Reise in den Körper: Wie Virtual Reality meine Heilung unterstützt

Reise in den Körper: Wie Virtual Reality meine Heilung unterstützt

Virtual Reality kann weitaus mehr als Spiele. Eine VR-App half mir, meine Rückenverletzung zu verstehen und trägt damit zur Heilung bei.

Spiele sind heute bei Weitem die populärste Anwendung für Virtual Reality, aber nur einer der Gründe, weshalb ich seit sieben Jahren über die Technologie schreibe.

Denn das Medium hat noch viel mehr zu bieten: Man kann mit Virtual Reality arbeiten, lernen, die Welt erkunden und komplexe Sachverhalte visualisieren (siehe 36 Gründe, warum VR auch abseits von Gaming großartig ist).

Mit Lernanwendungen hatte ich mich hier und da beschäftigt, doch eher aus beruflichem Interesse denn aus Leidenschaft oder weil ich einen konkreten Nutzen daraus zog.

Dies änderte sich, als ich begann, mich tiefer mit den Ursachen meiner Rückenschmerzen auseinanderzusetzen. Dank einer VR-App, die vor kurzem für Playstation VR 2 erschien, unternahm ich eine Reise in die menschliche Wirbelsäule und gewann dabei visuelle Einsichten, die mir bei der Rehabilitation und Prävention helfen werden.

Eine unerwartete Diagnose

Aufmerksame Leser:innen werden sich an meinen Artikel aus dem Juni erinnern, in dem ich darstellte, wie 2-3 Wochen intensives Sitz-Gaming und ein daran anschließender Zwischenfall auf einer Wanderung zu einem Wiederaufflammen meiner Rückenschmerzen führte.

Wie sich ein paar Wochen später herausstellte, war die Angelegenheit keine Lappalie: Die Schmerzen wurden schlimmer und strahlten ins rechte Bein, sodass ich einen MRT-Scan machen ließ. Die Diagnose: Bandscheibenvorfall im L5/S1-Segment. Ein schmerzfreier Alltag und ein Rückkehr in das aktive Leben, das ich vor der Verletzung führte, wird Monate beanspruchen.

Ich nahm ein paar Wochen Urlaub, um die Heilung nicht weiter hinauszuzögern. In dieser Zeit hatte ich Zeit, mich mit den Ursachen meiner Verletzung und deren Beschaffenheit auseinanderzusetzen. Ich las viel, hörte Podcasts und schaute Videos zum Thema. Den eindrücklichsten Einblick in die Rückenproblematik verschaffte mir die VR-App Human Anatomy VR, die vor ein paar Wochen für Playstation VR 2 erschien.

Das Wunderwerk Mensch

Die VR-App bietet ein immens detailliertes 3D-Modell des menschlichen Körpers und seiner Bestandteile: Sie stellt mehr als 13.000 anatomische Strukturen dar, unterteilt in 14 unterschiedliche Systeme, darunter Knochen, Gewebe, Arterien und Nerven. Hinzu kommen 21 mikroanatomische Modelle und 500 Animationen, mit deren Hilfe man nachvollziehen kann, welche Knochen und Muskeln bei bestimmten Bewegungen aktiv sind.

Die VR-App ist für Schüler:innen und Studierende, aber auch Ärzt:innen, Physio-Therapeut:innen, Athlet:innen und Sportenthusiast:innen wie mich gedacht.

Das 3D-Modell und jedes seiner Teile lässt sich mit den Händen drehen und beliebig verkleinern und vergrößern. Um die Wirbelsäule zu studieren, wechselte ich in den sogenannten "Ant Mode", der mich auf Ameisengröße schrumpfen und selbst kleinste Strukturen des Körper erforschen lässt. In dieser Form drang ich durch die Haut in den unteren Rücken und in die Umgebung der betroffenen Bandscheibe ein.

Ungewohnte Einblicke

Da war ich nun in Ameisengröße und blickte den Wirbelkanal hoch, sah das Rückenmark und die daraus austretenden Spinalnerven, die sich weiter unten im Körper beidseitig zum Ischias, dem dicksten und längsten peripheren Nerv des Menschen, verbinden.

In unmittelbarer Nähe der gerissenen Bandscheibe konnte ich visuell nachvollziehen, inwiefern ein ausgelaufener Gallertkern die Sakralnerven bedrängen kann und weshalb er (in meinem Fall) die S1-Nervenwurzel kompromittiert, nicht jedoch den L5. Auf Bildern konnte ich das nicht erkennen.

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Zwecks besserer Unterscheidbarkeit kann ich individuelle anatomische Elemente hervorheben und Informationen dazu einblenden. So sehe ich beispielsweise, welche Nervenwurzel für welche Muskeln verantwortlich ist, was die Eigendiagnose unterstützen kann.

In Staunen versetzte mich noch eine andere Funktion der VR-App: Ich kann eine Glasscheibe durch den Körper vor mir führen, die daraufhin einen Querschnitt desselben zeigt, wie man sie von der Röntgen- und MRT-Bildgebung kennt (siehe Trailer oben). Diese 2D-Ansicht half mir, die MRT-Scans meines Rückens besser einzuordnen.

Fazit: (3D-)Wissen ist Macht

Ebenfalls von Nutzen war eine Untersuchung des muskulären Systems. Human Anatomy VR kann, wie bereits erwähnt, 15 unterschiedliche Systeme des Körpers darstellen, wobei man diese zwecks Übersichtlichkeit beliebig ein- oder ausknipsen und jede für sich schichtweise abtragen kann.

Das Hauptmenü, das die 14 Körper-Systeme zur Auswahl zeigt. Daneben das 3D-Modell des Körpers.

Das Hauptmenü, das die 14 Körper-Systeme zeigt. Diese lassen sich per Knopfdruck einzeln an- und ausschalten, sodass man immer nur das sieht, was man sehen will. | Bild: Virtual Medicine

So war es mir möglich, die Tiefenschichten der Muskeln im unteren Rücken und Gesäß Stück für Stück freizulegen (alternativ kann man die Muskeln auch von Hand entfernen). Fühle ich Verspannung in einem Muskel, kann ich diesen mit der VR-App eher identifizieren und mich auf diese Weise gezielter therapieren.

Abschließend kann ich sagen, dass mir Human Anatomy VR ein vertieftes Verständnis meiner Verletzung ermöglichte, wie sie es Bilder aus dem Internet nur beschränkt vermochten.

Ich habe eine genauere Vorstellung davon, was in meinem Körper vorgeht, was die Ursache meiner Schmerzen ist und was für eine Heilung vonnöten ist. Da ich den Aufbau dieser Körperregion kennengelernt habe, habe ich größere Achtung vor meinem Körper und dessen Grenzen. Das gewonnene visuelle Wissen hilft mir bei der Rehabilitation und hoffentlich auch dabei, weitere Bandscheibenvorfälle zu vermeiden.

Technisch einwandfrei auf PSVR 2

Human Anatomy VR gibt es auch für Meta Quest, aber dank der Leistungsfähigkeit der PS5 und Playstation VR 2 navigiere ich in hoher Auflösung und Bildwiederholrate durch das 3D-Modell. Ein stellenweise auffälliges Nachziehen des Bilds legt nahe, dass die Entwickler:innen Sonys Reprojection-Technik einsetzen, was meine VR-Erfahrung nicht wesentlich beeinträchtigte, aber manche Nutzer:innen stören kann.

Dank eines ausführlichen Tutorials und einfachen Steuerung lässt sich die VR-App schon nach kurzer Zeit angenehm bedienen. Ich wünschte nur, ich könnte mich mit dem linken statt rechten Analogstick bewegen. Alternativ gibt es auch eine Teleport-Funktion.

Jeder Bestandteil des Körpers lässt sich mit dem Controller aus dem Körper entfernen, drehen, vergrößern und begutachten. Eine medizinische Beschreibung verrät Eigenschaften und Funktion. | Bild: Virtual Medicine

Für die Zukunft hoffe ich, dass Virtual Medicine mehr Muskelanimationen hinzufügt. Als Fitness-Enthusiast möchte ich genau wissen, welche Muskeln bei welcher Bewegung wie stark zum Tragen kommen. Noch toller wäre, wenn man das 3D-Modell von Hand bewegen und dabei das Arbeiten der involvierten Muskeln im Detail studieren könnte.

Von Human Anatomy VR gibt es verschiedene Versionen und Lizenzen für Studierende, professionelle Anwender:innen und Institutionen mit zusätzlichen Funktionen wie Multinutzerkollaboration. Mehr Informationen findet ihr auf der offiziellen Internetseite. Für die in diesem Artikel beschriebenen Funktionen reichte der Kauf der VR-App im Playstation Store.

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