HTC Vive: Auf den Spuren des Unabombers - "Unabomber VR" im Test

HTC Vive: Auf den Spuren des Unabombers -

Der sogenannte Unabomber terrorisierte Amerika siebzehn Jahre lang mit Paketbomben. Eine VR-Erfahrung rekonstruiert Schlüsselmomente des längsten und teuersten Kriminalfalls der US-Geschichte, bietet jedoch wenig Interaktion und lässt wichtige Fragen offen.

Nachdem Ted Kaczynski mit 25 Jahren seinen Doktortitel in Mathematik erworben hatte, stand dem Hochbegabten eine glänzende Karriere bevor. Doch zwei Jahre später nahm sein Leben eine überraschende Wendung: Kaczynski verlässt die Universität und zieht nach dem Vorbild des amerikanischen Schriftstellers Henry David Thoreau in eine abgelegene Waldhütte, um ein einfaches Leben in der Natur zu führen.

Hier wird der Neo-Luddite Zeuge industriellen Raubbaus und radikalisiert sich . Überzeugt davon, dass Technologie die menschliche Spezies vernichten wird, baut er von 1978 bis 1995 zahlreiche Paketbomben, die er an Computergeschäfte, Universitäten und Fluggesellschaften schickt. Damit tötet der “University and Airline Bomber” oder kurz Unabomber drei Menschen, mehr als zwanzig Personen werden teils schwer verletzt.

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Ein politisches Manifest

Da der Unabomber seine Opfer recht willkürlich auswählte und die Bomben keine Hinweise auf seine Identität zuließen, tappte das FBI siebzehn Jahre lang im Dunkeln. Erst 1995 kam Bewegung in den Fall, als Kaczynski unter anderem der New York Times ein politisches Manifest sandte und eine Veröffentlichung des Schriftstücks verlangte.

Auf Wunsch der US-Bundespolizei veröffentlichten die Times und die Washington Post das Dokument im September 1995. Die Hoffnung, dass jemand aus der Bevölkerung den Schreibstil wiedererkennt, war berechtigt: David Kaczynski erinnerte die technikfeindliche Denke und einzelne Sätze an seinen Bruder, sodass er das FBI benachrichtigte. Am 3. April 1996 wurde Ted Kaczynski verhaftet.

Drei Orte, drei Geschichten

In der VR-Erfahrung besucht man drei Orte: einen Konferenzraum des FBI, das Büro eines Verlegers der New York Times und Kazcynskis Hütte. Alle drei Orte sind mit einem hohen Detailgrad festgehalten. Leider kann man sich in den Räumen nur innerhalb des eigenen Trackingbereichs bewegen, die wichtigen Objekte sind jedoch in Griffweite.

Im Konferenzraum der US-Bundespolizei können VR-Nutzer das Phantombild des Unabombers, ein historisches Fahndungsplakat und den Nachbau einer Bombe in die virtuelle Hände nehmen und aus der Nähe betrachten. Wer sich die Attrappe genauer ansieht, erkennt Nägel, die Kaczynski in die selbstgebaute Holzkiste legte, um möglichst großen Schaden anzurichten.

Dokumente vergleichen

Im gleichen Raum sind auf großen Weißwandtafeln die sechzehn Bombenattentate chronologisch aufgelistet und Fotos von Beweisstücken und Originaldokumente angeheftet. Letztere sind teilweise nur schwer zu lesen. Auf dem Tisch können VR-Nutzer mit einer Lupe zwei Dokumente vergleichen, die dem FBI als Beweismaterial dienten.

Das erste ist ein Ausschnitt aus dem Manifest, das zweite ein Brief, den Ted Kaczynski seinem Bruder schickte. In beiden Dokumenten ist der annäherende gleiche Satz zu lesen: "Man kann den Kuchen nicht zugleich essen und besitzen." Das FBI hat nach der Veröffentlichung des Manifests mehr als 2.000 Hinweisen auf der Bevölkerung nachgehen müssen und dieser überzeugte die US-Bundespolizei, dass sie auf eine brauchbare Spur gestoßen sind.

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Schein-Dilemma

In der darauffolgenden Szene wird der VR-Nutzer in das Büro eines Times-Verlegers versetzt und muss entscheiden, ob das Manifest des Terroristen veröffentlicht wird. Dieser Abschnitt der VR-Erfahrung soll zum Nachdenken über die Rolle der Medien anregen. Er wirft die Frage auf, ob es ethisch richtig ist, sich den Drohungen eines Terroristen zu beugen und seinen politischen Ansichten eine Bühne zu bieten, selbst dann, wenn eine kleine Chance besteht, ihn dadurch zu fassen.

Der Komplexität dieses Dilemmas wird die VR-Erfahrung nicht gerecht, da sie der Abwägung des Für und Wider keinen Raum gibt. Dem VR-Nutzer wird die Entscheidung praktisch ohne Kontext serviert und der Ausgang ist stets derselbe: Entscheidet man sich gegen die Veröffentlichung, wird dennoch veröffentlicht. Man hat weder eine wirkliche Wahl, noch muss man die Konsequenzen der Entscheidung tragen.

In der Hütte des Unabombers

Nach dieser Szene wird der VR-Nutzer in die nach Polizeifotos originalgetreu rekonstruierte Hütte des Unabombers versetzt und muss nach dessen Verhaftung Beweisstücke sichern. Hier findet man Bombenbaumaterial, den Kapuzenpullover und die Sonnenbrille, die auf dem berühmten Phantombild zu sehen ist, sowie die Schreibmaschine, auf der Kaczynski sein Manifest schrieb.

Im letzten Abschnitt wird mit einem ferngesteuerten Roboter eine Bombe aus der Hütte entfernt. Allerdings darf man ihn nicht selbst steuern, sondern nur einen Knopf betätigen. Den Rest erledigt das Programm von alleine. Dieser Abschnitt ist eine unnötige Beigabe, die weder gut gemacht ist, noch irgendeine Erkenntnis bietet, die zum tieferen Verständnis des Falls beiträgt.

Fazit: Ein lückenhaftes Gesamtbild

Überhaupt scheint die VR-Erfahrung vornehmlich dazu da, die Rolle des FBI in gutem Licht erscheinen zu lassen. Ob der Fall Ted Kaczynski dazu Anlass gibt, ist fraglich: Die Überführung des Unabombers ist nicht auf Untersuchungsmethoden oder Geniestreiche der Ermittler zurückzuführen. Der entscheidende Hinweis kam aus der Bevölkerung.

Ebenfalls befremdlich ist, dass über den Unabomber selbst kaum etwas gesagt wird. Wer Ted Kazynski ist und weshalb er zum Mörder wurde, geht aus der VR-Erfahrung nicht hervor. Dieses Versäumnis wiegt umso mehr, da die VR-Erfahrung in erster Linie Wissen vermitteln will. Im Vordergrund steht der Kriminalfall und die Verhaftung durch das FBI, der breitere Kontext wird ausgespart. So bleibt das Bild letzten Endes unvollständig.

Unabomber VR ist bei Viveport erhältlich und kostet 4,24 Euro. Die VR-Erfahrung erscheint zu einem späteren Zeitpunkt bei Steam.

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