Was einem ewigen Leben in der Virtual Reality im Wege steht
Thomas Metzinger beschäftigt sich mit der Frage, wie Menschen ein Selbstbewusstsein entwickeln konnten. In einem Interview erklärt der deutsche Philosoph, woran der transhumanistische Traum einer digitalen Speicherung des Selbst scheitern und inwiefern Virtual Reality vollkommen neue Formen der Selbsterfahrung ermöglichen könnte.
In seinem Buch "Being No One" versucht Metzinger plausibel zu machen, dass Subjektivität das Ergebnis einer evolutionären Entwicklung ist. Als solche erfüllt sie eine Vielzahl biologischer Funktionen, zum Beispiel Sinneswahrnehmungen zu verarbeiten oder den Körper zu steuern.
Für Metzinger ist klar, dass primitivere Formen des Selbstbewusstseins lange vor dem Menschen bereits in Tieren existierten. Die Menschen entwickelten später zwar höhere Stufen der Selbstwahrnehmung, dies hatte jedoch seinen Preis: Ein Mensch zu sein bedeutet automatisch, ein erhöhtes Bewusstsein für die eigene Sterblichkeit zu haben.
___STEADY_PAYWALL___Für den Philosophen könnten Religion und Kultur als Strategien gelesen werden, mit der Angst vor dem Tod fertigzuwerden. Denn beide versprechen Unsterblichkeit: Die Religion verspricht das Fortleben der eigenen Seele in Gott, die Kultur das Fortleben des eigenen Werks in der Geschichte der Menschheit, was ebenfalls eine Form von Unsterblichkeit darstellt.
Der Körper ist Teil des Selbstbewusstseins
Was ebenso Unsterblichkeit verspricht, ist der Transhumanismus, in dem Metzinger eine neue Art von Religion sieht. "Sie versprechen Unsterblichkeit, aber ohne diesen altmodischen Gotteskram. Da sind diese Menschen, die sagen, dass man unser Selbst in 30 Jahren in eine Virtual Reality hochladen wird. Sie ziehen große Investoren an, indem sie solche Dinge sagen", meint Metzinger in einem Interview mit Nautilus.
Was die Transhumanisten laut Metzinger nicht begreifen, ist der Umstand, dass ein Großteil des Selbstbewusstseins in der Körperwahrnehmung gründet: im Bauchgefühl, in der Empfindung der inneren Organe, im Gleichgewichtssinn und mehr. All das würde verloren gehen, wenn man ein körperloses Selbst in die Simulation übertrüge, meint Metzinger. Das wäre, als würde man mit einer VR-Brille durch die Augen eines Roboters sehen - ein Experiment, das Metzinger selbst durchgeführt hat.
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Doch Metzinger sieht noch ein anderes, tiefer liegendes Problem, das nicht technischer, sondern philosophischer Natur ist: dass ein Selbst gar nicht existiert oder dass man zumindest nicht weiß, was zu diesem Selbst gehört. "Es ist, als würde man mit Buddhisten über Reinkarnation diskutieren. Was ist es, was reinkarniert würde? Deine Neurosen, deine Habgier, deine schlimmen Kindheitserinnerungen? Wenn es kein wesentliches Selbst gibt, was würde man dann in das künstliche Medium hinüberkopieren?"
Neue Selbsterfahrungen dank Technologie
Das größte Hindernis für eine Virtual Reality, wie sie den Transhumanisten vorschwebt, sieht Metzinger in der Simulation des Körpergefühls. Dieses habe Millionen von Jahren gebraucht, um sich zu dem zu entwickeln, was es heute ist: ein flüssiges und kontextsensitives Interface, über das man mit der Welt interagiert. Diese "Verkörperung" des Selbst sei in der Tat so ausgeklügelt, dass sie nur schwer von der Virtual Reality simuliert werden könne.
Metzinger sieht allerdings die Möglichkeit einer nicht biologischen, sondern technologischen Verkörperung: "Vielleicht wird das digitale Selbst ohne Bauchgefühl und schwerelos sein. Womöglich werden wir ein anderes, künstliches Selbst haben, das wir zu steuern lernen und hiermit auch andere Formen der Selbsterfahrung", sagt Metzinger und fügt hinzu: "Wieso sollten wir die Natur nachahmen? Vielleicht wollen wir etwas schaffen, das interessanter ist oder cooler?"
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