HTC Vive: Raptor Valley ausprobiert - Ein hektischer Dino-Spaß

HTC Vive: Raptor Valley ausprobiert - Ein hektischer Dino-Spaß

Als ich "Raptor Valley" zum ersten Mal startete, waren meine Erwartungen niedrig. Ganz zu Unrecht, wie sich herausstellte. Denn in der folgenden Stunde habe ich so oft gezittert, geflucht und gelacht wie bei keinem anderen Spiel für HTC Vive. Noch außergewöhnlicher als das Spiel ist aber dessen Entstehungsgeschichte. Denn Raptor Valley wurde im Alleingang von einem ungelernten Programmierer entwickelt, der tagsüber in einem Warenhaus Kisten schleppt und nachts an seinem Computer sitzt und an seinem Traum arbeitet: ein VR-Spielentwickler zu werden.

Man stelle sich einmal vor, man wache in der Wildnis auf, umgeben von mannshohen Gräsern, sodass man nur den Sternenhimmel über sich sehe. Der Blick vermag die grüne Dunkelheit nicht zu durchdringen und das Einzige, was man hört, ist das Zirpen von Zikaden. Doch plötzlich tut sich was. Oder war das nur der Wind, der über Gräser strich? Das gleiche Geräusch kommt nun aus einer anderen Richtung. So geht es weiter, bis das Rascheln nach und nach von allen Seiten an das Ohr dringt und allmählich näher kommt.

Das Einzige, was man mit sich führt, ist eine Taschenlampe. Deren Licht vertreibt zwar die grünen Ungeheuer, aber sie macht auch sichtbar, was hinter den Gräsern lauert. Das Furchterregende an Raptoren ist ja, dass sie mit dem grünen Hintergrund verschmelzen. Gerade zu Beginn ist man sich deshalb oft nicht sicher, ob man überhaupt etwas gesehen hat.

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Effektives Angstszenario

In diese Situation wirft einen Raptor Valley und es tut dies erstaunlich effektiv. Das liegt zum einen daran, dass sich alles in unmittelbarer Nähe zuträgt. So macht sich der Fliegengittereffekt - der meist in der Distanz besonders deutlich wird - kaum bemerkbar und die Umgebung wirkt besonders plastisch und glaubhaft. Zum anderen gibt das Spiel einem die Aufgabe, bis zum Morgengrauen im Dschungel auszuharren. So entsteht ein Kontinuum von Raum und Zeit, das die Spannung mit jeder verstrichenen Minute höher steigen lässt und einem das Gefühl gibt, wirklich vor Ort zu sein.

Eine Geschichte erzählt "Raptor Valley" nur in Grundzügen. Über Funk nimmt eine Frau mit dem Spieler Kontakt auf und gibt sich als jene Person zu erkennen, die ihn willentlich in diese missliche Situation gebracht hat. Später meldet sich eine zweite Frau und fordert den Spieler zum Durchhalten auf, da ein Rettungsteam losgeschickt worden sei. Wie zu erwarten, eskaliert die Situation mit dem Fortschreiten der Nacht zusehends und um sich die Biester vom Hals zu halten, muss der Spieler später zu einer Leuchtpistole greifen. Da es eine Weile dauert, bis sie wieder geladen ist, sollte man sich genau überlegen, wann man sie einsetzt.

Aus dem Horror in die Action

Da der Schwierigkeitsgrad stetig ansteigt, passiert es früher oder später, dass man unachtsam wird und den Raptoren zum Opfer fällt. Dann muss der letzte Speicherpunkt geladen werden. Leider wird dadurch die sorgfältig aufgebaute Spannungskurve mit einem Schlag zerstört und der Spieler in die Realität zurückgeholt. Es hätte dem Spiel weitaus besser getan, wenn die Gefahr, gefressen zu werden, nur eine kunstvoll aufrecht erhaltene Illusion oder der Schwierigkeitsgrad zumindest tiefer angesetzt wäre. Denn spätestens nach dem zehnten Ladevorgang hat das Szenario seinen Schrecken verloren.

Der Horror verfliegt spätestens dann komplett, als man eine doppelläufige Schrotflinte erhält. So wechselt das Spiel während eines Augenaufschlags seine Tonlage. Die Shootermechanik ist simpel, funktioniert aber gut. Die spielerische Herausforderung hierbei ist, dass die Schrotflinte nur zwei Schuss Munition hat und danach neu geladen werden muss. Da manchmal drei Raptoren hintereinander angreifen, kann das Überleben so zur Glückssache werden.

Eine Flucht wie auf dem Skateboard

Nachdem man auch diese Herausforderung überstanden hat, hetzt einem das Spiel schließlich eine ganze Herde Raptoren auf den Hals. Jetzt bleibt nur noch die Möglichkeit zur Flucht. Weil sich der virtuelle Körper dabei von selbst in Gang setzt und bewegt, fühlt sich das an, als würde man auf einem fahrenden Skateboard stehen. Noch absurder wird es, wenn man sich umdreht, um die heranstürmenden Raptoren beim Rückwärtslaufen ins Korn zu nehmen.

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Die unfreiwillige Komik dieser künstlichen Fortbewegungsart befeuert den Spielspaß aber ungemein, so dass man durchaus auf seine Kosten kommt, wenn man sich erst einmal auf das irre Szenario einlässt. Raptor Valley ist eines jener Spiele, die zweifellos als Attraktion taugen. Man zeigt es seiner Freundin oder der Mutter, um sie zu erschrecken und es könnte zu einem festen Bestandteil einer jeden Vive-Party werden.

Vom Lagerist zum Spielentwickler

Kurz nach der Veröffentlichung des Spiels auf Steam hat sich der Entwickler Andrew Stout bei Reddit zu Wort gemeldet und erzählt, wie er die Idee zu dem außergewöhnlichen Titel hatte. Der Indie-Entwickler hat tagsüber als Lagerist in einem Warenhaus gearbeitet und nachts an Raptor Valley getüftelt. Das Programmieren hat er sich selbst beigebracht. Sein Traum ist es, dereinst hauptberuflich als VR-Spielentwickler arbeiten zu können.

Raptor Valley wurde zuerst für Samsung Gear VR entwickelt, da sich Andrew Stout keines des High-End- VR-Systeme leisten konnte. Dass es das Spiel in einer stark verbesserten Version auf den PC und HTC Vive geschafft hat, verdankt er einer Reihe glücklicher Zufälle und eines großzügigen Wohltäters. So war er als Helfer für einen Einsatz an der CES vorgesehen, einer Messe für Unterhaltungselektronik, die alljährlich in Vegas stattfindet. Er hatte eine Eintrittskarte erhalten, wurde vor Ort dann aber doch nicht gebraucht.

Somit hatte er Gelegenheit, die Messe zu besuchen und HTC Vive auszuprobieren. Während er vor den Demos Schlange stand, lernte er einen Mann namens Dustin kennen und zeigte ihm seine Gear-VR-Version von Raptor Valley. Dustin versprach daraufhin, ihm zu helfen, das Spiel auf den PC zu bringen. Monatelang war nichts mehr zu hören, bis sich Dustin plötzlich wieder meldete und anbot, ihm ein Vive-System zu kaufen. Stout sagte verblüfft zu und machte sich daran, das Spiel neu für HTC Vive aufzusetzen.

Raptor Valley ist bei Steam für reduzierte 7,64 Euro erhältlich.

| Featured Image: Andrew Stout