Rift und Vive: "In Memory" ist ein bewegender VR-Film über die Macht der Erinnerung

Rift und Vive:

Jedrick ist ein Opfer des Krieges, doch er lebt noch: Er wird in einer Zelle gefangen gehalten, tagelang, monatelang, jahrelang. Ein Streifchen Himmel ist alles, was er während dieser Zeit von der Welt draußen sieht. Um seinen Verstand zu bewahren, erinnert er sich seines Lebens in Freiheit und der Liebe seines Lebens. Mit der VR-Brille taucht man wortwörtlich in die Erinnerungen des Kriegsgefangenen ein und erlebt eine ergreifende Geschichte.

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Ich finde mich in einer grauen Gefängniszelle wieder. Ein junger Mann kauert am Boden. Traurig, in Gedanken versunken. Ich kann mich innerhalb des kleinen Verlieses bewegen und trete näher. Er scheint meine Präsenz zu spüren, blickt auf, doch sieht mich nicht.

Über seinem Kopf erscheint eine leuchtende, kleine Kugel. Ich trete näher, beuge mich ihr entgegen und merke, wie sie größer und größer wird: Vor mir faltet sich eine dioramenhafte Welt auf, die mich am Ende ganz umgibt. Nun bin ich nicht mehr in der Gefängniszelle, sondern schwebe über einer kleinen, italienischen Küstenstadt im Abendlicht.

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Erinnerungen sind der einzige Hoffnungsschimmer in der finsteren Zelle. BILD: Bob Los / BLAV

Bewegende Erinnerungsfetzen

Ich sehe alte Häuser und verwinkelte Gassen und vor einem Café ein junges, verliebtes Paar sitzen. Meine gottähnliche Perspektive lässt die Figuren klein und verletzlich wirken. Als ich genauer hinschaue, erkenne ich, dass der junge Mann und der traurige Kriegsgefangene identisch sind. Sein blau-weiß gestreiftes Matrosenhemd lässt keine Zweifel daran.

Das Glück ist flüchtig: Ich werde aus der Szene gerissen und stehe wieder in der dunklen Zelle, sehe wieder den jungen Mann vor mir. Die Zeit ist offenbar vorangeschritten, denn er sieht verwahrlost aus: Sein Gesicht ist bärtig und sein Matrosenhemd zeigt erste Risse. Ich nähere mich ihm wieder und wieder und tauche jedes Mal in eine andere Erinnerung ein.

Die Erinnerungen erzählen in bewegenden Momentaufnahmen die Geschichte des Paares und des Krieges, der sich zwischen sie stellte. Jedes Mal, wenn ich in die Zelle zurückkehre, sehe ich den Mann und seine Hoffnung schwächer werden - bis zum offenen Ende.

Mit der VR-Brille taucht man wortwörtlich in die Erinnerungen eines Kriegsgefangenen und erlebt eine tragische Liebesgeschichte.

Wir folgen Jedrick selbst in die Tiefen des Meeres. BILD: Bos Los / BLAV

Inspiriert von alten Comic-Büchern

"In Memory" ist der erste VR-Film des jungen 3D-Animationskünstlers Bob Los und wurde von ihm im Alleingang animiert und programmiert. Inspirationsquellen waren der malerische Küstenstreifen Cinque Terre, an dem Los seine Ferien verbrachte, alte Tim-und-Struppi-Comicbücher und die interaktiven VR-Dioramen des niederländischen Künstlers Daniel Ernst. Stilistisch erinnert In Memory an die VR-Filme der Penrose Studios (The Rose and I, Allumette, Arden's Wake).

Los baute schon als Kind Figuren und Landschaften aus Lehm. Virtual Reality komme dieser Erfahrung am nächsten: "In der Virtual Reality fühlt sich alles so physisch an und das Geschehen läuft in Echtzeit ab und ist interaktiv. Nichts kommt meinem Lehmtisch näher als Virtual Reality", beschreibt mir Los seine VR-Faszination.

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Die glückliche Zeit, bevor der Krieg kam. BILD: Bob Los / BLAV

Erinnerungen sind wie Virtual Reality

In Memorys einzigartige Mechanik - man zoomt durch Kopfbewegungen in ein Objekt - entwickelte Los schon in den Anfangstagen der Virtual Reality als Alternative zu Teleportation und fließender Fortbewegung. Daraus ergab sich die Idee, aus einer simplen Kugel ein Diorama zu machen und aus dem Diorama ein Teil einer Erinnerung.

"Ich lernte, dass eine simple Mechanik eine ganz Geschichte hervorbringen kann", sagt Los.

Tatsächlich gelingt es In Memory mit einfachsten Mitteln große Wirkung zu erzielen: Der Film dauert nur zehn Minuten und rührt dennoch zu Tränen.

Der VR-Film zeigt, dass Erinnerungen wie eine virtuelle Realität sein und die gleiche Funktion haben können: Sie lassen uns in eine andere, alternative Wirklichkeit fliehen und können so in schwierigen Zeiten Trost spenden.

In Memory ist ab heute für HTC Vive und Oculus Rift bei Steam erhältlich und kostet 3,99 Euro.

| Featured Image: Bob Los / BLAV