Oculus: "Das Problem der Fortbewegung wird uns noch Jahre beschäftigen"
Die Virtual Reality bietet eine potenziell unendliche Zahl erforschbarer Welten. Das Problem für viele Spieler ist, dass sie diese nicht auf gewohnte Weise durchqueren können, sondern nur sprunghaft. Laut David Yee, der bei Oculus als leitender Spieleproduzent arbeitet, wird es noch Jahre dauern, bis die Industrie eine endgültige Lösung gegen VR-Übelkeit findet.
Im Oculus Store sind Spiele und Apps zu finden, die auf viele unterschiedliche Fortbewegungskonzepte setzen, zum Teil sogar innerhalb des gleichen Spiels. Menschen, die zum ersten Mal mit Virtual Reality in Berührung kommen, dürften sich fragen, weshalb es noch keinen Standard gibt. Oculus hingegen möchte die Vielfalt der Lösungen nicht einschränken.
"Wir verstehen noch nicht, wie das Gehirn funktioniert in Bezug auf das, was zumutbar und nicht zumutbar ist oder wie Menschen sich an die Erfahrung gewöhnen", sagt David Yee gegenüber Upload VR. Die Entscheidung über einen Standard werde nicht Oculus fällen, sondern die Industrie, meint der Produzent.
___STEADY_PAYWALL___Auch Spiele am normalen TV sollen mal Übelkeit ausgelöst haben
"Wenn man 15 Jahre zurückdenkt, fallen einem Ego-Shooter ein, bei denen vielen Leuten schlecht wurde, obwohl die auf einem normalen TV liefen", sagt Yee.
Laut dem Spieleproduzenten brauchten Menschen damals keine VR-Brille, um aufgrund der digitalen Bilder Übelkeit zu empfinden - der Analogstick am Gamepad, der nicht die gleiche 1:1-Übersetzung habe wie eine Maus, hätte als Auslöser schon gereicht. Das Phänomen war allerdings nicht ansatzweise so verbreitet wie bei VR.
Noch keine technische Lösung in Sicht
Yees extrem langfristige Perspektive hat auch damit zu tun, dass bislang keine technische Lösung gegen VR-Übelkeit in Sicht ist. Im Gegenteil: Mit der kommenden Generation VR-Brillen, die noch realistischere Bilder bei weiterem Sichtfeld und höherer Auflösung zeigen, könnte die VR-Übelkeit vermehrt auftreten. Umso mehr unser Gehirn die digitalen Bilder als tatsächliche Realität einstuft, desto stärker fällt der Motion-Sickness-Faktor ins Gewicht.
Experimentiert wird unter anderem mit speziellen Elektroden, die Impulse ans Innenohr senden synchron zur Bewegung in der Virtual Reality. Wie alltagstauglich die Technologie im Moment wirklich ist - sowohl in puncto Funktion als auch Sicherheit - wissen wohl nicht einmal die Erfinder.
Der Mitgründer von Oculus VR Palmer Luckey äußerte 2013 Bedenken zu solchen GVS-Technologien ("Galvanic Vestibular Stimulation") und deren Abstimmung für den Massenmarkt: "Was der eine Nutzer vielleicht gar nicht bemerkt, verbrennt bei einem anderen die Haut." Die Elektroden arbeiten vergleichsweise unpräzise – so als würde man versuchen, einen Text zu schreiben, indem man mit der Faust auf eine Tastatur schlägt.
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Der schnelle Fix, um auf Nummer sicher zu gehen: Entwickler von VR-Erfahrungen verzichten auf künstliche Fortbewegungen. Das empfiehlt beispielsweise Valve und schraubte keinen Analogstick an die 3D-Controller von HTC Vive. Technikchef John Carmack von Oculus VR äußerte sich zuletzt ähnlich. Für den Non-Gaming- und den Business-Bereich ist das eine sinnvolle Alternative. Für den Spielemarkt ist es ein potenzielles Killerkriterium.
Auch Laufbänder und ähnlich aufwendige Gerätschaften sind keine Lösung für den Massenmarkt - zumindest noch nicht. Die aktuellen Angebote bieten kein vollkommen realistisches Laufgefühl, sind dafür aber teuer und groß.
Optionen schaffen neue Probleme
Die Wahl der Fortbewegung dem Spieler zu überlassen und so die Verantwortung zu verschieben, ist zumindest für große Entwicklerstudios mit etablierten Marken keine Alternative. Ob und wie stark man unter der VR-Übelkeit leidet, weiß man erst, wenn einem schon schlecht ist.
Bekannte Spiele, die am ersten Tag hunderttausendfach verkauft werden, könnten selbst bei einem niedrigen Prozentsatz an Motion-Sickness-Patienten zehntausende Beschwerden auslösen.
Zum anderen ist es komplex, Spielekonzepte so anzulegen, dass sie mit verschiedenen Fortbewegungsarten auf die gleiche Weise funktionieren. Denn mit der Art der Fortbewegung verändern sich bei vielen Genres der Spielablauf, das Spieltempo und die Orientierungsfähigkeit des Spielers grundlegend.
Dieses Problem adressierte der erfahrene Spieleentwickler und jetzt Oculus-Manager Jason Rubin bei Twitter: "Entwickler können sich [bei Oculus] frei aussuchen, welche Fortbewegung sie anbieten. Um ein möglichst breites Publikum zu erreichen, fokussieren sich viele auf Komfort. Das Design kann nicht allen Ansprüchen gerecht werden. Es ist kein Schalter."
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