Neurowissenschaftler über Gehirn-AR: "Wir wollen weniger primitiv sein"

Neurowissenschaftler über Gehirn-AR:

Der Neurowissenschaftler Mikhail Lebedev von der kalifornischen Duke Universität geht davon aus, dass das menschliche Gehirn in den kommenden zehn bis 20 Jahren signifikant durch Technologie erweitert wird. Lebedev wurde zuletzt für eine vierjährige Forschungsarbeit zur Gehirn-Maschine-Schnittstelle ausgezeichnet. Mit dem Preisgeld von 100.000 US-Dollar soll er ab nächstem Jahr gemeinsam mit Kollegen eine Fachkonferenz zum Thema organisieren.

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Innerhalb der kommenden zehn Jahre wird es laut Lebedev realistische visuelle Prothesen und viele unterschiedliche Arten von Technologien geben, mit denen Hirnschäden nach einem Schlaganfall oder einer Wirbelsäulenverletzung ausgeglichen werden können. In bis zu 20 Jahren sollen die Sci-Fi-Fantasien, wie sie laut Lebedev in "Hype-Artikeln" der Medien beschrieben sind, Realität werden.

Der Forscher räumt ein, dass er mit dieser zeitlichen Schätzung womöglich falsch liegt - es könne auch schneller gehen. Wenn neue Technologien eingeführt würden, verbessere sich die Hirnforschung möglicherweise sprunghaft.

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Lebedev gibt ein Beispiel: Vor zehn Jahren habe man Elektroden ins Gehirn gesetzt, die einen halben Millimeter dick waren. Jetzt messe man die Größe der Elektroden im Nanobereich.

Die Dekodierung von Hirninformationen braucht laut Lebedev in jedem Fall noch eine lange Zeit. Das gegenwärtige Verständnis sei nur basal. Man wisse, dass in einigen Hirnbereichen stärker wahrgenommen wird als in anderen. Komplexere Vorgänge - beispielsweise wie Gedanken entstehen - verstehe die Wissenschaft noch nicht.

Der bekannte Sprachwissenschaftler Noam Chomsky glaubt nicht, dass uns Mark Zuckerberg oder Elon Musk einen Computer ins Gehirn bauen werden.

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Das augmentierte Gehirn als KI-Schnittstelle

Visionen, dass ein durch Technologie erweitertes Gehirn zur optimalen Schnittstelle für die Interaktion mit einer künstlichen Intelligenz wird, bezeichnet Lebedev als "sehr realistisch".

Augmented Reality sei ein erster Schritt in diese Richtung, bei der Menschen noch ihre normalen Sinne gebrauchten. Lebedev spricht in diesem Kontext von einem "Exo-Gehirn", das menschliche Schwächen - beispielsweise beim Erinnerungsvermögen - ausgleicht.

"Ein Computer könnte mit dem Gehirn zusammenarbeiten. Das Gehirn gibt Beispiele und der Computer lernt und das Gehirn benutzt dann die Rechenleistung eines externen Geräts", sagt Lebedev.

Auf der F8 gewährte Facebook Einblick in die neuste Forschung. Das Ziel ist, Gedanken in Sprache umzuwandeln und über die Haut zu übertragen.

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Jede Fähigkeit des Gehirns kann erweitert werden

Laut Lebedev wird jede Art von Gehirn-Erweiterung möglich sein. Jede Funktion im Gehirn könne verstärkt oder verbessert werden. Beispielsweise könne ein Sensor hinzugefügt werden, der es Menschen ermöglicht, elektromagnetische Felder wahrzunehmen. Bringt man die Sensoren am Kopf an, ist laut Lebedev eine Rundumsicht möglich wie sie Hasen, Kühe oder Pferde beherrschen.

Die Anzahl möglicher Methoden für Hirn-AR ist laut Lebedev groß, auch wenn noch viel Forschung nötig ist. Externe Geräte wie EEGs beschreibt Lebedev als ungenau und langsam. Das Potenzial von Implantaten habe die Wissenschaft bislang nicht im Ansatz erfasst.

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Neben Elektrotechnik bieten laut Lebedev die Chemie und Genforschung Potenzial für die Hirnoptimierung. Eines Tages könnten sogar Hirnzellen anderer Organismen ins menschliche Gehirn transplantiert werden.

"Jede Science-Fiction-Idee wird heutzutage realisiert, ich sage zu nichts nein", sagt Lebedev.

Reiche Menschen zuerst

Er sei optimistisch, so Lebedev, und verspreche sich von Gehirn-AR in erster Linie Vorteile. "Wir wollen uns wirklich verbessern; wir möchten weniger primitiv sein", sagt Lebedev.

Suchtverhalten ähnlich wie bei Drogen könne ein Problem werden, beispielsweise bei einem Implantat im Lustzentrum, das permanent stimuliert. "Das möchte man wahrscheinlich nicht, aber es ist wohl schwierig zu vermeiden."

Ein weiteres Negativszenario könnten vollständig kontrollierbare Soldaten sein. Außerdem diene jedes Hirn-Interface potenziell als Lügendetektor. "Man könnte damit Sachen entdecken, die man nicht offenlegen möchte, die privat sein sollten", sagt Lebedev.

Weniger Sorgen macht sich der Hirnforscher bezüglich des Zugangs zur Technologie. Reiche Menschen bekämen die Hirn-Erweiterungen zwar zuerst, aber zu diesem Zeitpunkt seien die Geräte noch sehr teuer, umständlich und funktionierten schlecht. Sobald sie besser und günstiger seien, bekäme jedermann Zugang. "In einer kapitalistischen Gesellschaft ist das kein Problem."

Forscher vernetzten in einem Experiment drei menschliche Gehirne über Lichtsignale: Die Probanden konnten sich zur passenden Ausrichtung eines Tetris-Blocks Kraft ihrer Gehirnwellen koordinieren.

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| Source: Singularity Hub