Metaverse: Die Buzzword-Hölle auf der CES 2022

Metaverse: Die Buzzword-Hölle auf der CES 2022

Die CES 2022 ist im Metaverse-Hype gefangen mit teils skurrilen Marketing-Auswüchsen.

Als Ex-Facebook-Chef Mark Zuckerberg im Sommer seine Metaverse-Pläne enthüllte und das so nachdrücklich, dass er gar sein Unternehmen in "Meta" umbenannte, hinterließ er offenbar bleibenden Eindruck. Zuckerberg machte so aus dem leicht angestaubten 90er-Jahre Begriff "Metaverse" von heute auf morgen ein Zukunftsbild der Tech-Branche.

Blöderweise war Zuckerberg bei der Beschreibung seiner Metaverse-Vision nicht sonderlich konkret. Was passiert, wenn eine Tech-Führungsperson unfertige Visionen im großen Stil präsentiert, sieht man jetzt auf der CES 2022: In rund drei Monaten münzten Marketing-Abteilungen ihre Unterlagen, Stände und Slogans auf das Metaverse um. Das Ergebnis ist ... nun ja, seht selbst.

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Das Metaverse: Niemand kennt es, jeder hat es

Der unter anderem für Leica im XR-Bereich aktive Produktmanager Nima Zeighami schlenderte über die CES 2022 und dokumentierte den Metaverse-Hype in den Messehallen mit einigen Bildern.

Da wäre etwa das "Lotte Metaverse" des südkoreanischen Unternehmens Lotte Data Communication Company, das laut Pressemitteilung virtuelle Traumhäuser verkauft, die mit realem Kommerz verbunden sind.

Das klingt in der Unternehmensmitteilung so: "Die derzeit auf dem Markt erhältlichen Metaverse-Dienste ermöglichen es den Verbrauchern nicht, reale Produkte zu kaufen oder virtuelle Konzerte wie in der Realität zu erleben, sodass sie wahrscheinlich keine Kunden anziehen werden."

Ob Mark Zuckerberg schon um sein Versäumnis weiß?

Jedenfalls hat das Lotte Metaverse Abhilfe parat - durch eine Verbindung aus der Metaverse-Küche ins reale Haushaltswarengeschäft: "Wenn der Nutzer auf Haushaltsgeräte klickt, wird er direkt zu einem Haushaltswarengeschäft weitergeleitet, was im realen Leben nicht realisierbar ist. Es ist nicht nur möglich, das Produkt zu sehen, sondern die Nutzer können eine einzigartige Erfahrung machen, bei der eine reale Person sie beim Einkauf berät. Eine neue Ära des bequemen Einkaufens, in der die Nutzer die gewünschten Haushaltsgeräte vergleichen und ausprobieren können, ohne in ein Geschäft zu gehen, ist angebrochen."

Weitere Metaverse-Marketing-Fehltritte

Das Unternehmen Cyvision zeigt ein AR-Hud für PKWs, das die Navigationsdaten unmittelbar ins Sichtfeld und auf die Straße legt - vergleichbar mit dem AR-Modus von Google Maps. Die Demo überzeugt einige Messebesucher:innen. Das Werbeversprechen auch?

Es gibt noch viele weitere Beispiele: Der etablierten Datenbrillenhersteller Vuzix etwa wirbt mit dem Slogan, das Metaverse mit der realen Welt zu verbinden - anstatt, wie früher, nützliche digitale Informationen ins Sichtfeld zu projizieren, damit man beim Arbeiten beide Hände frei hat.

"Goart Metaverse", oder auch "Go Art Metaverse", will ein Metaversum für digitale Kunst erschaffen. "Unlink VR" arbeitet an einem universellen Drahtlosadapter für VR-Brillen, auch für Valve Index. Interessant für das Metaverse, natürlich.

Die deutsche Firma Oqmented war mit AR/VR-Displaytechnologie und einer mobilen 3D-Lidar-Kamera bei der CES 2022 vertreten. In der Pressemitteilung wird das Metaverse nicht erwähnt (vorbildlich!), aber am Messestand der direkte Metaverse-Zugang versprochen.

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Die beiden Firmen Mudro und Coolso versprechen Metaverse-Interfaces per Armband und Smart Watch, Extriple bietet eine "industrielle Metaverse Lösung" und Seerslab eine "Mirror City", die Personen, Objekte und Umgebungen in Echtzeit in einen "Metaverse-Raum" übertragen kann.

"Metaverse City" aktiviert meine Augenbrauen-Muskulatur besonders stark: Die Firma verspricht Unternehmen ein Metaverse-Starterpaket bestehend aus einer Metaverse-Domain und einem Stück Metaverse-Land.

Und bevor ihr fragt: Ja, das "echte Metaverse" ist auf der CES 2022 natürlich auch zu finden.

Alle hier beschriebenen Beispiele und einige mehr findet ihr mit Bildmaterial im Twitter-Post von Zeighami.

Metaverse: Nur ein Hype oder steckt mehr dahinter?

Erbringt die CES 2022 also den Beweis, dass das Metaverse nur ein Buzzword ist, ein Marketing-Gag, leerer Hype? Meine Antwort ist ein unentschlossenes Jein.

Einige der mit dem Metaverse in Verbindung stehenden Technologien wie VR, AR und KI verändern oder erweitern die Mensch-Computer-Beziehung. Der grundlegende Beweis ist hier schon erbracht. Jetzt geht es um die konkrete Umsetzung und Skalierung.

Der Begriff Metaverse dient dabei aus meiner Sicht als Sammelbegriff für die Vision einer Computerzukunft, die in vielfacher Hinsicht anders ist als die aktuelle. Metaverse ist ein anderes Wort für Veränderung, ein Aufbruchssignal. Ob der Begriff selbst oder das eng mit ihm verbundene Konzept einer digitalen 3D-Zwischenwelt diese Veränderung überlebt, wird sich zeigen.

Was die CES-Momentaufnahme von Zeighami definitiv demonstriert: Noch ist die Metaverse-Vision chaotisch und der Begriff wird als Modewort verbraucht. Auch in China greift der Metaverse-Hype um sich, dort wollen alle ins Yuanyuzhou.

Mal schauen, wer auf der CES 2023 noch Metaverse-Visionen auf Hochglanzpapier und Plastikwände druckt.

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