Pool Nation VR im Test: Darum hat Facebook also Oculus VR gekauft

Pool Nation VR im Test: Darum hat Facebook also Oculus VR gekauft

Pool Nation VR ist ein gut gemachtes Billardspiel für HTC Vive. Aber es ist nicht die akkurate Simulation von bunten Bällen, die die VR-Erfahrung interessant macht.

Um die Formalitäten gleich zu Anfang aus dem Weg zu räumen: Pool Nation VR ist ein virtuelles Billardspiel über das Spiel Billard. Es wird auf einem Billardtisch mit Queues gespielt und man locht Kugeln ein, die sich physikalisch korrekt über den Tisch bewegen. Die menschlichen Hände werden recht clever auf die 3D-Controller von HTC Vive übertragen, wahrscheinlich schneidet man im Schnitt auf dem virtuellen Tisch sogar etwas besser ab als bei einer realen Partie Pool. Zitternde Hände und echtes Geschick fallen weit weniger ins Gewicht, dank (optionaler) Zielhilfe stößt man präzise wie eine Maschine.

Dass man seine Hände nicht auf dem Tisch auflegen und stattdessen einfach in die Spielfläche hineinmarschieren kann, irritiert Geist und Körper gleichermaßen – eine reale Partie ist der virtuellen Billardrunde in jedem Fall überlegen. Jedenfalls dann, wenn es einem um den Sport an sich geht.

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Die grafische Präsentation passt, die virtuelle Kneipe täuscht unser Gehirn ausreichend gut, daran ändern auch die leblos wirkenden NPC-Charaktere in der Peripherie nicht viel. Zugegeben, ich bin kein großer Billardspieler, der Kugelsport interessiert mich nicht weiter, meine letzte reale Partie liegt Jahre zurück – und auch die VR-Adaption wird daran nicht viel ändern. Dennoch finde ich, dass Pool Nation VR eine bemerkenswerte Virtual-Reality-Erfahrung ist.

Social-VR funktioniert und ist der ultimative Präsenzverstärker

Pool Nation VR ist für experimentierfreudige VR-Enthusiasten aus einem Grund interessant, der nur sehr wenig mit dem Billardsport zu tun hat. Das Gefühl von Telepräsenz und sozialem Miteinander toppt alle bisherigen VR-Anwendungen mit Leichtigkeit.

Das virtuelle Billardspiel funktioniert in erster Linie deshalb gut, da es, im Gegensatz zu vielen anderen VR-Spielen, gar nicht erst versucht, den VR-Brillenträger in die Schuhe eines Helden mit übermenschlichen Fähigkeiten zu stecken. Das bricht die Immersion für gewöhnlich schnell, da man immer nur seinen normalen, langsamen und an ein Kabel gefesselten Menschenkörper hat für die Fortbewegung in der virtuellen Realität.

[blockquote]Man hat das glaubhafte Gefühl, dass man mit einem anderen Menschen den Raum teilt.[/blockquote]

Pool Nation VR fängt hingegen eine reale Situation ein, wie man sie aus dem Alltag kennt und schafft genau mit dieser Einfachheit die Basis für ein glaubhaftes Präsenzempfinden. Gefühlt steht man selbst am Billardtisch und steckt nicht im Körper einer anderen Person.

Aber selbst dieser Effekt würde sich nach einer Weile abnutzen, wenn da nicht das Multiplayer-Feature wäre. Schon in den ersten Sekunden, in denen man den virtuellen Billardtisch mit einem anderen Menschen teilt, vergisst man, dass man eigentlich nur im Wohnzimmer mit einer VR-Brille auf der Nase steht. Das soziale Miteinander im virtuellen Raum ist der ultimative Präsenzverstärker.

Avatare müssen nicht realistisch sein, um überzeugend zu wirken

Um diesen Effekt zu erzielen, genügt selbst die sehr rudimentäre Avatar-Darstellung in Pool Nation VR. Man sieht die andere Person nur als VR-Brille mit Hut und 3D-Controller. Aber ein Kopf und zwei Hände, die sich authentisch bewegen, täuschen unser Gehirn erstaunlich gut, deutlich besser als pseudo-realistische Darstellungen, die uns tief ins Uncanny Valley stoßen.

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Es bräuchte nicht einmal die integrierte Stimmübertragung, um zu erkennen, wie der Gegner seinen letzten Stoß bewertet. Ein kurzes Kopfschütteln oder ein siegreiches Emporstrecken des virtuellen Queues - einfache Hand- und Kopfgestiken reichen vollkommen aus, um eine soziale Verbundenheit entstehen zu lassen.

Und wie im echten Leben auch, kann man versuchen, den Gegner mit ein paar fiesen Tricks aus dem Konzept zu bringen. Man steckt eine Bierflasche in den Kugelsack, reißt ein paar blöde Sprüche oder stößt die Lampe über dem Tisch an, damit das wackelnde Licht beim nächsten Stoß irritiert. Das bereitet ein diebisches Vergnügen, weil man wirklich davon überzeugt ist, dass man gemeinsam mit einem anderen Menschen in der VR-Kneipe steht. Und das ist es, was Pool Nation VR besonders macht.

Das endlose Potenzial von überzeugender Telepräsenz

Wer an Billard partout kein Interesse hat, kann getrost die Finger von dem Titel lassen – es werden interessantere Anwendungen mit vergleichbaren Social-Features folgen. Für Billard-Cracks ist die Simulation ohnehin kein Ersatz für die echte Sache, dafür ist die sinnliche Übertragung einfach noch zu rudimentär.

Wer aber erfahren möchte, wie sich soziales Miteinander im virtuellen Raum anfühlt, für den ist Pool Nation VR ein interessanter Stand der Dinge. Das echte Miteinander in der Kneipe kann die Anwendung in keinem Fall ersetzen, das sollte man nicht erwarten. Aber dafür, dass Virtual Reality noch in den Kinderschuhen steckt, kommt die virtuelle Interpretation der realen Sache erstaunlich nahe.

[blockquote cite="Marc Zuckerberg, Facebook-Gründer"]"Wenn wir unseren Job gut machen, dann fühlt man sich wie an einem anderen Ort. Das gibt uns die Möglichkeit, Social-Erfahrungen zu schaffen, die komplett anders sind als alles, was man von Computern heute kennt."[/blockquote]

Es fehlt nicht mehr viel: Ein bisschen besseres Tracking noch, ein wenig handlichere 3D-Controller oder sogar eine Möglichkeit, die eigenen Hände zu verwenden, einen Tick schärfere Brillen, die keine störenden Kabel haben, noch einen Hauch mehr Realismus bei der Darstellung - und die Simulation würde unser Gehirn gänzlich übertölpeln.

Wenn es in ein paar Jahren soweit ist, dann holt man auf Knopfdruck spontan den alten Kumpel dazu, der mit seiner Familie am anderen Ende der Welt wohnt, der fast nie Zeit hat und den man sonst nur zweimal im Jahr sieht. Man trifft sich mit ihm auf ein nettes Gespräch und ein paar Albernheiten am virtuellen Pooltisch und hat dabei das Gefühl, wirklich Zeit miteinander zu verbringen. Und plötzlich weiß man ganz genau, warum Zuckerberg Oculus VR eingekauft hat.

| Featured Image: Cherry Pop Games