Gleitsicht in VR: So sieht das Next-Gen-Feature in der Praxis aus

Gleitsicht für mehrere Fokusebenen ist ein wichtiges Feature kommender VR-Displays. Videos zeigen, wie es digitale Welten darstellen könnte.
Es ist ein Problem, das so alt ist wie VR-Brillen selbst: Nach einer längeren Zeit in der Virtual Reality tun die Augen weh und der Schädel brummt. Die Ursache ist ein Phänomen, das auch als Vergenz-Akkommodation-Konflikt (VAK) bezeichnet wird.
Nimmt man ein Objekt in der natürlichen Umgebung in den Blick, so passieren zwei Dinge. Zum einen stellen sich die Augenbälle durch sanfte Rotation auf das Objekt ein, um eine optimale stereoskopische Sicht zu gewährleisten. Dieses Phänomen nennt man Vergenz. Zum anderen werden die Linsen mittels Muskelkontraktion so geformt, dass das Objekt scharf erscheint. Dieses Phänomen nennt man Akkommodation.
Wie kommt der Vergenz-Akkommodation-Konflikt zustande?
Ein Konflikt zwischen diesen Mechanismen entsteht erst im Nahbereich: Die Augenbälle konvergieren, um das nahe Objekt in den Blick zu nehmen, während die Linsen aufgrund fehlerhafter Tiefeninformation davon ausgehen, dass das Objekt unendlich weit entfernt ist und in infolgedessen nicht richtig scharf stellen. Das Ergebnis ist ein unscharfes Abbild der gesamten virtuellen Umgebung.
Dass Vergenz und Akkommodation auf Objekte in unterschiedlicher Entfernung hinarbeiten, irritiert das Gehirn, wodurch es bei längerer Verweildauer zu den oben genannten unangenehme Symptomen kommen kann.
Half-Dome: Metas varifokale Display-Prototypen
Die Industrie arbeitet seit vielen Jahren an Displays, die Gleitsicht in VR ermöglichen sollen, also das natürliche Fokussieren und Scharfstellen virtueller Objekte in beliebiger Entfernung. Als besonders vielversprechend gelten varifokale Displays und Lichtfeld-Displays.
2015 entwickelte Meta einen wuchtigen Varifokal-Prototyp mit feinmechanischen Teilen. In den folgenden Jahren miniaturisierte und vereinfachte Meta die Technologie. Das Ergebnis ist ein Prototyp mit Namen Half-Dome 3, der auf unbewegliche Flüssigkristalllinsen setzt. Sie erzeugen durch unterschiedliche elektrische Ladung bis zu 64 verschiedene Fokusebenen und liefern dem Auge so die Tiefeninformation, die es benötigt, um korrekt auf nahe Objekte scharfzustellen.

Half-Dome 3 bietet Gleitsicht trotz schmalem Formfaktor. | Bild: Meta
Ein Nachteil varifokaler Displays ist, dass sie präzises und schnelles Eye-Tracking voraussetzen: Das VR-Headset muss ermitteln, was das Auge anblickt und die nächstgelegene Fokusebene aktivieren. Gerenderte künstliche Unschärfe liefert weitere Tiefeninformationen, die die Akkommodation unterstützt.
Das folgende Video zeigt das Bild aus Metas frühestem Varifokal-Prototyp, der bereits erstaunlich gut funktioniert: Man sieht den Fokuspunkt des Auges und wie das System zwischen verschiedenen Fokusebenen wechselt.
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Der Headset-Träger kann wie beim Blick in eine natürliche Umgebung durch Akkommodation abwechselnd Vorder- und Hintergrund fokussieren, wobei eine Ebene scharf, die andere unscharf wird. Besonders schön zeigt sich das beim Maschendrahtzaun.
Lichtfeld-Display von Creal
Lichtfeld-Displays sind eine zweite vielversprechende Technologie, die den Vergenz-Akkommodation-Konflikt lösen könnte. Auf diese Lösung wettet unter anderem das Schweizer Start-up Creal (ausgesprochen wie englisch "see-real"), das seit fünf Jahren an Lichtfeldtechnologie arbeitet und seither verschiedene VR- und AR-Prototypen vorgestellt hat.
Creals Display ahmt das Verhalten von Licht nach, das von der natürlichen Umgebung reflektiert wird. Die Fokusebenen sind damit schon in der Bildinformation enthalten und müssen nicht eigens simuliert werden: Das Auge kann natürlich fokussieren, nicht einmal Eye-Tracking ist notwendig. Das folgende Video veranschaulicht die Funktionsweise der Technologie.
Creal hat Videos veröffentlicht, die das Lichtfeld-Display in der Praxis zeigen. Das jüngste Video stammt aus dem Juni und demonstriert den VR-Prototyp. Es zeigt hervorragend den fokalen Wechsel zwischen Vorder- und Hintergrund, je nachdem, was die Kamera fokussiert: einmal die Hand und Finger, einmal das Display dahinter.
Das Lichtfeld erscheint in der Bildmitte innerhalb eines hochauflösenden 30-Grad-Sichtfelds, das dem fovealen Bereich des Auges entspricht. Das umgebende Sichtfeld wird durch ein herkömmliches, niedriger auflösendes Display dargestellt. Dieses Prinzip eines Doppeldisplays kennt man von Varjos Premium-Headsets.
Da das Lichtfeld schmaler ist, sinkt auch der Renderaufwand, was ein Vorteil ist für den Einsatz der Technologie. Das Team arbeitet nun an einem fovealen Darstellungsbereich, der sich mit dem Auge bewegt, um das Display noch effizienter zu machen.
Der aktuelle VR-Prototyp ist noch sehr klobig, schwer und teuer in der Herstellung. Creal will die Größe des Headsets in den nächsten Jahren auf den Formfaktor einer Skibrille reduzieren.
Wer mehr über Creals VR- und AR-Lichtfelddisplays erfahren möchte, kann sich einen Vortrag des Mitgründers und CEOs Thomas Sluka bei Youtube ansehen.
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