Puck das Xreal Beam Pro mit der 3D-Kamera. Auf die Xreal Brillen mit Display, die einen Field of View von ca. 50° haben, also deutlich weniger immersiv sind als eine Quest 3 mit 110° horizontalem Field of View, gehe ich in diesem Artikel nicht ein und habe sie auch noch nie aufgehabt. Das spannendere Bauteil, das sich einzeln erwerben lässt, ist für mich die Xreal Beam Pro wegen der integrierten 3D-Kamera.
Das ist Xreal Beam Pro
Das Gerät selbst erinnert zunächst an ein typisches Android-Handy. Allerdings hat es derzeit keine Möglichkeit, zu telefonieren. Gerüchten zufolge ist eine 5G-Version in Arbeit, die aber eventuell nur für den chinesischen Markt veröffentlicht wird. Von außen betrachtet fallen zunächst die beiden USB-C Ports auf. Einer davon ist nur zum Laden gedacht, der andere kann sowohl für den Anschluss der Xreal Glasses als auch für die USB-Datenübertragung zum PC genutzt werden.
Die nächste Auffälligkeit sind die beiden weiter auseinander liegenden Kameralinsen. Xreal geht hier den klugen Schritt, sich mit einem Abstand von immerhin 50 mm zwischen den Linsen relativ nahe an der durchschnittlichen menschlichen IPD von 63 mm zu orientieren.
Beim iPhone 15 Pro zum Beispiel sind die Linsen für „Spatial Video“ ca. 19,5 mm voneinander entfernt und haben dadurch weniger Parallaxe. Xreal lässt es sich daher nicht nehmen, einen Angriff auf Apples Design zu starten. In einem Bild auf ihrer Website zeigen sie den Unterschied zwischen einem nicht näher bezeichneten Set-up mit nur 19 mm Linsenabstand (= iPhone) und ihrem eigenen Design, bei dem das linke und rechte Bild deutlich mehr Unterschiede erfassen.
Der Startbildschirm begrüßt uns in typischer Android-Optik. Etwas ungewohnt ist zunächst das „Schweinenasen“-Symbol, das man zunächst nicht unbedingt intuitiv mit der Kamera-App in Verbindung bringt.
Das Betriebssystem gibt sich als Nebula OS aus. Wie ein Blick in die Einstellungen des Geräts jedoch zeigt, handelt es sich um ein auf Android 14 basierendes Betriebssystem. Im obigen Bild sehen wir links auch den verbleibenden Speicher des Geräts in der Konfiguration mit 128 GB internem Speicher.
Obwohl kaum Apps hinzugefügt wurden, sind nach einem Update des Betriebssystems nur noch 37 GB frei. Wer regelmäßig Medien auf seinen Computer überträgt, sollte damit gut zurechtkommen. Eine Minute 3D-Video (50 Mbit/s) entspricht etwa 400 Megabyte pro Minute. Bei 3D-Bildern im .jpg-Format kann man grob mit 8 Megabyte pro Bild rechnen. Der Speicher kann mit einer microSD-Karte auf bis zu 1 TB erweitert werden.
Die aktuelle 3D-Kamera-Anwendung auf dem Beam Pro ist relativ eingeschränkt. Im 3D-Modus wird ein fester Fokuspunkt verwendet. Ihr könnt die Helligkeit verändern, indem ihr auf einen Bereich des Touchscreens tippt und dann den Slider +/- bewegt. Manuelle Einstellungen von Belichtungszeit, ISO oder anderen Details, die manche Kameraprofis erwarten, sind derzeit nicht möglich. In den meisten Fällen funktioniert das aber sehr gut mit den automatischen Einstellungen.
3D-Kameras im Vergleich: Canon EOS R5 (5.2mm) vs. Xreal Beam Pro vs. Meta Quest 3
Ich mache den ungewöhnlichen Vergleich zwischen der professionellen Lösung von Canon mit der EOS R5 und dem 5.2 mm Dual Fisheye Objektiv (VR180), dem Xreal Beam Pro und der eingebauten 3D-Kamera in Meta Quest 3, die in der App immerGallery ohne Guardian-Begrenzungen.
Es ist klar, dass allein durch die Formate VR180 vs. reguläres 3D und die Anschaffungskosten von 6.000 € für das Canon-Set-up vs. fast kostenlos für Quest 3-Besitzer die Kameras unterschiedliche Zielgruppen ansprechen.
Interessant zu sehen wird jedoch sein, inwiefern die kurzwinkligeren Kameras ihre Auflösung bei weniger Blickwinkeln ausspielen können und ob die 3D-Kamera-Lösung für Quest 3 überhaupt für Einsteiger geeignet ist.
Die Daten der drei Kameras im Überblick:
EOS R5 + 5.2mm | XREAL Beam Pro | Quest 3 | |
Format | VR180 | Reguläres 3D | Reguläres 3D |
Sichtfeld | ca. 173° ohne Linsen | 86° | 80° (?) |
Sensoren | CMOS (36 x 24 mm) | Samsung S5KJN1 (1/2.76") | ? |
Aspect Ratio | 1:1 | 4:3 | 1:1 |
Fotoauflösung (pro Auge) | 3840x3840 | 3840x2880 | 1920x1920 |
Videoauflösung (pro Auge) | 3840x3840 @ 30 fps (EOS R5 C: 60 fps) | 1920x1080 @ 60 fps | 1920x1920 @ 60 fps |
Linsenabstand | 60 mm | 50 mm | 65 mm |
Preis | 6.000€ | 229€ | Für Quest 3 Besitzer: 25€ für Kamera-App Quest 3 Neupreis: 550€ |
Um die Schärfe der Kameras in der Praxis zu testen, fotografiere ich eine Szene in Herzogenaurach, bei der ich ein rundes Kamera-Testpattern an einem Brunnen befestigt habe.
Entsprechend sind hier die Aufnahmen der verschiedenen 3D-Kameras dargestellt. Das Bild der EOS R5 erscheint aufgrund des sphärischen, equirektangulären Bildformats etwas verzerrt. Bei der Betrachtung in VR wird dies jedoch wieder korrekt dargestellt.
Die Auswertung des Testmusters zeigt, dass der Beam Pro mit seinen 3D-Kurzwinkelaufnahmen die beste Schärfe erreicht und in diesem Punkt sogar das 6.000 € teure Canon-Set-up für VR180 deutlich übertrifft. Dennoch ist die Immersion des Canon-Bildes in VR höher, da das gesamte Sichtfeld inklusive kleinerer Kopfbewegungen gut abgedeckt wird und somit eine höhere Präsenz wahrgenommen wird.
Auch das Bild der Beam Pro wirkt in VR schärfer, aber durch die Darstellung auf der 3D-Kinoleinwand verliert man sich nicht so sehr darin wie bei den sphärischen Medien. Die 3D-Kamera der Quest 3, als quasi kostenloses Experimentierwerkzeug für Besitzer des Headsets, schneidet aufgrund der geringeren Auflösung erwartungsgemäß am schlechtesten bei der Schärfe ab.
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Dennoch zeigen auch diese Fotos in VR einen guten 3D-Effekt und haben für Einsteiger durchaus ihre Berechtigung. Hier ist zu hoffen, dass zukünftige Headsets mit zwei besseren Farbkameras ausgestattet werden und die Headset-Hersteller die Kamera-APIs für Entwickler freigeben, um einfach zu bedienende Kamera-Apps zu erstellen.
Vergleich mit iPhone „Spatial Photos“
Mit dem iPhone 15 Pro (Max) war es bisher nur möglich, „Spatial Videos“ in 1920 × 1080 pro Auge aufzunehmen. Mit der App Spatialify waren jedoch auch höher aufgelöste 3D-Fotos und Videos möglich. Apples Konfiguration für 3D besteht aber auch bei der neuen iPhone 16 Serie weiterhin darin, das Nachbarbild für das andere Auge aus einem Crop einer anderen Linse zu erzeugen.
In den bisher offiziell möglichen räumlichen Videos des iPhone 15 Pro sind aufgrund der Auflösung nur selten Unterschiede zu erkennen. Ganz anders sieht es bei den höher aufgelösten 3D-Fotos via Spatialify mit 4036 × 3024 Pixeln pro Auge aus. In der wunderschönen Spatial Photo-Sammlung von Tomislav aus Kroatien sieht man leider bei einigen Bildern die technischen Grenzen der verschiedenen Objektive.
Wie man auf dem Bild deutlich erkennen kann, sind Schärfe, Details, Kontraste und Farben zwischen dem linken und dem rechten Auge unterschiedlich. In der menschlichen Wahrnehmung kann das dazu führen, dass man merkt, dass etwas nicht stimmt. Der Körper reagiert wie in der Steinzeit, als wäre er vergiftet worden und erzeugt Übelkeit – in VR entsprechend als Motion Sickness bekannt. Hinzu kommt der Eye Strain, wenn man versucht, mit dem linken und dem rechten Auge gleich scharf zu fokussieren, es aber nicht kann, weil eines der beiden Bilder unschärfer aufgenommen wurde.
So schön es ist, dass mit der serienmäßigen Einführung einer 3D-Kamera eines großen Smartphone-Herstellers diese Funktion in hunderte Millionen Hände gelangen wird, so kann es leider auch dazu führen, dass sich Benutzer:innen bei schlechtem 3D schnell wieder von dieser Technik abwenden. „Bei 3D wird mir schlecht“, kennt sicher der eine oder die andere von sich oder aus dem Bekanntenkreis nach dem Besuch eines 3D-Kinofilms.
Wer dort zum Beispiel nicht mittig zur Leinwand sitzt, hat ein deutlich schlechteres 3D-Erlebnis. Auch das Ghosting von ca. 10 % (das linke Auge sieht den Inhalt, der für das rechte Auge bestimmt ist, mit ca. 10 % Helligkeit) kann zu Unwohlsein führen.
Glücklicherweise sind bei VR die Bildschirmbereiche für die Augen komplett getrennt, sodass zumindest das Ghosting bei VR-Headsets kein Problem darstellt. Da die iPhone 16-Serie nun auch standardmäßig „Spatial Photos“ unterstützt, bin ich gespannt auf die möglichen Auflösungen und ob der Unterschied zwischen linkem und rechtem Bild minimiert werden konnte.
Für Samsung, die mit Google ein neues VR/MR-Headset veröffentlichen wollen, wäre dies die optimale Chance mit einem besseren 3D-Kamerasetup in der neuen Samsung Galaxy Smartphone-Serie zu trumpfen: zwei identische Linsen und einen größeren Abstand zwischen den Linsen. Leider wird das, wenn man den Gerüchten und den durchgesickerten Renderbildern des kommenden Galaxy S25 Glauben schenken darf, in der nächsten Generation im Frühjahr 2025 nicht der Fall sein.
Stattdessen scheint man wie beim iPhone 16 die Auflösung der Ultra-Weitwinkel-Kamera zu erhöhen, was zumindest einen besseren Crop ermöglichen sollte, falls Samsung überhaupt 3D-Medien thematisiert. Aber vielleicht werden wir ja noch mit „One more thing...“ überrascht. Xreal ist mit dem Beam Pro auf jeden Fall auf dem richtigen Weg und zeigt, wie man eine 3D-Kamera richtig in einen Smartphone-Formfaktor integriert.
Xreal Beam Pro Praxistipps
Hier noch einige Praxistipps nach wochenlanger Benutzung des Geräts und dem Durchforsten der Diskussionen auf der Photo-3D Gruppe:
- Updaten auf das neueste Betriebssystem ist empfohlen
- Manchmal klappt das schnelle Starten der Kamera-App per Power-Button nicht. Dazu in den Einstellungen unter Lock Screen den Toggle aktivieren für „Use device controls: Without unlocking your device“
- Benutzt man das Gerät hauptsächlich als Kamera, so kann es sich lohnen das WLAN zu deaktivieren und/oder unter Einstellungen bei Apps Modifikationen bei „App Battery usage“ vorzunehmen. Fast alle Apps können dort auf „restriktiv“ gestellt werden, was unnötige Verarbeitungen im Hintergrund blockiert und die Laufzeit verlängert.
- Logischerweise nimmt eine 3D-Kamera unterschiedliche Bereiche für links und rechts auf. Damit gibt es z.B. auf der linken Seite des linken Bildes Daten, die nicht auf der linken Seite des rechten Bildes sind. Dies kann beim Betrachten zu einem unschönen Konflikt führen (siehe oben, Motion Sickness, Eye Strain). Es empfiehlt sich alle Bilder über das kostenlose Windows Tool Stereo Photo Maker Pro in einem Batch-Prozess dahingehend zu optimieren. In der englischen Version: File – Multi Job, Multi Conversion – Alle jpg am PC auswählen. „Adjust Auto Alignment“ und „Auto Crop after adjustment „aktivieren. Output Folder wählen. Starten mit „Convert Selected Files“.
Beispielfotos Xreal Beam Pro
Um einen besseren Eindruck der 3D-Fotos zu bekommen, habe ich euch eine Galerie mit knapp 40 Bildern von Städten, Gärten und Cosplay und einem Video zusammengestellt. Ihr könnt das 300 MB .zip Archiv mit den Medien zur Beam Pro entweder manuell herunterladen oder es direkt im immersiven Medienbetrachter immerGallery mit wenigen Klicks bekommen.
Geht dazu bei immerGallery auf Download, Custom URL, ändert das Dropdown auf immervr:// und tippt nun xreal in das Addressfeld ein. Dann „Go!“.
Xreal Beam Pro Test-Fazit
Xreal Beam Pro macht vieles richtig und das zu einem sehr günstigen Preis von nur 229 € in der kleinsten Speichervariante. Damit ist sie der günstigste Einstieg in die 3D-Medienproduktion, hat einen kompakten Formfaktor und erzeugt relativ hochwertige Bilder und Videos. Aufgrund des sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnisses erhält die 3D-Kamera meine volle Empfehlung.
Lediglich die angekündigte Acer SpatialLabs Eyes 3D-Kamera für ca. 550 € könnte für kurzwinkliges 3D noch besser geeignet sein, allerdings für ca. den 2,5-fachen Preis. Sie erzeugt noch weitwinkligere Bilder mit einem größeren Seitenverhältnis. Damit kann das Field of View in VR horizontal vollständig ausgefüllt werden, was die Immersion erhöht.
Wer hingegen das halbsphärische VR180-3D-Format mit der höchsten Immersion wünscht, sollte einen Blick auf die Calf Visinse werfen, die bis zum 10. Oktober 2024 zu einem reduzierten Preis von ca. 650 € angeboten wird.
Der Autor Daniel Pohl ist CEO und Gründer der Firma immerVR GmbH. Dort beschäftigt sich Daniel täglich mit den Neuerungen im Bereich immersiver Medien, meistens im Bereich von VR180 Stereofotos und Stereovideos. Mit seiner App immerGallery (Meta Horizon Store, Steam Store) kann man hochimmersive Fotogalerien, hinterlegt mit Voice-Overs und Hintergrundmusiken in verschiedenen VR-Formaten auf den Meta Quest Geräten erleben. Die App unterstützt auch Video-Wiedergabe für normales 2D / 3D, 180° und 360°.
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