Augmented Reality: Star Wars Jedi Challenges im Test
Geht es nach Lenovo, dann steht am Weihnachtsabend nicht das Christkind im Wohnzimmer, sondern Darth Vader. "Star Wars: Jedi Challenges" kommt mit einer eigenen Augmented-Reality-Brille für das Smartphone und einem Lichtschwert-Controller. Ob die AR-Brille samt Star-Wars-Erlebnis 300 Euro wert ist, zeigt der Test.
Mit Star Wars: Jedi Challenges liefert Lenovo gleich zwei Hypes in einem Paket: Augmented Reality ist seit Pokémon Go und Apples ARKit-Offensive auf Augenhöhe mit der Aufregung um Virtual Reality. Star Wars erlebt mit neuen Episoden gerade seine gefühlt hundertste Renaissance seit den 70er Jahren.
Hinzu kommt, dass die Zielgruppe der Star-Wars-Fans und Tech-Liebhaber eine größere Schnittmenge haben dürfte und Lenovo mit dem Tango-Phablet Phab2 Pro schon erste Erfahrungen mit Smartphone-AR sammeln konnte.
___STEADY_PAYWALL___Bei all diesen Vorzeichen wäre es aus unternehmerischer Sicht wohl grob fahrlässig, keine Augmented-Reality-Lichtschwertkampf-Simulation zum Weihnachtsgeschäft auf den Markt zu bringen. Lenovo ließ sich von der Macht leiten und präsentiert mit Jedi Challenges ein Produkt, das sehr junge Jedis für kurze Zeit begeistern und Augmented-Reality-Enthusiasten kalt lassen dürfte.
So funktioniert Jedi Challenges
Lenovos "Mirage" getaufte AR-Brille ist mehr als eine reine Plastikhalterung fürs Smartphone: An der Vorderseite links und rechts sind zwei Kameras verbaut. Diese orientieren sich anhand eines kleinen Leuchtballs im Raum, der mittig auf der Spiefläche positioniert wird.
Im Zusammenspiel mit den Lagesensoren des Smartphones liefern die Kameras so die Daten für die Positionserkennung und projizieren die digitale Lichtschwertklinge auf den Controller-Knauf. Der hat eigene Bewegungssensoren und einen Akku verbaut und wird via Bluetooth mit dem Smartphone verbunden.
Das Smartphone selbst wird relativ fummelig in einen Schacht an der Oberseite der Brille geschoben, via Micro-USB mit ihr verbunden und übernimmt ab dann sämtliche für Jedi Challenges notwendige Berechnungen.
Es dient auch als Display: Anders als bei einer mobilen VR-Brille schaut der Mirage-Träger jedoch nicht direkt auf den Screen, sondern dessen Bild wird mit zwei Spiegellinsen in den Raum umgelenkt.
Dadurch entsteht der Eindruck, dass sich die Star-Wars-Figuren – zumindest ungefähr – in der gleichen Umgebung befinden wie man selbst. Anders als bei einer VR-Brille hat man die Realität weiter im Blick.
Das Sichtfeld der Brille gibt Lenovo mit circa 33 Grad vertikal und 60 Grad horizontal an. Weiter entfernte Hologramme hat man meist vollständig im Blick. Sobald die Figuren aber auf ein bis zwei Meter herankommen, sind nur noch Ausschnitte sichtbar.
Wackelige Angelegenheit
Die Positionserkennung ist die große Schwachstelle von Lenovos Augmented-Reality-Technologie. Die digitale Lichtschwertklinge sitzt nie exakt auf dem Controller-Knauf und verschiebt sich mit jedem kraftvollen Schwung um einige Millimeter. Hinzu kommt eine deutliche Verzögerung – ein wenig fühlt es sich an, als würde man unter Wasser kämpfen.
Zwar kann die Klinge mit einem schnellen Knopfdruck direkt am Lichtschwert-Controller neu ausgerichtet werden. Aber das Gefühl, tatsächlich eine Jedi-Waffe zu führen, kommt trotz authentischem Schwertknauf nicht wirklich auf.
[blockquote]Eher tragbarer 3D-Screen als echte Augmented-Reality-Brille[/blockquote]Ebenfalls fügen sich die Projektionen nicht realistisch in den Raum ein: Wer Jedi Challenges nicht gerade in einer Turnhalle, sondern in einem normalen Zimmer spielt (Testbereich: 3 x 3 Meter), wird die Star-Wars-Figuren durch Wände marschieren sehen. Hinzu kommt, dass sie ihre Position bei jeder Kopfbewegung leicht verschieben. Für eine glaubhafte Mischrealität müssten die Figuren viel stärker im Raum verankert sein.
Insgesamt wirkt die Mirage-Brille samt Smartphone eher wie ein tragbarer 3D-Screen, der den Bildausschnitt anhand der Kopfbewegungen des Brillenträgers ausrichtet. Dass die AR-Projektionen nicht einmal die ordentliche Stabilität von Googles und Apples Software-AR-Lösungen ARCore und ARKit erreichen, ist enttäuschend.
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Inhalt und Grafik stimmen
Diese technischen Mängel sind besonders schade, da Jedi Challenges eigentlich ein interessantes Produkt ist. Die App ist hochwertig produziert und vermittelt das vertraute Star-Wars-Gefühl.
Die Hologramm-Figuren sind für Smartphone-Grafik sehr detailliert gestaltet und in typischer Star-Wars-Optik gerendert – mit leichtem Blauschimmer und halbtransparent, wie man die Hologramme aus den Filmen kennt. Figuren wie Darth Maul oder der Ehrfurcht gebietende Darth Vader haben einen hohen Wiedererkennungswert.
[blockquote]Nichts für Couch-Sitzer[/blockquote]Auch spielerisch sind die Lichtschwertkämpfe clever umgesetzt: Die Mischung aus vorgegebenen Bewegungen und dem Freikampf ist durchaus fordernd, unterhaltsam und setzt den Kreislauf in Gang. Im Kampf gegen Sturmtruppler kann man deren Lasergeschosse stilecht mit der Lichtschwertklinge zurückfeuern. Eltern, die sich wünschen, dass der Nachwuchs beim Zocken nicht nur auf der Couch sitzt, wird’s freuen.
Ergänzend zu den Lichtschwertduellen, die geübte Jedis in rund ein bis zwei Stunden durchlaufen haben, gibt es bei dem aus dem Urfilm bekannten Hologramm-Schach sowie einem Strategiespiel etwas ruhigere Unterhaltung.
Der Strategieableger erinnert an Tower-Defense-Spiele: Als Kommandeur leitet der Spieler Rebellentruppen im Kampf gegen imperiale Streitkräfte an und platziert Einheiten auf dem Schlachtfeld. Die langsame und wackelige Bewegungserfassung des AR-Systems stört hier lange nicht so sehr wie bei den viel dynamischeren Lichtschwertduellen.
Fazit: Jedi Challenges ist wie gemacht für die VR-Brille
Star Wars: Jedi Challenges ist ein ambitioniertes Produkt, das viel zu früh dran und konzeptionell nicht zu Ende gedacht ist. Es zeigt, dass Augmented-Reality-Spiele erst dann Sinn ergeben, wenn sie die reale Umgebung in den Spielverlauf einbeziehen, anstatt sie nur als Kulisse zu benutzen.
Stellt euch vor, dass Darth Vader nicht nur so ungefähr im Raum schwebt, sondern euch hinter der Tür auflauert, sobald ihr die Wohnung betretet. Die Technologie, die solche Erlebnisse auf einem hohen Niveau ermöglicht, existiert jedoch bestenfalls als noch nicht marktreifer Prototyp.
[blockquote]Warum sollte Darth Vader in eurem Wohnzimmer abhängen?[/blockquote]Bis dahin ist das Spielkonzept von Jedi Challenges deutlich besser in der Virtual Reality aufgehoben und würde dort schon heute ohne die zahlreichen technischen Kompromisse der Smartphone-AR-Lösung funktionieren. Zusätzlich würde das gesamte Spiel durch eine digitale VR-Kulisse mit Star-Wars-Atmosphäre gewinnen. Denn mal ganz ehrlich: Warum sollte Darth Vader in eurem Wohnzimmer abhängen?
Bei einem Preis von 300 Euro zuzüglich eines kompatiblen Smartphones ist Lenovos AR-Brille in Anbetracht der technischen Mängel einfach viel zu teuer für einen netten Party-Gag oder als Kindergeschenk. Da hilft auch der Star-Wars-Bonus nicht. Wer Wert legt auf digitale Lichtschwertduelle, spart das Geld lieber für ein hochwertiges VR-System. Drei Star Wars VR-Apps sind schon am Markt, weitere in Produktion.
Letzte Aktualisierung am 2024-12-06 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API / Preis inkl. MwSt., zzgl. Versandkosten
Hinweis zu kompatiblen Smartphones für Lenovo Mirage:
Ich testete Jedi Challenges mit dem von Lenovo empfohlenen Moto Z² und einem Pixel 2. Die unterschiedliche Displaygröße spielt keine Rolle, da die App nur einen Ausschnitt des Screens benutzt.
Im direkten Vergleich hatte das Pixel-2-Bild einen etwas besseren 3D-Effekt und war horizontal präziser ausgerichtet. Die geringere Bildschirmauflösung (nur 1080p) fiel mir nicht negativ auf. Insgesamt lief Jedi Challenges mit beiden Smartphones sehr ähnlich.
Laut Lenovo sind folgende Smartphones kompatibel: iPhone 8 Plus, iPhone 8, iPhone 7 Plus, iPhone 7, iPhone 6s Plus, iPhone 6s, iPhone 6 Plus, iPhone 6, Samsung Galaxy S8, Galaxy S7 edge, Galaxy S7, Google Pixel XL, Google Pixel, Moto Z² Force Edition, LG G6.
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