So entstanden Googles beeindruckende Lichtfeldfotos

So entstanden Googles beeindruckende Lichtfeldfotos

In Googles kostenloser VR-App "Welcome to Lightfields" waren diesen Frühling zum ersten Mal volumetrische Fotos zu sehen: VR-Nutzer sind in den 360-Grad-Bildern nicht mehr an eine fixe Perspektive gebunden und können ihren Kopf in die Tiefe hinein bewegen. Das sorgt für ein noch stärkeres Mittendringefühl. Auf der Siggraph erzählten zwei Google-Ingenieure, wie dieser beeindruckende Effekt erzielt wurde.

Laut Google-Entwickler Ryan Overbeck gibt es zwei gängige Methoden, überzeugende 360-Grad-Fotos zu erstellen. Die erste ist Photogrammetrie: Aus zahlreichen Einzelfotografien einer Umgebung wird ein 3D-Modell erstellt. Der Vorteil dieser Methode: Man kann sich frei durch die Szene bewegen. Der Nachteil ist, dass keine dynamische Lichtreflexionen eingefangen werden.

Beim zweiten Verfahren wird ein stereoskopisches 360-Grad-Foto der Umgebung gemacht. Das würde zwar fotorealistisch wirken, aber die Perspektive auf einen Punkt im Raum reduzieren.

___STEADY_PAYWALL___

Das Besondere an einem Lichtfeldfoto ist, dass es die Stärken beider Techniken verbinden: Die Aufnahmen geben die Wirklichkeit getreu wieder samt Lichtreflexionen. Und man kann sich in einem begrenzten Umfang in ihnen bewegen.

Von 126 auf 16 Kameras reduziert

Google experimentiere seit geraumer Zeit mit Lichtfeldtechnologie, sagt Ingenieur Paul Debevec. Die im Frühjahr bei Steam kostenlos veröffentlichte App sei ein Ergebnis dieser Experimente.

Sie besteht aus einer geführten Tour, die die Aufnahmetechnik erklärt und einer Galerie, in der 34 sehr unterschiedliche Lichtfeldfotos zu bestaunen sind. Beispiele sind im Youtube-Video unten ab 6:50 zu sehen.

Die erste Aufgabe der Ingenieure bestand darin, eine Lichtfeldkamera zu bauen. Zunächst war eine Konstruktion bestehend aus 126 GoPro-Kameras geplant. Die sollten eine Sphäre ergeben, die das Licht in einem Durchmesser von 60 Zentimeter beinahe lückenlos einfängt.

Nachdem sich das Team entschieden hatte, mit Lichtfeldfotos statt -Videos zu starten, reduzierten sie die Zahl der Kameras auf 16 Geräte.

Google_Lightfields_Siggraph_1

Das erste Rig hätte ein Ungetüm aus 125 Kameras werden sollen. BILD: Google (Youtube-Screenshot)

Magischer Augenkontakt

Die Ingenieure nahmen Googles 360-Kamerarig Odyssey und ordneten die 16 Kameras bogenförmig an, sodass sie einen Halbkreis bildeten. Mit einem Motor dreht sich die Vorrichtung um die eigene Achse und fängt so das Licht von allen Seiten ein.

Das Kamerarig ist portabel und kann von einer Person in zehn Minuten aufgebaut werden. Für die Aufnahme eines Lichtfeldfotos reichen 30 bis 90 Sekunden.

Google_Lightfields_Siggraph_2

Die Ingenieure machten aus Google Jump-Kamera (oben links) eine bewegliche Lichtfeldkamera. BILD: Google (Youtube-Screenshot)

In Welcome To Lightfields sind Menschen zu sehen, die Augenkontakt mit dem VR-Nutzer halten - auch wenn dieser den Kopf bewegt. Dafür mussten die fotografierten Menschen einen grünen Zettel an der sich drehenden Kamera fixieren. Der Augenkontakt macht die Szene noch lebensechter.

Neue Prototypen mit besserer Bildqualität

Für hochwertigere Aufnahmen in höherer Auflösung und besserem Kontrast baute das Google-Team ein zweites Kamerarig, das aus lediglich zwei spiegellosen Sony-Kameras besteht und dank eines Spulenmechanismus die gesamte Lichtfeldsphäre erfasst (siehe Bild), sich dafür jedoch häufiger um die eigene Achse drehen muss. Für eine Aufnahme mit diesem Rig werden zehn bis 40 Minuten benötigt.

logo
  • checkMIXED.de ohne Werbebanner
  • checkZugriff auf mehr als 9.000 Artikel
  • checkKündigung jederzeit online möglich
ab 3,50 € / Monat
logo

Google_Lightfields_Siggraph_3

Das zweite Kamerarig deckt trotz lediglich zwei Kameras die ganze Sphäre ab. BILD: Google (Youtube-Screenshot)

Für die Bildverarbeitung hat Google ein eigenes Kompressionsverfahren entwickelt: Statt vier bis acht Gigabyte muss die Cloud nur noch 50 bis 200 Megabyte pro Lichtfeldfoto verarbeiten.

Bei diesem Prozess berechnen Algorithmen zunächst ein 3D-Modell der Umgebung und texturieren es anschließend. Das fertige Lichtfeldfoto besteht aus tausenden, sich überlappenden Einzelperspektiven.

Google_Lightfields_Siggraph_4

Das gerenderte Lichtfeldfoto setzt sich aus einer Vielzahl kleiner Fenster zusammen, die beim Betrachten zusammenwachsen. BILD: Google (Youtube-Screenshot)

Um ein größeres Lichtfeld einzufangen und damit mehr Bewegungsfreiheit zu ermöglichen, entwickelte das Google-Team ein weiteres Kamerarig, das einen Bewegungsraum mit etwa einem Meter Durchmesser abdeckt.

Das Team begann zudem mit der Entwicklung einer Lichtfeld-Videokamera. Die von Google übernommenen Lichtfeldspezialisten von Lytro dürften an der Entwicklung beteiligt sein.

Google_Lightfields_Siggraph_5

Die alte und neue Lichtfeldkamera im Vergleich. BILD: Google (Youtube-Screenshot)

Google will demnächst ein wissenschaftliches Paper zu den Lichtfeldexperimenten veröffentlichen. Ebenfalls publiziert werden soll der von Google entwickelte Codec für Lichtfeldfotos. Ob und wann die gezeigte Hard- und Software veröffentlicht wird, ist nicht bekannt.

Welcome to Lightfields ist kostenlos bei Steam erhältlich und unterstützt HTC Vive, Oculus Rift und Windows-Brillen.

| Featured Image: Google / ACMSiggraph (Youtube-Screenshot) | Source: ACMSiggraph