The Last Worker im Test: Hier kommt Kurt

The Last Worker im Test: Hier kommt Kurt

The Last Worker verspricht Kapitalismuskritik in Verbindung mit spannendem Gameplay. Ob das Konzept aufgeht, lest ihr im Test.

Im 1947 veröffentlichten Country-/Folk-Song 16 Tons besingt Merle Travis das Leben und Leiden US-amerikanischer Kohlegrubenarbeiter in den Jahren des Zweiten Weltkriegs: „Du lädst 16 Tonnen, was bekommst du dafür? Du bist einen Tag älter und steckst tiefer in den Schulden“.

Zwar herrschen heute nicht mehr die Arbeitsbedingungen wie Mitte des 20. Jahrhunderts, doch sehen sich primär große Konzerne immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, im Wachstumsrausch auf der Jagd nach immer höheren Gewinnen alles andere als arbeitnehmerfreundlich zu agieren.

Diese Entwicklung greifen Oiffy und Wolf & Wood mit ihrem Spiel The Last Worker auf. Das Abenteuer aus der Ego-Perspektive ist als Kapitalismuskritik angelegt. Die Geschichte dreht sich um einen riesigen Versandhändler, einen exzentrischen Chef und ausgebeutete Mitarbeiter:innen.

The Last Worker Test in aller Kürze

The Last Worker bietet eine spannende Story, interessante Charaktere und abwechslungsreiches Gameplay – zumindest in der Theorie. In der Praxis stellt sich heraus, dass die Geschichte Einheitsbrei, die Charaktere blass und das Gameplay repetitiv sind. Das ist schade, denn trotz der Mängel habe ich The Last Worker angemerkt, dass die Entwickler:innen ein besonderes Erlebnis schaffen wollten.

Die in das VR-Spiel eingeflossene Leidenschaft bewahrt es vor einer kompletten Bauchlandung, gut wird es dadurch dennoch nicht. Wer an der Thematik interessiert ist und an einem freien Nachmittag nichts Besseres zu tun hat, kann einen Trip in das Lagerhaus von Jüngle wagen, mir fallen aber eine Menge VR-Spiele ein, in die das Geld besser investiert wären.

Primär getestet auf: Meta Quest 2

Ihr solltet The Last Worker spielen, wenn ihr …

  • einen einfachen Einstieg in VR-Spiele sucht,
  • Kapitalismuskritik interessant findet und
  • euch die virtuelle Arbeit in einem Versandhaus reizt.

Ihr solltet The Last Worker nicht spielen, wenn ihr …

  • auf eine ausgefeilte Geschichte Wert legt,
  • erwartet, dass sich Charaktere weiterentwickeln und
  • durchgehend spaßiges Gameplay möchtet.

Das Jüngelbuch

Nein, in dem Spiel geht es nicht um Amazon, der Name des Konzerns lautet Jüngle und darin gibt es auch keine ausgebeuteten Mitarbeiter:innen mehr. Die wurden nämlich alle von Robotern wegrationalisiert. Wobei, dass es keine Mitarbeiter:innen mehr gibt, stimmt nicht so ganz. Kurt ist nämlich noch da.

Kurt ist ein bärtiger, properer Kerl in den Vierzigern, der es all die Jahre geschafft hat, sich gegen die Maschinen durchzusetzen. Und obwohl sein Arbeitgeber immer wieder versucht, ihn loszuwerden, und er sich trotz seines Roboterkumpels Skew manchmal etwas einsam im Logistikzentrum fühlt, ist er seinem Arbeitgeber treu ergeben.

Doch eines Tages tritt eine Rebellenbewegung an Kurt heran und bittet ihn um Hilfe bei ihren Umsturzplänen gegen Jüngle.

Die Geschichte von The Last Worker klingt spannender als sie ist. Die Kapitalismuskritik schimmert zwar immer wieder durch, etwa wenn Kurt auf eine Maschine stößt, die lebende Kühe in Sekundenschnelle zu handlichen Fleischwürfeln zerkleinert, trudelt aber später in Richtung Familiendrama ab.

You load 16 tons, what do you get?

Auch beim Gameplay kann The Last Worker nur bedingt überzeugen. Das Spiel ist in Kapitel mit unterschiedlichen Spielstilen unterteilt. Kurt ist zwar Mitglied einer Rebellengruppe, aber immer noch Lagerarbeiter bei Jüngle. In dieser Rolle muss er mit seinem schwebenden Lastenmobil Pakete abholen und versenden.

Erhält Kurt einen Auftrag, gilt es zunächst, das entsprechende Paket zu finden – dank Minimap und Leuchtmarkierungen keine große Herausforderung. Beim Paket angekommen, schnappe ich es mir mit meiner Jüngle-Gun, einer Kanone, die die Schwerkraft aufhebt, und untersuche es genauer.

Eine Pistole, die einen Strahl aussendet, der ein Paket schwerelos macht.

Mithilfe der Jüngle Gun liefert Kurt Pakete aus und bekämpft Roboter. | Bild: Wired Productions

Ist das Paket unbeschädigt und stimmen Gewicht und Größe mit den mir vorliegenden Angaben überein, bringe ich es zur blauen Versandröhre. Andernfalls kennzeichne ich es als fehlerhaft und liefere es bei der roten Versandröhre ab.

An einem Arbeitstag muss ich eine vorgegebene Anzahl von Lieferungen erledigen. Je besser mir das gelingt, desto besser werde ich am Ende bewertet. Bleiben zu viele Aufträge unerfüllt oder mache ich zu viele Fehler, muss ich den Arbeitstag wiederholen. Was für ein Spaß.

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Another day older and deeper in debt

Im Laufe des Spiels kommen weitere Gameplay-Elemente hinzu. Bewege ich mich abseits, der von meinem Arbeitgeber vorgegebenen Pfade, muss ich vorsichtig sein. Entdecken mich die Roboter, werde ich nicht einfach gekündigt, sondern mir wird der Garaus gemacht.

Deshalb verstecke ich mich und beobachte die Routen der mechanischen Wächter, werde ich doch erwischt, starte ich von einem der großzügig verteilten Rücksetzpunkte erneut. Später kann ich mit meiner Jüngle Gun auch Elektroschocks abfeuern und mich so gegen die Roboter zur Wehr setzen. In Minispielen bilde ich Farbcodes nach, um Türen zu öffnen oder manövriere eine Drohne mit Vollgas durch einen Hindernisparcours.

Ein Feld aus drei mal drei Feldern. In jedem Feld ist ein Symbol in einer anderen Farbe.

In The Last Worker lockern simple Farbenrätsel den Spielfluss auf. | Bild: Wired Productions

Das klingt abwechslungsreich, nur konnten die Spielelemente nicht bei mir zünden. Die Lieferpassagen sind ermüdend und die Schleich- und Kampflevels stellen keine Herausforderung dar. Hinzukommt der geringe Umfang. Bei einem normalen Spieltempo läuft der Abspann nach vier bis fünf Stunden über den Bildschirm. Immerhin gibt es drei verschiedene Enden zu entdecken.

St. Peter, don't you call me 'cause I can't go

Technisch gibt es an The Last Worker nichts auszusetzen. Auf der Meta Quest 2, auf der ich das Spiel getestet habe, läuft alles schnell und flüssig, Ruckler konnte ich nicht feststellen.

Comic-Legende Mick McMahon hat den Grafikstil von Hand entworfen, doch leider kann die Präsentation nur selten wirklich glänzen. Zu oft bewegte ich mich durch Lagerhallen und Gänge, die sich kaum voneinander unterscheiden.

Partylichter und Discokugeln. Das Hologramm eines Mannes. Daneben schwebt ein kleiner Roboter.

In The Last Worker geht es selten so farbenfroh zu. | Bild: Wired Productions

Genauso ist es mit den Sprecher:innen. Oiffy und Wolf & Wood konnten mit Jason Isaacs, Ólafur Darri Ólafsson oder Clare-Hope Ashitey einige echte Schauspielgrößen verpflichten. Sie machten auch allesamt einen guten Job, den ich bedauerlicherweise nicht schätzen konnte, da mir die Figuren unsympathisch waren und sie mir zu aufgesetzt wirkten.

Die musikalische Untermalung empfand ich wie auch den Rest des Spiels als mittelmäßig. Zwar ist sie jederzeit stimmig, konnte mich aber nie mitreißen.

The Last Worker Test-Fazit: Verlorenes Paket

Das Spiel lässt mich etwas ratlos zurück. Ambitionen sind zwar vorhanden, doch verlieren sie sich innerhalb kurzer Zeit in Mittelmäßigkeit.

Die Story beginnt spannend, wird aber schnell vorhersehbar, die Charaktere sind blass und entwickeln sich nicht weiter, die Grafik ist ansehnlich, aber eintönig, während mich das Gameplay zeitweise sogar gelangweilt hat.

Hätten die Entwickler:innen aus The Last Worker einen Walking-Simulator gemacht und dafür mehr Zeit in die Ausarbeitung der Geschichte und der Charaktere gesteckt, hätte ich vermutlich mehr Freude an dem Spiel gehabt.

The Last Worker könnt ihr hier kaufen