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Paper Beast erschien ein Tag nach Half-Life: Alyx und ging im Hype unter. Zu Unrecht: Das VR-Spiel gehört zum Schönsten, was Virtual Reality zu bieten hat. Nicht überzeugt? Dann lest meinen Test.
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VR-Entwickler wollen oft die uns bekannte Welt abbilden und das möglichst realistisch. Doch weshalb eigentlich? Virtual Reality ist doch zu weit mehr in der Lage. Der französische Entwickler Éric Chahi beweist das mit Paper Beast.
Zugegeben, ich kenne Chahis frühere Werke wie Another World, Heart of Darkness und From Dust nicht. Aber ich weiß, dass er das Gleiche für Videospiele ist wie Autorenfilmer fürs Kino: Er schafft eigenwillige Kunstwerke mit starker Handschrift. Und die sind selten: In den letzten dreißig Jahren schuf Chahi gerade mal vier große Spiele.
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Ein fremdartiger Ort
Mit Paper Beast wirft Chahi uns in eine Welt, die ganz anders ist als die unsere und weckt damit den Urzauber der Virtual Reality, die der Faszination des Anderswo entspringt. Die VR-Brille ist plötzlich nicht mehr ein technisches Gerät, sie ist eine magische Brille, die in eine andere Dimension blicken lässt. Einfach nur sein und staunen: Paper Beast versetzt einen in den Urzustand menschlicher Existenz.
Man müsste ein Dichter sein, um diese Welt in Worte zu fassen. Sie besteht aus Wüsten, buntem Gewölk, Kristallen und Lebewesen, die an Origami-Figuren erinnern. Ein Woher, Wohin und Weshalb gibt es hier ebensowenig wie ein explizites Spielziel oder Texte.
Paper Beast spricht allein durch seine Welt. Die meiste Zeit begleitet man papierne Lebewesen durch das Ödland, entschlüsselt deren Absicht, hilft ihnen, wo nötig. Als Gegenleistung eröffnen sie neue Pfade.
Diese Welt sucht ihresgleichen. | Bild: Pixel Reef
Das Spiel der Elemente
Visuell erinnert Paper Beast an Dalí-Gemälde, mit dem Unterschied, dass man hier ein lebendiges Ökosystem vor sich hat, das agiert und reagiert und eigenen Gesetzen folgt, mit denen man sich erst vertraut machen muss.
Das Herzstück des Spiels ist eine beeindruckende Physiksimulation, die ich so noch in keinem anderen Spiel gesehen habe. Wasser bricht sich realistisch Bahn, friert ein und schmilzt unter dem Einfluss von Kälte und Hitze. Erde lässt sich aufschütten und reagiert auf äußere Kräfte, so wie man es erwarten würde. Lässt man eine Lehmkugel einen Erdhügel hinunterrollen, so wird sie größer.
Müsste ich einen passenden Begriff Paper Beast finden, so wäre es nature porn: Ich ertappe mich dabei, wie ich mich minutenlang am Spiel der Elemente und Physik ergötze.
Im Sandbox-Modus kann man Gott spielen und sich dieser Lust uneingeschränkt hingeben, indem man Landschaften nach Belieben formt, Lebewesen hineinsetzt und beobachtet, wie das Ökosystem das Gleichgewicht wiederherstellt.
Die Entzauberung der Welt
Die Physiksimulation ist schön anzusehen und bildet die Grundlage der Spielmechanik. Müsste ich Paper Beast einem Spielgenre zuordnen, so würde ich es ein Physikrätselspiel nennen. Mal muss man Kreaturen über physische Hindernisse hinweg helfen, mal die Elemente nutzen, um Wege freizumachen.
Seine besten Momente aber hat Paper Beast in den ersten zwei Stunden, in denen es sich wie eine Natur- und Lebenssimulation und nicht wie ein Spiel anfühlt.
Im späteren Verlauf wiederholen sich einmal eingeführte Rätselelemente und die Spielabläufe werden vorhersehbarer, sodass das spielmechanische Gerüst stärker hervortritt. Paper Beast wirkt dann konventioneller und greifbarer, was mit einer teilweisen Entzauberung seiner Welt einhergeht.
Wolken, die Zahlen bilden? Papers Beasts Welt ist eine Computersimulation, deren Bewohner KI-gesteuert. | Bild: Pixel Reef
Grafik: Noch schöner mit PC-VR
Paper Beast nutzt die Stärken der Virtual Reality nicht voll und ganz: Es bedarf keiner physischen Aktivität und die Handinteraktionen sind relativ simpel. Dennoch verstärkt die VR-Brille das Gefühl, in einer anderen Welt zu sein, immens. Und genau darum geht es in Paper Beast.
Bewegen kann man sich per Teleportation und fließend. Künstliche Drehungen um die eigene Achse sind in Gradschritten oder fließend möglich. Tunnelblick wird nicht simuliert.
Paper Beast feierte am 24. März für Playstation VR Premiere und erschien am 24. Juli für PC-VR-Brillen. Ich habe das VR-Spiel mit Oculus Rift S (Test) getestet. Auf den höchsten Grafikeinstellungen und mit aktiviertem Supersampling (Anleitung) sieht es atemberaubend schön aus.
Test-Fazit: Eine einmalige Erfahrung
Paper Beast ist eine Liebeserklärung an das Leben und das Lebendige. Es porträtiert die Natur, den rohen Überlebenskampf und die Zerbrechlichkeit des Daseins. Dank Virtual Reality steht man mittendrin und erfährt das Verhältnis zur Welt auf eine neue, unverstellte Weise.
Keine Sorge: Paper Beast ist mehr als eine (existenzielle) Erfahrung. Es besitzt Spielmechaniken und Rätsel, von denen es lebt, aber sie sind abstrakt und unaufdringlich, weil sie auf natürliche Weise der Physiksimulation und den Elementen dieser Welt entspringen. Lösungen wirken nur selten gekünstelt oder weit hergeholt.
Visuell und klanglich ist die Welt eine Wucht. Virtual Reality ist das sinnlichste aller Medien und genau das richtige Gefäß für ein Spiel wie Paper Beast.
Das Abenteuer dauert wenige Stunden. Danach bleibt einem der Sandbox-Modus, in dem man nach Lust und Laune mit Götterkraften experimentieren kann. Paper Beast lässt sich jedoch nicht in Spieldauer messen, seine größte Stärke ist die Einzigartigkeit. Wer etwas Außergewöhnliches in VR erleben will, wird hier reich beschenkt.
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