Varjo VR-2 Pro ausprobiert: Retina-VR-Brille mit Finger- und Eye-Tracking

Varjo VR-2 Pro ausprobiert: Retina-VR-Brille mit Finger- und Eye-Tracking

Varjo bietet seit Frühjahr 2019 mit der VR-1 eine hochauflösende VR-Brille für Industriekunden an. Schon jetzt legt das finnische Unternehmen nach und stellt die VR-2 und die VR-2 Pro mit Fingertracking vor. Auf der Augmented World Expo in München konnte ich die Pro-Version testen.

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Autor: Tobias Kammann, Augmented.org und MIXED-Podcaster

VR-Brille VR-2 Pro im Vorabtest

Technisch bieten VR-2 und VR-2 Pro wenig Änderungen im Vergleich zum Vorgängermodell Varjo VR-1 (Test). Wirklich relevant sind im Grunde nur das integrierte Fingertracking von Ultraleap sowie ein verbessertes Eye-Tracking-Modul.

Ein neuer Linsenfilter soll den Übergang zwischen Innen- und Außen-Display weniger sichtbar machen. Da mir der Vergleich zu VR-1 fehlt, kann ich nur von meinem aktuellen Eindruck berichten. Außerdem laufen jetzt SteamVR-Apps in 4K-Auflösung ohne spezielle Software-Anpassungen seitens der Entwickler. Dieses Update gibt's auch für VR-1.

Die Auflösung der neuen Doppeldisplay-Brille ist identisch zu VR-1: Geschickt wird im zentralen Sichtbereich der Brille über ein Spiegelsystem eine höhere Auflösung auf ein niedrig aufgelöstes Display gelegt. So wird in der Bildmitte beispielsweise Schrift hervorragend lesbar und an digitalen Objekten lassen sich selbst feinste Details noch gut erkennen.

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Varjo VR-2: Neue VR-Brille mit Handtracking angekündigt

Varjos überarbeitete Profibrille VR-2 (Pro) ersetzt ab sofort VR-1. Laut Varjo arbeitet das Eye-Tracking-Modul schneller und präziser, außerdem soll der Übergang zwischen den Doppeldisplays homogener sein. Die Pro-Version bietet für einen Aufpreis von rund 1.000 Euro Fingertracking. Bild: Varjo

VR-2 Pro im Vorabtest: Sichtfeld und Sichtfeldgrenzen

Bei meinem Vorabtest der VR-2 Pro war ich zunächst maximal begeistert von der sehr hohen Auflösung, der genialen Schärfe im Zentralbereich und dem nicht vorhandenen Fliegengittereffekt.

Allerdings ist der Übergang zwischen hoher Auflösung in der Bildmitte und niedriger Auflösung in der Peripherie deutlich auszumachen und störte mich bei meinem Test gewaltig.

Da nur ein kleiner Bereich in der Bildmitte die maximale Schärfe bietet, musste ich teils meinen Kopf statt meiner Augen drehen, um beispielsweise die Beschriftung in einem virtuellen Flugzeug-Cockpit an den verschiedenen Instrumenten abzulesen. Das fühlt sich unnatürlich an.

Toll wäre es, würde der Schärfebereich entlang des Eye-Trackings wandern. Aber leider ist das Doppeldisplay fix verbaut und kann nicht bewegt werden.

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Varjo zeigt den Auflösungsunterschied der VR-2-Brille anhand von Screenshots von SteamVR-Apps im Vergleich zu Vive Pro. Allerdings ist das Bild nur in der Bildmitte so scharf. In der Peripherie ist die Auflösung deutlich geringer und es ensteht ein Verzerreffekt wie bei einem Flaschenboden. Bild: Varjo

Varjo zeigt den Auflösungsunterschied der VR-2-Brille anhand von Screenshots von SteamVR-Apps im Vergleich zu Vive Pro. Allerdings ist das Bild nur in der Bildmitte so scharf. In der Peripherie ist die Auflösung deutlich geringer und es ensteht ein Verzerreffekt wie bei einem Flaschenboden. Will man konstant scharf sehen, muss mal also geradeaus blicken und den Kopf drehen statt der Augen. Bild: Varjo

Obgleich ein deutlich verbesserter Übergang zwischen den beiden Displays für die VR-2 versprochen wurde, nehme ich noch deutlich Ränder wahr – inklusive Farbunterschieden. Der gesamte Randbereich des Displays ist verzerrt, so als schaue man durch einen Flaschenboden. Dieser Effekt war so präsent, dass ich dachte, ich wäre absichtlich mit einer Taucherglocke in einer Unterwasser-Erfahrung unterwegs.

Das ist Meckern auf hohem Niveau, zeigt aber auch, dass es noch nicht die perfekte Lösung für ein VR-Display gibt. Der Übergang des Doppeldisplays jedenfalls wirkte auf mich unnatürlich, weil er mich zu Bewegungen zwingt, die ich im echten Leben nicht machen würde. Die VR-Brille (Infos und Vergleich) fühlt sich an wie ein Monitor auf dem Kopf, den man permanent ausrichten muss je nach Fokuspunkt.

VR-2-Pro Fingertracking ist ein (teurer) Zugewinn

Die VR-2-Pro hat das Handtrackingmodul von Ultraleap (früher Leap Motion) integriert und bietet dadurch einen deutlichen Mehrwert. Die Leistung des Moduls ist sehr gut: Die eigenen Hände werden schnell, fließend und sogar am Rande des Sichtfelds noch erkannt.

Probleme entstehen erwartungsgemäß, wenn sich die Hände gegenseitig verdecken. Außerdem reicht die Genauigkeit des Fingertrackings noch nicht, um etwa die Finger beider Hände zusammenzuführen oder um für die Kamera vom Handrücken verdeckte Greifgesten zu erkennen. Hier stößt Inside-Out-Tracking an die technischen Grenzen.

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Dennoch: Das Handtrackingmodul ist eine sehr gute Eingabemöglichkeit und mit etwas geschickter Interface-Programmierung bietet es neue Möglichkeiten für VR-Interaktion. Diese lässt sich Varjo gut bezahlen: Das Pro-Modell mit Fingertrackingmodul kostet satte 1.000 Euro mehr als das Standard-Modell ohne Fingertrackingmodul.

Auf der Fachkonferenz AWE 2019 gab's am Varjo-Stand zahlreiche Interessenten. Bild: Kammann

Auf der Fachkonferenz AWE 2019 gab's am Varjo-Stand zahlreiche Interessenten. Bild: Kammann

Eye-Tracking mit VR-2 Pro: Teils präzise – aber langsam

Beim Eye-Tracking hingegen frage ich mich noch, wo es jenseits von Benutzertests und Marketinganalysen Nutzen stiften könnte. In der gezeigten Supermarkt-Demo konnte ich deutliche Verzögerungen bei der Blickerfassung ausmachen – obwohl die Eye-Tracking-Kameras mit 100 Hz aufnehmen. Eine hohe Bildwiederholrate ist offensichtlich noch nicht gleichbedeutend mit geringer Latenz.

Ein kleiner Kreis zeigt die Blickposition an, parallel dazu wird eine Blickkarte angelegt (Heat Map). An der lässt sich ablesen, welche Punkte der Nutzer wie lange anschaut. Die erkannten Blickpositionen waren in der Bildmitte sehr genau, aber, wie erwähnt, deutlich verzögert – und das obwohl das Modul laut Varjo gegenüber VR-1 verbessert wurde.

So sieht die Heatmap aus, die Varjos Software anhand des Eye-Trackings erstellt. Bild: Kammann

So sieht die Heatmap aus, die Varjos Software anhand des Eye-Trackings erstellt. Bild: Kammann

Am Randbereich des Displays lag die Blickerfassung teils weit daneben. Hier kann bestimmt softwareseitig noch einiges rausgekitzelt werden, aber das Problem einer deutlichen Latenz bleibt. Die Entwickler sagten mir, dass durch den vielschichtigen Rechenweg eine zu hohe Verzögerung für Echtzeit-Eye-Tracking entstehen würde.

Weshalb ist das ein Problem? Ich hatte auf Performance-sparendes "Foveated Rendering" und fortschrittliche Grafiktechniken wie einen natürlichen Unschärfeeffekt im peripheren Sichtfeld gehofft. Beides würde erst durch Eye-Tracking in Echtzeit möglich, klappt mit VR-2 also nicht. Für die Menüsteuerung via Blickbefehl oder Augenkontakt zwischen Avataren dürfte das VR-2-System aber ausreichend sein.

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VR-2 Pro im Vorabtest - Fazit: Niemals zurückblicken (oder zur Seite)

Für Erstkäufer mit dem entsprechenden Kleingeld wäre eine Anschaffung der VR-1 jetzt natürlich sinnfrei. Die Brille wird im Online-Shop von Varjo schon gar nicht mehr angeboten: VR-2 ersetzt das Vorgängermodell. VR-1 könnte eine Alternative sein, wenn man sie als Restposten bei einem Händler günstiger erstehen kann.

Fingertracking sehe ich als Zukunftsstandard und es sollte nicht ausgelassen werden - schon in der Demo ließ sich dies gut mit Controllern kombinieren. Das Eye-Tracking hingegen ist verzögert und daher nicht so universell einsetzbar wie erhofft, erfüllt aber bei Marktforschung oder Benutzertests wahrscheinlich seinen Zweck.

Dass sich Varjo allein das Fingertrackingmodul mit einem Aufpreis von 1.000 Euro bezahlen lässt, ist happig. VR-2 ohne Pro und Fingertracking liegt nämlich bei rund 5.000 Euro statt 6.000 Euro.

Das Highlight der VR-2 bleibt wie beim Vorgänger das scharfe Fokusdisplay für die Bildmitte. Für Designer und virtuelle Produktabnehmer kann sich diese hohe Auflösung lohnen. Eine leichte Umgewöhnung, da man für durchgängige maximale Schärfe den Kopf bewegen muss statt der Augen, ist vermutlich genauso wie der sichtbare Übergang der Displays verschmerzbar, wenn Produktivität wichtiger ist als Immersion.

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Podcast: VR-2-Test und mehr anhören

Varjo VR-2: Datenblatt und Preis

[table]
Gewicht 605 Gramm + Kopfband
Fokus-Display 0,7 Zoll x2, Micro-OLED
1.920 x 1.080 Pixel
60 Hz
Kontext-Display 3,5 Zoll x2, OLED
1.440 x 1.600 Pixel
90 Hz
Optik Indivduelles Dual-Linsen-Design, lt. Varjo ggü. VR-1 verbessert
Sichtfeld 87 Grad
Eye-Tracking 100 Hz Stereo Eye-Tracking (lt. Varjo schneller und präziser im Vgl. zu VR-1)
IPD 61 bis 73 mm
automatische Einstellung per Eye-Tracking
Tracking SteamVR 1.0 & 2.0
ART Tracking
Controller SteamVR-Controller (nicht enthalten)
Verbindung 1 x USB-C, 1 x USB-A
2 x DisplayPort
Kabellänge 10 Meter
Preis Pro: rd. 6.000 Euro exkl. MwSt. mit Fingertracking
Non-Pro: rd. 5.000 Euro exkl. MwSt. ohne Fingertracking
Service & Support: rd. 1.000 Euro exkl. MwSt.
[/table]