Historiker sieht Parallelen zwischen Virtual Reality und Religion

Historiker sieht Parallelen zwischen Virtual Reality und Religion

Yuval Harari ist ein israelischer Historiker, der mit seinem Buch "Eine kurze Geschichte der Menschheit" einen Welterfolg feiern konnte. Widmete er sich dort der Entwicklung des Menschen von der Prähistorie bis in die Gegenwart, wirft er in seinem neusten Buch "Homo Deus. Eine Geschichte von Morgen" einen Blick in die Zukunft. Der politische Kolumnist Ezra Klein sprach in einem Podcast mit Yuval Harari. Bei ihrem Gespräch streiften sie die Rolle, die Virtual Reality in dieser Zukunft spielen könnte.

Yuval Harari glaubt, dass die Menschheit in 300 Jahren keine führende Rolle mehr auf dem Planeten haben wird. Die menschliche Rasse werde sich stattdessen entweder selbst ausgelöscht oder - was viel wahrscheinlicher ist - zu einem kybernetischen Lebewesen weiterentwickelt haben, das vom gegenwärtigen Menschen weiter entfernt ist als der Homo Sapiens vom Schimpansen.

Künstliche Intelligenz soll in dieser Entwicklung eine große Rolle spielen. Harari betont, dass man im Kontext dieser Thematik zwischen "Intelligenz" und "Bewusstsein" unterscheiden müsse. Intelligenz sei das Vermögen, Probleme zu lösen, während Bewusstsein sich darin auszeichne, dass es Dinge fühlen könne.

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Science-Fiction sei von letzterem fasziniert, obwohl in dieser Richtung null Fortschritte erzielt wurden. "Es gibt absolut keinen Grund anzunehmen, dass Computer auch nur nahe daran sind, ein Bewusstsein zu entwickeln", meint Harari.

Roboter ersetzen Menschen

"Die Frage ist nicht, ob sich Menschen in Roboter verlieben oder Roboter Menschen töten werden. Die Frage ist, wie die Welt einer Superintelligenz aussieht, die sich ihrer selbst nicht bewusst ist. Es gibt nichts in der bisherigen Geschichte der Menschheit, das uns auf ein solches Szenario vorbereiten könnte", meint Harari.

Das Vermögen künstlicher Intelligenz, Muster zu erkennen und sich zu vernetzen, um das gewonnene Wissen zu teilen, werde das des Menschen bei weitem übersteigen, sagt Hariri voraus.

"Die Szenarien, in denen die KI über die menschliche Intelligenz hinausgeht, sind Szenarien, die wir uns nicht vorstellen können", sagt der Historiker und prophezeit, dass diese Entwicklung zu einer wirtschaftlichen und politischen Entwertung der Menschen führen wird. Harari spricht von einer "großen, nutzlosen Klasse". "Wenn das passiert, verliert das System den Anreiz in menschliche Wesen zu investieren."

Das große Problem ist die Sinngebung

Gut ausgebildete Fachkräfte wie zum Beispiel Ärzte könnten von diesem Wandel ebenso betroffen sein wie Taxifahrer, da eine KI Krankheiten irgendwann verlässlicher diagnostizieren könne als ein Arzt. Doch was passiert mit den Menschen, die wegen diesen Entwicklungen ihren Job verlieren?

Ezra Klein fragt Harari, ob es nicht naheliege, dass sich die große Zahl Unbeschäftigter in die Virtual Reality zurückzieht, die zu einer gewaltigen Zerstreuungsmaschine werden könnte.

Harari bestätigt, dass das Problem, das sich mit dieser gewaltigen Umwälzung einstellt, nicht wirtschaftlicher Natur ist. Für Harari ist die große Frage vielmehr, welchen Sinn die Menschen dem Leben geben, wenn sie nicht mehr arbeiten müssen.

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Harari meint pessimistisch: "Die besten Antworten, die wir darauf haben, sind Drogen und Computerspiele. Die Menschen werden ihre Stimmungen mehr und mehr mit biochemischen Substanzen regulieren und sich mehr und mehr mit dreidimensionalen, virtuellen Realitäten beschäftigen."

Religion als eine Form von Virtual Reality?

Harari stellt einen Vergleich zwischen Virtual Reality und Religion an: "Wir haben seit Tausenden von Jahren in VR-Spielen Sinn gefunden. Nur haben wir sie bisher 'Religion' genannt." Dieser Gedanke ist nicht neu. Der Stanforder VR-Forscher Jeremy Bailenson beschrieb Religion in seinem Buch "Infinite Reality" ebenfalls als eine Art von Virtual Reality.

Um zu erklären, was die Menschen an dieser Technologie fasziniert, führt Bailenson Virtual Reality auf ein Grundverlangen des Menschen zurück: der Sehnsucht nach einer nicht-physischen, alternativen Realität. Eine Erfüllung dieser Sehnsucht kann mit fortschrittlichen technologischen Mitteln ebenso erreicht werden, wie mit der bloßen Vorstellungskraft - oder Glaubensgrundsätzen.

Bailenson liest die gesamte Mediengeschichte vor dem Hintergrund dieses Gedankens. So gesehen entspringen kulturelle Phänomene wie das Geschichtenerzählen, die Kunst und die Religion dem Verlangen nach einem Sinn, den die physische Realität allein nicht hergibt.

Aus dieser Perspektive betrachtet, ist Virtual Reality nichts radikal Neues, sondern lediglich die jüngste Form von Technologie, die dem Menschen erlaubt, alternative Realitäten zu erforschen und Sinn zu generieren. Ob und wie diese Technologie missbraucht wird, ist eine andere Frage.

Der vollständige Podcast mit Yuval Harari findet sich unten.

Mit dem Trendforscher Matthias Horx sprechen wir über die Blaulichtbezirke der Zukunft und eine Flucht in virtuelle Welten.

Virtual Reality: "Es wird eine gewaltige Kultur­debatte geben"

Homo Deus
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https://soundcloud.com/panoply/yuval-harari-author-of-sapiens-on-ai-religion-and-60-day-meditation-retreats/s-sHwK3

| Featured Image: Pexel | Source: Vox