Virtual Reality vorzuführen ist noch immer eine Horrorshow
Um Virtual Reality zu verstehen, muss man sie selbst erlebt haben. Menschen in die Technologie einzuführen, ist aber immer noch voller Stolpersteine.
Ich hatte kürzlich eine befreundete Familie zu Gast, allein zu dem Zweck, ihr Virtual Reality zu zeigen. Mama, Papa und Tochter hatten weder Erfahrung mit VR-Brillen noch mit Videospielen.
Einen Abend zuvor hatte ich mir Zeit genommen, um geeignete VR-Apps auszuwählen und sicherzustellen, dass alles ordnungsgemäß funktioniert. Selbstverständlich kam es trotz aller Vorbereitungen zu etlichen Pannen. Der berühmt-berüchtigte Vorführeffekt griff gnadenlos.
Für den Einstieg setzte ich auf Meta Quest 2 und ein immersives Video. Was kann hier schon schiefgehen? Denkste!
Denn die Mutter sah nichts. Ich zentriere das Bild neu. Wieder Dunkelheit. Ich schalte das Headset ein und aus. Jetzt ist das Bild da, aber das Video ist pausiert. Ich frage, was die Frau sieht und kann anhand der Beschreibung nicht schließen, ob sie sich überhaupt noch im Video befindet. Ich greife zum Smartphone und streame ein ruckeliges, stark komprimiertes Video des VR-Headsets mit reichlich Latenz auf das Display. Von hier aus navigiere ich zum Video und starte es. Aufatmen, endlich läuft es.
Peinliches Schweigen
Meine Absicht war, anschließend Google Earth VR vorzuführen, doch angesichts dieses holprigen Einstiegs und all der Probleme, die mit einer drahtlosen PC-VR-Verbindung auftreten könnten, sah ich davon ab und startete Playstation VR 2. Mit dieser VR-Brille werden die VR-Inhalte direkt auf dem Fernseher dargestellt, sodass sie alle Anwesenden ohne Umwege sehen können.
Aber auch hier kam es zu Problemen: Das PS5-Interface und das VR-Bild wollte einfach nicht auf dem TV erscheinen. Ich erinnere mich nicht einmal mehr daran, was das Problem war und wie ich es gelöst hatte. Plötzlich ging es. Davor fünf Minuten peinliches Schweigen.
Die Tochter mochte Star Wars, also startete ich das VR-Spiel Star Wars: Tales from The Galaxy's Edge. Wie sich herausstellte, war die Steuerung zu kompliziert für das in puncto Videospiele völlig unerfahrene Mädchen. Dieser Fehler ist mir anzulasten.
Nach fünf Minuten "Drücke dies, drücke das" schaltete ich das VR-Spiel ab und startete stattdessen Beat Saber. Ein VR-Spiel, das alle auf Anhieb verstehen, so versicherte ich den Eltern.
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Lähmende Hilflosigkeit
So anekdotisch diese Erfahrung auch ist: Ich bin sicher, dass ihr, liebe VR-Enthusiast:innen schon ähnliche Erfahrungen gemacht habt.
Das Schlimmste ist, wenn der Gast nichts sieht oder nicht weiß, was er tun oder anklicken muss und man keinerlei Möglichkeit, zu helfen, weil beide im Dunkeln tappen: die Person, die das Headset trägt und die, die durch den Vorgang führt.
"Was siehst du? Siehst du das graue Fenster? Nein? Und jetzt? Gut, jetzt such das graue Fenster. Nein, mehr rechts. Noch weiter rechts. Ja, genau das. Und jetzt wählst du das Spiel aus. Nein, nicht mit diesem Knopf. Moment, ich zentriere das Bild noch neu."
Diese Hilflosigkeit, nicht zu sehen, was die andere Person sieht oder nicht zu wissen, warum sie gar nichts sieht, kann einen regelrecht in den Wahnsinn treiben. Hilft nichts, ist der letzte Ausweg, das Headset zurückzufordern und selbst nachzusehen, was verdammt noch mal los ist. Und zu hoffen, dass das Problem gelöst ist.
VR: Ohne Eingewöhnung geht es nicht?
Wie ich das Problem lösen würde? Ich weiß es nicht. Eine intuitive und natürliche Interaktion allein via Blick- und Handerfassung, wie sie Apple mit Vision Pro anstrebt, könnte die Nutzung erleichtern. Der Konzern geht den richtigen Weg, indem er die Bedienung von Grund auf neu zu denken versucht.
Aber damit sind längst nicht alle Fallstricke beseitigt. VR-Brillen sind eine persönliche Technologie. Sie müssen an die jeweiligen Nutzer:innen individuell angepasst werden. Ich meine die Kopfhalterung, den Linsenabstand, die ideale Position im Gesicht. Ich brauchte einen Monat, um mich voll und ganz an meine Playstation VR 2 zu gewöhnen. So viel Geduld hat nicht jeder.
Die gute Nachricht ist, dass der Abend zum Schluss doch noch ein glückliches Ende nahm: Ausgerechnet die Mutter, die besonders skeptisch war und sich ob all der Schwierigkeiten in ihren Zweifeln bestätigt sah, verliebte sich auf Anhieb in Beat Saber, tanzte und jubelte beim Spielen und wollte das Headset nicht mehr absetzen. Ein eindrucksvolles Zeugnis für die Einfachheit und Macht des erfolgreichsten VR-Spiels aller Zeiten.
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