Assassin's Creed Nexus VR im Test: Oh. Mein. Gott. Wie. Gut.
Assassin’s Creed Nexus ist eine Offenbarung für VR. Grafik, Gameplay und Story glänzen auf der Quest 3, wie ich es kaum für möglich gehalten hätte.
Dieses Spiel ist der Zeigefinger, der sich auf deinen Mund legt, wenn du gerade dabei bist, über mobile VR herzuziehen. Es legt dir elegant einen Maulkorb an, wenn du wieder einmal von PC-VR als einzig wahrem VR schwärmen willst. Es ist der mitleidige Seitenblick auf Sonys Playstation VR 2: Schau her, das hättest du sein können!
Ihr habt eine Lizenzgurke erwartet? Ihr dachtet – so wie ich – dass das ausgelutschte und mittlerweile zum seelenlosen Grindfest verkommene Assassin’s Creed in VR nur ein Fehlschlag werden kann, zumal es nur für Quest 2, Quest Pro und Quest 3 erscheint?
Nach meinem eher durchwachsenen Eindruck vom Anspiel-Event in London muss ich sagen: Sämtliche Befürchtungen sind unbegründet. Zum jetzigen Zeitpunkt ist Assassin’s Creed Nexus mein VR-Spiel des Jahres – und es setzt hohe, neue Maßstäbe für VR-Spiele auf mobilen VR-Brillen.
Hier kommen meine Gründe.
Inhalt
Assassin’s Creed Nexus VR Test in aller Kürze
Große, teils wunderschöne Städte und Levels. Tolle NPCs und eine ausgezeichnete Geschichte mit diversen emotionalen Höhepunkten für Assassin’s Creed-Fans sowie geradezu genialen Details. Großteils perfekt umgesetztes Assassin’s Creed-Gameplay mit begeisternden Meuchel-Attacken und wilden Parcours über die Dächer der Städte.
Assassin’s Creed Nexus hebt das in die Jahre gekommene Franchise endlich auf das nächste Level und läutet mit seiner Qualität einen technologischen Paradigmenwechsel ein: PC und PS5 sind nicht mehr die alleinigen Plattformen für besonders hochwertige und umfangreiche VR-Erfahrungen. Die Quest 3 ist mit Assassin’s Creed Nexus zur AAA-Plattform geworden.
Getestet auf: Quest 3
Assassin’s Creed Nexus ist für euch geeignet, wenn ihr …
- ein echtes Assassin’s Creed in VR erleben wollt,
- selbst zu Ezio, Kassandra und Connor werden möchtet,
- eine tolle, große und grafisch beeindruckende Spielwelt auf der Quest sucht,
- klasse Vertonung in deutscher Sprache bevorzugt,
- begeisterndes Meuchel-Gameplay wünscht und
- diverse coole Details in Story und Spiel erleben möchtet.
Assassin’s Creed Nexus ist für euch weniger geeignet, wenn ihr …
- einzelne Pixel zählen und diverse schwach aufgelöste Umgebungsgrafiken kritisieren wollt und
- ein perfektes Nahkampfsystem erwartet, das ist es nämlich leider nicht.
Eine gute XR-Story ist viel mehr als nur Worte
Ich bin einer jener Kritiker der Assassin’s Creed-Reihe, die ihren Höhepunkt im zweiten Teil sehen. Danach vergab Ubisoft meiner Meinung nach die Chance auf einen epische, übergeordneten Handlungsstrang zugunsten von populären Settings. Sicher, einige der Folgespiele waren für sich gut, manche vielleicht sogar sehr gut, etwa Black Flag. Aber gerade die letzten Spiele sind doch ziemlich stark durch Dauergrind und einfalls- und seelenloses Quest-Design geprägt.
Da ist eine Frischzellenkur dringend nötig – und die hat Ubisoft Red Storm hier abgeliefert. Assassin’s Creed kehrt mit Nexus zur Bestform zurück und verbindet endlich wieder Gameplay mit Geschichte in einzigartiger Weise.
Dabei übersetzt das Studio alles, was Assassin’s Creed groß gemacht hat, hervorragend in VR. Als Ezio Auditore da Firenze begebe ich mich etwa nach Montereggioni und obwohl ich Assassin’s Creed 2 schon mindestens zehn Jahre nicht mehr gespielt habe, ist es, als kehrte ich heim: Die Stadt ist so vertraut, als wäre ich nie weg gewesen und ich bin diesmal wirklich dort, mittendrin.
Ich muss zugeben, das hat den Nerd in mir emotional ein wenig überwältigt.
Ich möchte nicht weiter spoilern, denn diese Erfahrung solltet ihr unbedingt selbst machen, vor allem, wenn ihr langjährige Assassin’s Creed-Fans seid. Neben Ezio spielt ihr auch Kassandra (Assassin’s Creed Odyssey) und Connor (Assassin’s Creed 3). Ihr macht also einige historische Sprünge, die unter anderem visuell für sehr viel Abwechslung sorgen.
Wichtig: Auch die deutsche Vertonung mit den bekannten deutschen Synchronsprechern der bisherigen Assassin’s Creed Spiele ist ganz exzellent.
Außerdem benutzt Ubisoft Red Storm einen kleinen, aber genialen Kniff, um mich in die übergeordnete Hacker-Story in der Gegenwart zu holen: Mixed Reality. Ich war völlig überrascht, als ich mich plötzlich in meinem Zimmer wiederfand, im Raum vor mir das digitale 3D-Menü eines Kommunikations-Panels, das mich mit meinen Kontakten bei der Bruderschaft verbindet.
Der Wechsel in Mixed Reality bewirkt, dass der gesamte aktuelle Handlungsstrang real wird: Ich BIN dieser Hacker, und zwar jetzt. Das wird durch weitere kleine Details unterstützt, etwa wenn im VR-Cyberspace meine virtuellen Gesprächspartner:innen mit ihren Händen vor das virtuelle Gesicht greifen, um in der „Realität“ die VR-Brille abzunehmen und dann folgerichtig in VR verschwinden.
Das sind Details, die Glaubwürdigkeit und Immersion schaffen, ohne sie bloß vorzugaukeln. Die Entwickler:innen beweisen eindrucksvoll, dass sie nicht nur eine Geschichte mit Worten erzählen können, sondern dass sie VR als narratives Medium mit all seinen Facetten verstanden haben.
Assassin’s Creed Nexus macht aus Quest 3 eine AAA-Plattform
Ich habe schon ein paar VR-Spiele gesehen. Ich habe erlebt, was Entwickler:innen mit geringen Mitteln in VR zaubern können, wenn sie das Medium verstanden haben. Einige VR-Spiele, etwa Red Matter 2, beeindrucken durch tolle Grafik auf Quest 2 und natürlich noch mehr auf der Quest 3 - klar, die neue XR-Brille hat mehr Power. Richtig ist aber auch, dass solche VR-Spiele in der Regel in relativ kleinen Räumen und Umgebungen spielen und darauf optimiert sind.
„Eine große Open World in grafisch hoher Qualität auf einer mobilen VR-Brille – das ist doch noch Jahre entfernt.“
Ubisoft Red Storm: „Hold my Beer!“
So wie Assassin’s Creed 2 damals das Konzept von Open Worlds in Spielen maßgeblich mitgeprägt hat, so prägt Assassin’s Creed Nexus die Open World auf mobilen VR-Brillen. Natürlich sind auch diese Bereiche begrenzt, aber sie sind viel größer als alles, was es bisher auf einer autarken VR-Brille zu erkunden gab.
Mein eigener virtueller Körper passt sich meist wunderbar an die aktuelle Aktion an, etwa wenn ich in die Hocke gehe oder an einer Wand entlang klettere. Mehr als einmal stehe ich staunend auf Dächern oder Balkonen, etwa in Venedig, unter mir ein geschäftiger Markt voller NPCs. Der Ausblick ist kein Quest-Grafikmatsch: tolle Stadt-Panoramen, Spiegelungen auf Marmor oder feuchten Oberflächen, Details auf Gegenständen, fein gearbeitete Waffen. Hier wurde mit viel Sorgfalt das Maximum herausgeholt.
Im sogenannten Animus-Späher sehe ich die Stadt aus der Vogelperspektive. Als Tabletop-Fan feiere ich das sehr, insbesondere weil die NPCs weiter ihrem Tagewerk nachgehen und ich patrouillierende Wachen sehen und markieren kann. Ich wünschte, jemand würde mal ein Baldur’s Gate-Spiel in VR in dieser Ansicht machen.
Auch aus der Nähe sind die NPCs großartig gelungen und gut animiert. Klar, es sind immer noch typische Assassin's Creed-Animationen, manchmal etwas hölzern, aber das macht nichts. Die NPCs sorgen für eine glaubwürdige, lebendige Welt.
Wer hätte gedacht, dass ich mit einer mobilen VR-Brille auf einen Platz im virtuellen Venedig gehen kann, der richtig gut aussieht und noch dazu voller Leute ist?
Die Bereiche, in denen ich mich bewegen kann, sind groß, teilweise riesig. Monteriggioni ist klein im Vergleich zu Venedig. Alle Gebiete kann ich horizontal und vertikal erkunden. Wenn ich besonders schnell über die Dächer oder durch die Levels sprinte, kann ich erkennen, wie Grafikstreaming die grafische Belastung reguliert und Elemente ins Bild bringt – das fällt aber nur selten auf. Ich halte das für ein Meisterstück der VR-Entwicklungskunst.
Nicht, dass wir uns missverstehen: Die Quest 3 ist natürlich weiterhin limitiert. Aus direkter Nähe kann ich diverse unscharfe 2D-Texturen finden, teilweise deutlich unscharf. Doch das sind fast immer Bereiche, die für die eigentliche Handlung und meinen Fokus unerheblich sind. Die Entwickler:innen haben stattdessen versucht, eine Balance zwischen hohem Detailgrad für wichtige Elemente und geringem Detailgrad oder sogar 2D-Texturen bei weniger wichtigen, eher peripheren Bereichen zu finden.
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Die Mischung ist ihnen vortrefflich gelungen.
Feines VR-Gameplay unterstreicht die Glaubwürdigkeit der Spielwelt
Auch beim Gameplay ist „atemberaubend“ das richtige Wort, denn das Studio hat das Spielgefühl eines Assassin’s Creed sauber in VR übersetzt.
Ich kann so gut wie überall hochklettern oder mich entlanghangeln. Ich kann mich von einer Stange zur anderen schwingen oder seitlich von Vorsprung zu Vorsprung hechten. Ich kann in halsbrecherischer Geschwindigkeit über Dächer und Balkone sprinten und springen.
Als ich die ersten Parcours erfolgreich bewältigt und meinen ersten Todessprung aus schwindelerregender Höhe in einen Heuhaufen vollbracht hatte, war ich begeistert.
Fast alles in diesem VR-Spiel zeugt von Liebe zum Detail und vor allem Respekt für VR und die Spielwelt gleichermaßen.
Ich übergebe Gegenstände an NPCs von Hand zu Hand. Ich öffne und schließe Türen oder Deckel mit realen Handbewegungen. Mit einem einfachen, aber cleveren Minispiel knacke ich mit Dietrichen Schlösser. Ich kann Würfel aufheben, in einen Humpen werfen, sie darin schütteln und wieder auf den Tisch kippen. Aus Gründen.
Assassin’s Creed Nexus VR: Schöner meucheln
Wenn ich am Rand eines Daches hocke, mein reales Handgelenk hochklappe, um die versteckte virtuelle Klinge auszufahren, in Zeitlupe auf mein Opfer hinabspringe und ihm mit Schwung die Klinge in den Körper ramme, dann ist Assassin’s Creed endgültig auf einem neuen Level angekommen. Das ist mit Abstand meine bevorzugte Methode, um zu meucheln, denn es wird nie langweilig.
Auf Entfernung verwende ich je nach Charakter mal einen Bogen, mal die Armbrust. Beide Waffen lade ich mit realistischen Handbewegungen. Die Wurfdolche sind hingegen meine Lebensversicherung: Mit einer fließenden Bewegung greife ich einen Dolch an meiner Brust und schleudere ihn in Richtung Gegner, um zu verhindern, dass er Alarm schlägt.
Ich kann mich aber auch im Nahkampf prügeln, etwa mit Elite- oder Bossgegnern. Dabei ist Timing beim Blocken und Parieren wichtig, aber auch für Konterangriffe. Wenn ich etwas an Assassin’s Creed Nexus zu kritisieren habe, dann ist es das Nahkampfsystem, das insbesondere gegen mehrere Gegner schnell in hektisches Waffenfuchteln ausartet. Dabei blocken Feinde auch wildes Schwertschwingen problemlos und treffen ihrerseits (gefühlt?) zu leicht. Wenn ich nicht rechtzeitig blocke, kontere oder ausweiche, endet das schnell tödlich.
Ich hatte einige tolle Nahkämpfe, in denen alles funktionierte, aber auch frustrierende Auseinandersetzungen, bei denen ich mit der Steuerung, vielleicht aber auch nur mit meiner eigenen Unfähigkeit haderte und mehrfach neu anfangen musste. Ich gehe davon aus, dass insbesondere VR-Spieler:innen, die nur gelegentlich VR spielen, ihre Probleme mit dem Nahkampf haben werden.
Wenn ich in den Nahkampf gezwungen werde oder flüchten muss, kann zudem das Klettern zur Todesfalle werden: In der Hektik greife ich manchmal daneben oder es funktioniert doch mal nicht. Bin ich zu langsam, schießen mich die Wachen von der Wand wie bei einem Schützenfest.
Allerdings ist es in den meisten Fällen viel sinnvoller, entweder vorbeizuschleichen oder Gegner strategisch und leise zu beseitigen. Sehr cool: Pfeile und Wurfdolche kann ich aus den Leichen ziehen und wieder an mich nehmen und die Leiche einfach im nächsten Heuhaufen verstecken oder ins Hafenbecken plumpsen lassen.
Einen weiteren Höhepunkt meines Tests möchte ich zum Schluss meiner Ausführungen zum Kampfsystem mit euch teilen. Ein Soldat in voller Plattenpanzerung störte meine Kreise an einem Turm. Nachdem ein Wurfdolch – eigentlich die Ultima Ratio im Spiel – wirkungslos an ihm abprallte, musste ich mir was anderes überlegen. Ich beobachtete seinen Patrouillenweg und stellte fest, dass er an einer ungesicherten Stelle nahe an den Rand des hölzernen Stegs vorbeikommt. Also kletterte ich unter den Steg und als die Blechdose direkt über mir stand, zog ich mich hoch, packte ihn und schickte ihn mit einem kräftigen Ruck in den Abgrund.
Das war unfassbar befriedigend. Blöd nur, wenn man dabei vergisst, sich selbst weiter festzuhalten.
Komfort & Kritik
Ich leide glücklicherweise nicht an Motion Sickness, weshalb ich mit flüssiger Bewegung spielen kann. Hier entfaltet das Spiel auch sein volles Potenzial, vor allem beim Parcours-Rennen oder bei der wilden Flucht über die Dächer mit teils weiten Sprüngen über Abgründe. Ein Riesenspaß, wenn man es verträgt.
Ubisoft Red Storm hat auch an diejenigen gedacht, denen flüssige Fortbewegung in VR nicht so gut bekommt. Sehr umfangreiche Komforteinstellungen erlauben euch zu teleportieren, die Parcours automatisch durchzuführen, Gitterlinien anzuzeigen, wenn ihr an Höhenangst leidet und Drehungen zu konfigurieren, sowohl schrittweise als auch bei der Geschwindigkeit. Der Umfang der Komfortfunktionen ist vorbildlich.
Die Entwickler:innen von Assassin’s Creed Nexus haben insgesamt sehr sauber gearbeitet. Ich hatte nur einige wenige Bugs. Einmal war der Sound komplett weg und ich musste das Spiel neu starten. Ein anderes Mal konnte ich einen Schlüssel erst aufheben, nachdem ich eine ganz andere Wache umgelegt hatte. Dann wieder flog eine frisch erdolchte Leiche wie ein Flummi durch die Luft.
Wie weiter oben schon bemerkt, könnten einige Details bei Animationen und NPCs noch etwas Feinschliff vertragen. Doch das ist – wenn ich das Gesamtwerk betrachte – Jammern auf ziemlich hohem Niveau.
Assassin’s Creed Nexus VR Test-Fazit: Wer will denn jetzt noch zurück an den Monitor?
Kürzlich erst hat mich Vampire: The Masquerade – Justice auf der Quest 3 begeistert. Assassin’s Creed Nexus setzt da noch einige Schippen drauf. Ich kann nur empfehlen, diesen rund fünfzehnstündigen Abenteuertrip auf der Quest 3 zu genießen. Dort spielt das VR-Spiel alle seine Stärken am besten aus.
Ich hatte nicht damit gerechnet, eine so glaubwürdige, detaillierte, schöne und große Spielwelt auf der mobilen VR-Brille zu sehen. Dazu kommt fantastisches Gameplay, dass die Essenz von Assassin’s Creed nicht bloß in VR übersetzt, sondern die Reihe endlich auf das nächste Level bringt.
Assassin’s Creed Nexus ist meiner Meinung nach der Startschuss für einen technologischen Paradigmenwechsel: VR-Spiele auf autarken VR-Brillen müssen sich nicht mehr vor PC- oder PS5-Spielen verstecken. Wer, der einmal in Assassin’s Creed Nexus einen Rotrock oder Templer-Schergen mit einem Meuchelsprung vom Dach erledigt hat, möchte denn ernsthaft zurück vor den 2D-Monitor? An der Grafik liegt es jedenfalls nicht mehr.
Ubisoft Red Storm beweist eindrucksvoll, dass die Quest 3 eine AAA-fähige Plattform ist, die große und gut aussehende Spielwelten abbilden kann. Ich hoffe sehr, dass das Spiel ein finanzieller Erfolg wird und dass es eine Fortsetzung gibt. Das hat Ubisoft Red Storm verdient und wir VR-Enthusiast:innen natürlich auch.
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