"Virtual Reality ist nicht wegen der Technologie interessant."

Auf der ACM SIGGRAPH 2015 in Los Angeles präsentierten Informatiker und Designer der New York Universität erstmals Holojam. Das ist eine VR-Anwendung für 4D-Kunst im virtuellen Raum, die aber eigentlich gar keine VR-Anwendung sein will.

Gemeinsam konnten Besucher der Fachmesse ein vergängliches Kunstwerk in der virtuellen Realität erschaffen. Denn neben den drei Dimensionen in Virtual Reality kommt als vierte Dimension die Zeit hinzu – die virtuelle Skulptur veränderte sich permanent, während die Besucher daran arbeiteten. Ein Teil des Kunstwerks verblasste, während neue Ebenen hinzukamen.

Ziel der App sei es aber nicht, eine VR-Erfahrung anzubieten, sondern einen Ausblick auf eine mögliche Zukunft zu geben in der virtuelle Technologien ein selbstverständlicher Bestandteil des Alltags sind, erklärt der Informatiker und Projektleiter Ken Perlin der New York Universität. Der Schwerpunkt von Holojam liegt auf neuen sozialen Interaktionsformen und wie diese unsere Sprache verändern können, wenn Menschen plötzlich kein Material wie Papier oder Bildschirm mehr brauchen, um Gedanken zu visualisieren. Stattdessen malen sie diese überall und jederzeit in die Luft oder formen sie als virtuellen Gegenstand. Umgesetzt wurde das Experiment mit Gear VR und einem eigens dafür entwickelten Trackingsystem inklusive 3D-Controller.

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Perlin geht davon aus, dass der Wunsch nach einer virtuellen Realität ein grundsätzliches Bedürfnis der Menschen ist. "Egal wie weit man zurückschaut, alle Menschen interessieren sich für die Sachen, die sie in ihren Träumen sehen und fragen sich wie es wäre, wenn man diese erleben könnte. Ich glaube nicht, dass das Interesse an Virtual Reality mit Technologie zu tun hat. Man benutzt die Werkzeuge, die einem zur Verfügung stehen - Bücher, das Theater, Filme oder eben VR-Brillen, die man aufzieht." Die Frage sei vielmehr, so Perlin, ob die Technologie so konzipiert wurde, dass sie von Menschen wie selbstverständlich genutzt werden kann, wie beispielsweise ein Musikinstrument. So eine Technologie nennt Perlin ein "natürliches Interface".

Perlins grundlegender Wunsch: Dass die neue Technologie nicht einfach so, sondern im Kontext von menschlicher Interaktion weiterentwickelt wird. Für eine ausgereifte Kommunikationstechnologie sei mehr nötig als "Informationen weiterreichen", glaubt Perlin, sondern es müsse auch emotionale Bestätigung geben, "die Art, wie Menschen sich gegenseitig wahrnehmen und miteinander eine Beziehung eingehen" müsse im neuen Medium reflektiert werden. "Wir müssen verstehen, welche Interaktionen zwischen Menschen wir genau mit der Technologie unterstützen wollen", sagt Perlin über das zukünftige Potenzial von Virtual Reality.

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[blockquote right="pull-right" cite="Ken Perlin, New York Universität, Projektleiter von Holojam"]"Meine Hypothese ist, dass Kinder, die damit aufwachsen, dass Objekte und Zeichen einfach in die Luft gemalt werden können, weil sie entsprechende Technologie am Körper tragen, eine andere Sprache entwickeln. Diese Kinder würden miteinander auf eine vielfältigere Art kommunizieren, die die eigene Sprache verstärkt."[/blockquote]

Zwischen den bald erscheinenden VR-Brillen sieht er keine grundlegenden Unterschiede und unterteilt den Markt in zwei Gruppen: "Es gibt den Markt für Spieler, die für die Industrie extrem wichtig sind, da sie im Voraus für Inhalte zahlen; und dann gibt es alle anderen Menschen. [...] HTC Vive und Oculus Rift oder auch Playstation VR sprechen vorerst Spieler an, weil das dabei hilft, alles andere zu finanzieren." Langfristig, so Perlin, habe Facebook mit Oculus VR aber andere Pläne. Für soziale VR-Anwendungen müssten aber zuvor die Kabel verschwinden, denn "für Spiele macht es Sinn, aber nicht um zu verstehen, wie unser zukünftiger Alltag aussieht", sagt Perlin. Daher wurde für Holojam auch eigens ein Trackingsystem für die kabellose und mobile VR-Brille Gear VR entwickelt.

Obwohl Perlin mit Holojam selbst an einem Projekt arbeitet, das eher in eine visionär-künstlerische Richtung geht, sieht er Virtual Reality noch nicht als Kunstform - dafür sei es noch zu früh, glaubt der Informatiker. "Ich glaube Ed Catmull [Präsident von Disney und Pixar] hat recht, wenn er sagt, dass Virtual Reality keine Spielart des Films sondern etwas anderes ist. So wie Filme auch keine Form von Theater sind oder Gedichte von Novellen. Wir wissen noch nicht, wie die Sache ausgeht. Wir haben noch keine großartigen VR-Künstler, keine W.D. Griffiths und Eisensteins. Das ist noch nicht passiert, weil es noch zu früh ist", erklärt Perlin.

| SOURCE: Nautilus
| FEATURED IMAGE: Perlin, Holojam