Studie zu VR-Konzerten: Gaffer im Publikum unerwünscht

Studie zu VR-Konzerten: Gaffer im Publikum unerwünscht

Eine Studie möchte herausgefunden haben, wann sich Besucher:innen von virtuellen Konzerten unwohl fühlen und welches Element die Immersion besonders fördert.

Wie viel Realismus ist nötig, um Besucher:innen von VR-Konzerten das Gefühl zu geben, auf einer echten Veranstaltung zu sein? Diese Frage stellten sich spanische Forschende und versuchten, mit einer Studie die Gefühlslage von VR-Party-Gänger:innen einzufangen.

Das Ergebnis soll zeigen, dass das virtuelle Publikum auf VR-Konzerten mehr Einfluss auf Nutzer:innen haben kann, als die Darbietung auf der Bühne und allein sein unter Fremden auch in Virtual Reality keinen Spaß macht.

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Forschende bilden Live-Konzert der Dire Straits in VR nach

Die Universität Barcelona baute für die Studie eine Live-Show der Rockband Dire Straits in Virtual Reality nach. Der zehnminütige Ausschnitt aus einem Konzert von 1983 zeigt die Darbietung ihres wohl bekanntesten Hits „Sultans of Swing“.

Im Gegensatz zu immersiven VR-Konzerten wie das der Band Bastille, bei dem lediglich ein Video in eine VR-Umgebung eingebettet ist, performt hier eine virtuelle Version der Band auf einer Bühne. Auch das Publikum besteht aus virtuellen Menschen.

Für die Studie wurden insgesamt 26 Proband:innen mit einer VR-Brille ausgerüstet und fanden sich auf dem VR-Konzert ungefähr in der sechsten Reihe vor der virtuellen Bühne wieder. Alle Teilnehmenden besuchten das VR-Konzert allein und standen auf einem festen Platz umgeben von animierten Fans im Publikum.

Nach dem Event schrieben sämtliche Teilnehmenden ihre subjektive Wahrnehmung auf. Dabei sollten sie vorwiegend Bezug auf ihre Gefühle während des Konzertes nehmen, Empfindungen zu den eigenen und den Bewegungen des Publikums notieren sowie immersionsfördernde sowie eher störende Aspekte festhalten.

VR-Konzertbesucher:innen gruseln sich vor Publikum

Die Forschenden steigerten im Lauf der Studie die Qualität der Animationen, Beleuchtung und der Umgebungsgeräusche, die auch Gespräche unter den virtuellen Gästen beinhalteten.

Zudem fügten sie eine Interaktionsmöglichkeit hinzu: Schauten Teilnehmende eine virtuelle Person in ihrer Nähe an, gab es eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass diese den Blick mit einem Lächeln für ein bis drei Sekunden erwiderte.

Das animierte Publikum sorgte mit seinen Blicken bei Nutzer:innen für Unbehagen.

Das animierte Publikum sorgte mit seinen Blicken bei Nutzer:innen für Unbehagen. | Bild: Universität Barcelona

Die Forschenden gingen eigentlich davon aus, dass Reaktionen wie Blickkontakt bei animierten Charakteren das Empfinden von Realismus bei den Proband:innen steigern würde. Die meisten Teilnehmenden gruselten sich jedoch vor den Reaktionen des VR-Publikums.

In ihren Erlebnisberichten schilderten männliche und weibliche Teilnehmer gleichermaßen ihr Unbehagen. Ein Auszug aus den Berichten:

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  • „Wenn ich mich in die Richtung von jemandem drehte, starrten sie mich an, bis ich mich wieder umdrehte, was ein wenig beunruhigend war.“
  • „Jedes Mal, wenn ich mich umdrehte, hörten die Leute, die mir am nächsten standen, auf, das Konzert zu verfolgen und richteten ihre Aufmerksamkeit auf mich. Vielleicht habe ich mir das nur eingebildet, aber es war mir trotzdem etwas unheimlich.“
  • „Wenn sie sich umdrehen und mich so lange anstarren, fühle ich mich unwohl.“

Das virtuelle Publikum störte allerdings nicht nur mit seinen offensichtlichen Blicken. Obwohl im ersten Teil der Studie und während des gesamten Konzertes keine der Figuren auf die menschlichen Teilnehmenden reagierte, fühlten sich hinterher dennoch einige beobachtet.

Mangelnde Vielfalt und fehlende Bewegung sind Stimmungskiller

Ein weiterer Hauptkritikpunkt unter männlichen und weiblichen Probanden war, dass das Publikum ausschließlich aus virtuellen Frauen bestand. Ein Umstand, der durchgehend für Irritationen sorgte und die Immersion störte.

Auch die eigene Unfähigkeit, sich auf die Bühne zuzubewegen, unpassende Bewegungen und Geräusche aus der Menge und die fehlende Mobilität der Band wurden als immersionsstörend kritisiert.

Positiv empfanden viele den räumlichen Klang der Live-Musik und der Publikumsgeräusche. Dadurch sei bei vielen Proband:innen das Gefühl entstanden, im Publikum vor einer echten Bühne zu stehen. Insgesamt sei das VR-Konzert bei Männern positiver aufgenommen worden als bei Frauen.

VR-Konzerte: Verhalten des Publikums wichtiger als die Bühne

Das virtuelle Publikum konnte primär dann für ein immersives Erlebnis sorgen, wenn Klatschen, Tanzen und Jubel synchron zur Musik und passend zur Dynamik des VR-Auftritts der Dire Straits waren. War das nicht der Fall, zog es die Nutzer:innen aus dem Erlebnis.

Insgesamt stellten die Forschenden fest, dass die individuelle Stimmung der Nutzenden eher von Reaktionen auf das Publikum als auf die Band dominiert wird. Durch die ungewöhnliche Situation, allein auf einem Konzert unter Fremden zu sein, schien sich für einige Teilnehmende zudem eine Art soziale Bedrohung aufzubauen.

Fragwürdige Aussagekraft der Studie

Fragwürdig ist das Set-up der Studie allerdings allemal, da es sich nicht um ein realistisch nachempfundenes Konzert handelt. Mich erinnert das Anstarren der virtuellen Konzertbesucher:innen etwa an die VR-Version von Emily Wants To Play. Dass es gruselig ist, wenn mich jemand ohne Grund dauerhaft anstarrt, dafür benötige ich keine Studie.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung lesen sich aufgrund der beschriebenen und im Video sichtbaren Umsetzung eher wie selbsterfüllende Prophezeiungen: Wenn ich eine virtuelle Umgebung technisch fehlerhaft und eindimensional gestalte – wie wird dann wohl die Rezeption ausfallen? Und was kann ich überhaupt noch aus den Ergebnissen lernen?

Quellen: Springer Link (Studie)